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geschieht auf kleinen Steinen von entsprechendem Durchmesser, das Boliren meist auf Walzen von hartem Holze, die mit feinem feuchten Tripel oder Bolus bestrichen werden. Zum Bohren des Achats bedient man sich rasch gedrehter Stahlstifte mit Diamantstaub oder Diamantstückchen. Zum Glück haben die Achatschleifer wenig Konkurrenz zu befürchten, weil ihr Material nur noch in Uruguay in Amerika und in Schlottwig in Sachsen vorkommt. Der Achat ist eine gestreifte Kieselablagerung, deren einzelne Streifen verschiedene Farbe und Dichtigkeit zeigen. Er besteht vorzüglich aus verschiedenen Varietäten von Chal cedon , d. i. mikrokrystallinische Kieselsäure, und die einzelnen Lagen zeigen bald gröbere, bald feinere Struktur und sind oft äußerst dünn, so daß ein paar hundert auf einen Millimeter kommen. Die Farbe rührt gewöhnlich von Eisen- und Manganverbindungen her, doch sind die Onyre( schwarz und weiße Lagen) meist künstlich gefärbt. Diese Kunst war schon den Griechen und Römern bekannt, blieb aber bis in dieses Jahrhundert Geheimniß römischer Steinschneider, vielleicht durch Tradition, und wird erst seit etwa 1830 in Oberstein betrieben. Die Möglichkeit, den Achat zu färben, beruht auf der verschiedenen Natur seiner Lagen, von denen die einen porös genug sind, um Flüssig feiten aufzusaugen, die anderen nicht. So werden gegenwärtig Onyre künstlich bereitet. Das Färben wird meist erst an den geschliffenen Steinen vorgenommen, obwohl die Farbe tief in die Steinmasse eindringt und auch auf dem Bruch mehr oder weniger hervortritt. Namentlich werden aber die künstlichen Mockasteine( Moos- Achat mit verschieden gefärbten Blasen) erst nach dem Schleifen dargestellt, indem auf die mit Kochsalzlösung gebeizten Steine die moosartigen Dendritenformen mit salpetersaurem Silber aufgezeichnet werden. Das ent stehende Chlorsilber schwärzt sich allmählich an dem Licht, wodurch die Zeichnung sichtbar hervortritt. Das Schleifen des Achats geschieht in den oben erwähnten Mühlen auf großen Schleifsteinen von Vogesensandstein, welche am äußeren Umfang theils ebene Bahnen, theils Hohlund Rundkehlen haben, die von den Schleifern geschickt benutzt werden, um den Gegenständen verschiedene Formen zu geben. Die Achatschleifer sind troß schwerer Arbeit und kargem Lohn, wie fast alle Anwohner des Rheins und seiner Nebenflüsse, ein kräftiger Menschenschlag, stets aufgelegt, beim vollen Becher des Lebens Ungemach zu vergessen.
Y.
Ueber den Einfluß von Fabrik- und Straßengeräuschen auf Menschen und Gebäude hat Prof. Reclam in Leipzig eine interessante Abhandlung geschrieben in Form eines hygieinischen Gutachtens über die ihm von dem leipziger Hausbesitzer W. zur wissenschaftlichen Entscheidung vorgelegte Frage
,, ob der Dampfhammer, welchen die Besizer der Fabrik, G. A. Jauck, in ihrem Fabritlokale, Sternwartenstraße Nr. 31( ohne vorher erYangte Konzession) errichtet haben, Geräusche und Erschütterungen hervorruft, welche in dem Sternwartenstraße Nr. 33 gelegenen Hause wahrgenommen werden können oder müssen?
und ob diese Geräusche und Erschütterungen, dafern sie vorhanden, so stark sind, daß sie Nachtheile für die Gesundheit herbeizuführen im Stande wären?"
