Nun, Sie wissen ja, ich bin Rittergutsbesitzer von Herrn Schweders Gnaden. Mich kostet mein Gut ein paar Federstriche, die Anzahlung hat Herr Schweder geleistet, und zum Dank für diese ungeheure Großmuth hab' ich einen Kontrakt mit ihm gemacht. Wenn ich das Gut ganz oder theilweise verkaufe, so gehört der Profit zu neun Zehnteln dem Herrn Schweder. Nanu sehen Sie, die Eisenbahngesellschaft hat schon ihre Linien quer durch meine Grundstücke abgemessen, für 40000 Thaler kauft sie mir Grund und Boden ab, der vorher sich nicht auf 5000 verzinste, macht ein Profitchen von 35000, von denen ich kontraktlich 3500 Thaler mir behalten kann, das übrige schnappt mein hochwohlgeborner Gönner, der Herr Schweder."
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Wieder legte sich jener leise Zug von Verachtung um Frizz Lauters Lippen.
Und daß Sie bei diesem Geschäfte nur den zehnten Theil bekommen, das ärgert Sie natürlich, Herr Willisch?" Willisch hatte den Kopf in die Hände gestützt; jetzt fuhr er auf:
,, Sie halten mich für so eine Art mißgünstigen Lumpen- nun, warum auch nicht? Vielleicht täuschen Sie Sich aber doch ein wenig. Ich will Ihnen die 3500 Thaler geben und auch nicht einen rothen Heller für mich selbst behalten, das Geld kann mir gestohlen werden. Nein, was mich ärgert und was mich allmählich noch zu einem ganz ordentlichen Säufer machen wird, ist, daß ich thun muß, was ein anderer will, und daß ich, ob ich will oder nicht will, Helfershelfer bin zuna,' s ist mal na,' s ist mal nicht anders zu Geschäften, die, genau besehen, doch verdammt unsauber sind. Zurüd tönnt' ich freilich, wenn ich wieder ordinärer Dienstmann werden wollte, aber sehen Sie, das ist meine Schwäche, jämmerlich mag's sein, aber ich kann mich nicht überwinden, wenn ich nicht muß, ziehe ich die Bluse nicht wieder an. Wenn man einmal so' n Herrenleben kennen gelernt hat dann soll der Teufel wieder Dienstmann werden."
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Der verächtliche Zug um Friz Lauters Lippen hatte sich verloren, aber sehr nachdenklich und finster schaute er drein, als er
antwortete:
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" Ja, es ist schwer, das fühl ich selber, von einer Stufe auf der Lebensleiter, zu der man emporgestiegen ist, wieder herabzusteigen; vorwärts und höher hinauf will jeder, freiwillig hinunter, feiner. Können Sie mir den Kontrakt zeigen, Herr Willisch?"
, Gewiß kann ich's. Ich hab' sogar' s Original- von Herrn Schweders eigener Hand geschrieben und er hat' ne Abschrift von meiner Hand. Aber' s bleibt unter uns. Verrathen will ich ihn nicht, den Herrn Schweder; aber Sie sollten wissen, in was für Händen Sie sind, damit' s Ihnen nicht ähnlich geht, wie mir. An mir ist nicht viel verloren, aus Ihnen kann aber was werden, denk ich, darum hab' ich geredet
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Willisch schaute sich um. Die Wirthsstube war inzwischen voller geworden. Aber in ihrer nächsten Nähe waren die Tische noch nicht besetzt, und das war um so auffälliger, als die vorhin schon von Willisch erwähnte Neugier der anwesenden Landleute, was die beiden wohl thun und sprechen möchten, auf deren Gesich tern deutlich ausgeprägt war. Auch hatte keiner von den Ein
tretenden zu ihnen herübergegrüßt, dafür aber war mehr als ein finsterer, feindseliger Blick über sie hingestreift.
Frizz Lauter hatte das alles nicht bemerkt; er saß mit dem Gesicht gegen das Fenster und war viel zu sehr von dem, was er hörte, in Anspruch genommen. Willisch aber hatte wohl aufgemerkt.
" Ich denke, wir gehen," sagte er, nachdem er sein Glas mit einem legten, mächtigen Zuge geleert hatte. Hier sieht uns kein anderer gern, als der Wirth, und der schließlich auch blos dann, wenn möglichst wenig andere Gäste da sind."
Lauter erhob sich sofort. Er hatte sein Glas fast garnicht berührt und nahm auch, troh Willischs Aufforderung, doch auszutrinken, der Stoff sei werth, getrunken zu werden,- feinen Tropfen mehr. Als sie das Zimmer verließen, grüßte Frizz zu den Bauern hin, die aber thaten, als ob sie nicht sähen und hörten, und der laute Abschiedsgruß des Wirthes machte die peinliche Stille ringsumher nur noch bemerklicher.
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,, Nun, da haben Sie wieder eine Probe von der Gesinnung unseres Landvolkes," sagte Willisch, als sie ihren Wagen bestiegen hatten und in mäßigem Trabe davonfuhren.