Prof. Reclam beschreibt die Eindrücke, welche er bei der Untersuchung der Sachlage gewonnen hat, wie in möglichst gedrängtem Auszuge folgt:
Als ich die Wohnung des Geheimrath 2. betrat, war der Dampf hammer nicht in Thätigkeit. Sehr bald mußte ich bemerken, daß troß des lebhaften Gespräches sich Hämmern und Klirren, wie von einer Schmiede bemerkbar machte, während zugleich ein lang anhaltender schnarrender Ton, wie von einem Göpelwerke, dazwischen hörbar wurde. Nach furzem Warten erscholl lebhaftes heftiges Hämmern, von welchem ich gleichzeitig den Schall und die Erschütterung des Hauses wahrnahm. Ich bemerke hierbei, daß diese Erschütterungen fühlbar wurden, obwohl ich auf einem gepolsterten Stuhle saß, mithin der Uebertragung durch die weiche Polsterschicht größere Hindernisse entgegengebracht wurden, als wenn ich auf einem mit Rohrgeflecht oder Brett versehenen Stuhle mich befunden hätte. Wir verfügten uns über den Korridor der Wohnung hinweg in das gegenüber gelegene Schlafzimmer und die daran stoßende Kammer. Hier waren Geräusch und Erschütterungen so stark, daß ich den Versicherungen vollständig Glauben beimesse: man vermöge es nicht im Bette auszuhalten, wenn der Dampfhammer in Thätigkeit gesetzt wird. Man fühlte mit der Hand deutlich die Erschütterungen der Wand. Auch in dem anstoßenden, durch fünf Räume von der dem Dampfhammer zunächst liegenden Wand getrennten Zim mer waren Geräusch und Erschütterung noch deutlich wahrnehmbar und so stark, daß man sich dieser Wahrnehmung nicht hätte entziehen können,
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wäre.
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auch wenn man seine Aufmerksamkeit auf einen anderen Gegenstand lenkte. Ich erhielt die Ueberzeugung aus eigener Wahrnehmung, daß es unmöglich sei, in diesem Gemach geistige Arbeiten vorzunehmen, anhaltend nachzudenken, so lange der Dampfhammer in Bewegung Es ergab sich, daß während meiner Anwesenheit der Dampfhamwas die Ermer im Mittel 150 Schläge in der Minute ausführte, schütterung des Hauses mehr als genügend erklärt. Prof. Reclam hält jedoch solche Geräusche nicht nur für arbeitsstörend, sondern auch der Gesundheit der unfreiwilligen Hörer nachtheilig. Er sagt: Bei dem gegenwärtig üblichen Bau der Städte, bei welchem die einzelnen Häuser dicht aneinander in eine Reihe gesetzt werden, und kein Zwischenraum zwischen jenen besteht, ist es unvermeidlich, daß der Bewohner eines Hauses durch Erschütterungen und Geräusche heimgesucht werde, welche im Nachbargrundstück ihren Ursprung haben. Wenn dort ein schwerer Gegenstand zu Boden fällt, oder geworfen wird, so theilt sich die Erschütterung dem Nachbarhause mit. Jede sinnliche Wahrnehmung kommt nun dadurch zu Stande, daß bei der Thätigkeit des betreffenden Sinnesorgans ein Theil des Stoffes, welcher zu seiner Ernährung dient, zersetzt und unbrauchbar gemacht wird; dieser unbrauchbar gemachte Stoff muß aus dem Blute mit Hülfe des Stoffwechsels ersetzt und erneuert werden. Es findet also in dem betreffenden Sinnesorgane eine erhebliche Steigerung des Stoffumfazes statt. Erfahrungsgemäß hat eine derartige Erhöhung des Stoffumfaßes in der Perzeptionsfähigkeit des betreffenden Sinnesorganes eine Umänderung zur Folge, welche man als„ erhöhte Empfindlichkeit" ,,, gesteigerte Reizbarkeit" des Organs in der Medizin zu bezeichnen pflegt, und welche sich nachweisbar dadurch kund gibt, daß die Empfindungswahrnehmungen zuerst übermäßig deutlich, später etwas undeutlicher, dann lästig, hierauf von Schmerzen begleitet auf das Organ einwirken. Es ist dies eine aus den Gewerbekrankheiten längst bekannte Thatsache, für deren Nachweis ich nur das eine Beispiel anführe, daß Klavierstimmer, welche anhaltend das Tönen des Instrumentes wahrnehmen und Schallwellen der angeschlagenen Tasten verfolgen, nach einiger Zeit eine Abnahme in der Schärfe ihres Gehörs verspüren, darauf aber zuerst von unangenehmen Empfindungen und schließlich von den heftigsten Schmerzen im Gehörorgan gepeinigt werden. Jeder einer selbständigen Thätigkeit fähige Theil unseres Körpers wird durch das Uebermaß der Thätigkeit, namentlich durch deren lang anhaltende Dauer in ähnlicher Weise beeinflußt, wie ja auch der Schreibkrampf lehrt, welcher durch zu anhaltendes Schreiben hervorgerufen wird. Bezüglich der unwillfürlich von außen auf uns einwirkenden Sinneswahrnehmungen ist noch zu erwägen, daß für uns ein unangenehmes Gefühl dadurch hervorgerufen wird, wenn dieselben sich unserer Wahrnehmung und unserer Aufmerksamkeit gleichsam aufdrängen. Man sucht durch Ablenken der Aufmerksamkeit diesen Sinneswahrnehmungen zu entgehen, und gelangt dadurch in eine geistige Erregung, welche im hohen Grade unangenehm und peinigend ist. Am meisten ist dies der Fall, wenn die sinnliche Wahrnehmung nicht unausgesetzt auf uns einwirkt, sondern in größeren oder kürzeren Zwischenräumen. So kann man sich an ein feststehendes, unausgesetzt strahlendes Licht in gewissem Maße gewöhnen, und befindet sich in gleichem Falle einem unausgesetzt wahrgenommenem Tone gegenüber. Man gelangt schließlich dahin, daß man das Licht nicht mehr sieht, den Ton nicht mehr hört. Selbst bei klappernden Geräuschen, z. B. dem Klappern beim Gange einer Mühle, ist dies der Fall. Wird dagegen die Sinneserregung nur von Zeit zu Zeit auf uns einwirken, so daß zwischen den Wahrnehmungen eine Ruhepause sich befindet, so drängt sich uns die Einwirkung in solcher Weise auf, daß wir uns dem Aufmerken nicht entziehen können. Dies ist z. B. der Fall, wenn ein Licht zeitweilig in den Sehkreis unseres Auges gelangt und wieder verschwindet; das unangenehme Gefühl der Blendung, welches durch einen von der Sonne beschienenen Flügel eines Doppelfensters an einem gegenüberliegenden Hause hervorgerufen wird, sobald der Wind das Fenster hin und her bewegt, findet darin seinen Grund. Weil derartige Sinnesempfindungen deutlicher wahrgenommen werden, hat man bei den Leuchtthürmen während der letzten fünfzehn Jahre das unterbrochene Licht eingeführt, dessen von Zeit zu Zeit sich wiederholendes Aufblizen vom Seefahrer unwillkürlich mit größerer Sicherheit wahrgenommen wird, als ein stetig strahlendes Licht. Diese Eigenschaft der Aufdringlichkeit hat nun der Dampfhammer in hohem Grade, da er bald angelassen, bald wieder unterbrochen wird. Die Zwischenzeit der ,, Ruhe" befähigt das Gehörorgan zu schärferem Wahrnehmen, und bedingt die Unmöglichkeit, das Geräusch des Dampshammers zu überhören oder sich an dasselbe zu gewöhnen. Legteres würde aber schon um deswillen unmöglich sein, weil das Geräusch zu stark, und weil es von einer Er( Schluß folgt.) schütterung begleitet ist.
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Inhalt. Jdealisten, von Rudolf Lavant . Irrfahrten, von L. Rosenberg( Fortsetzung). Zum neunten Mai. Ein Gedenkblatt von Bruno Geiser( Fortsetzung). Verbrennung und Wärmeeffekt unserer Brennmaterialien, von Rothberg- Lindener( Fortseßung). Dem Schicksal abgerungen, Novelle von Rudolph v. B......( Fortsetzung). Fang von Schwarzfischen an der Küste von Nantucket in Massachusetts ( mit Illustration). Oberstein ( mit Illustration). Ueber den Einfluß von Fabrik- und Straßengeräuschen auf Menschen und Gebäude.
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