Friz Lauter wollte antworten, aber eben kam dem Wagen ein ganzer Trupp Landleute entgegen, Männer und Weiber, denen man die größte Armuth an Kleidung und Haltung auf den ersten Blick ansah. Sie sprachen sehr lebhaft mit einander, und als sie erkannten, wessen Gefährt es war, das ihnen entgegenkam, deuteten sie darauf hin, und ein langer, hagerer, wildaussehender Mensch rief:
,, Da kommen ja auch solche Kerle- Rittergutsbesizer und Zeitungsschreiber ha, ha! Für die Arbeit wird bezahlt, und verflucht nobel bezahlt, da werden keine Bollaten genommen, die's Bummeln und Faullenzen doch ebenso gut könnten, als das Pack. Na, wir werden mit euch schon abrechnen, ehe wir verhungert sind, seid ihr todtgeschlagen."
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Einige aus dem Haufen suchten den Sprecher zum Schweigen zu bringen, jedoch ein junges, starffnochiges, aber äußerst mageres Weib rief den zur Ruhe mahnenden Männern zu:
" Laßt ihn nur! Recht hat er ja, und warum sollen wir ewig und immer' s Maul halten, wir werden's so vor Hunger bald nicht mehr rühren können. Und warum sollen die herrlich und in Freuden leben, und wir mit unseren Kindern verfaulte Kartoffeln und Wurzeln fressen, wie's im letzten Winter hunderte gethan haben, wenn's schon' mal gestorben sein muß, stirbt sich's besser in Gesellschaft, denk' ich!"
Hurrah!" schrie der Lange wieder. Die Suse hat recht! Die muß euch Hasenfüßen erst mit gutem Beispiel vorangehen, eh' ihr euch traut, auch' mal euer Maul aufzumachen. Nieder mit der Package von der Eisenbahn und den hergelaufenen Rittergutsbesißern und Zeitungsschreibern, die ellenlange Berichte in die gedruckten Wische in der Stadt schreiben, wenn hier' s Volk hungert und friert, damit die in der Stadt ihre helle Freude haben über die schöne Einrichtung, daß sie satt zu essen haben und warm sizen. Nieder mit der feinen Bande!" ( Fortsetzung folgt.)
Die Republiken Südamerika's in ihrer Vergangenheit und Gegenwart.
Historische Stizze von Dr. Mar Vogler. ( Fortsetzung.)
Abermals trat Anarchie ein; dann suchte Dr. Linares, der von 1857 bis 1861 die Präsidentengewalt als Diktator repräsentirte, durch energische Strenge, aber ohne Erfolg, eine feste Autorität zu begründen; General Cordova, sein Nachfolger( 1861), jah sich, noch ehe das erste Jahr seiner Regierung vorüber war, durch Jose Maria de Ach a verdrängt, der nun durch Härte und Strenge die Herrschaft seiner Partei zu befestigen suchte. Auf die Kunde, daß eine neue Verschwörung zu Gunsten Cordova's oder Belzu's im Werke sei, ließ der Befehlshaber von La Paz , Oberst Placido Yanez, in einer Nacht( Oktober 1861) hundertundsechs verdächtig erscheinende Personen erschießen, darunter Cordova selbst, einen Bruder des früheren Präsidenten Belzu und mehrere angesehene Militär- und Civilbeamte. Durch diese Grausamkeit indessen nicht abgeschreckt, verbanden sich die Gegner der Regierung aufs neue, und erst nach Verlauf eines Jahres war die Präsidentschaft Acha's einigermaßen gesichert, so daß wieder an die Hebung des Landes gedacht werden konnte. In dem Kriege zwischen Spanien und Peru stand Acha auf der Seite des Nachbarstaats, obwohl er vor
allen Demonstrationen gegen das Mutterland warnte. Im folgenden Jahre( 1864) aber schon lehnte sich gegen ihn Maria Melgarejo auf, der auch nach einer von ihm siegreich gegen die letzten Truppen Acha's bei Ocaza in der Nähe von Potosi ( Februar 1865) geschlagenen Schlacht als Präsident anerkannt wurde und sich trotz neuer, durch Belzu ( der am 27. März 1865 bei dem Angriffe Melgarejo's auf La Paz seinen Tod durch eine Kugel fand) und bald darauf durch Castra Arguedas ( 25. Mai 1865 bis 24. Jan. 1866) hervorgerufenen Aufstände zu behaupten wußte. Melgarejo ertheilte eine allgemeine politische Amnestie. Einen Aufstandsversuch der Demokraten, 17. Oktober 1866, unterdrückte er rasch und ließ die Rädelsführer umbringen. Seit dem Februar 1869, wo die erst ein Jahr vorher vereinbarte Konstitution von Melgarejo wieder aufgehoben wurde, regierte derselbe fattisch als Diktator. Ein neuer Aufstand brach im Februar 1870 unter den Indianern in den östlichen Landestheilen aus, zu dessen Niederwerfung es längerer Zeit bedurfte. 1871 wurde der Oberst Morales, 1874 Dr. Frias Präsident.
Chile hat einen Flächeninhalt von 6238 Quadratmeilen und gegen 2 millionen Einwohner. Das 20-35 Meilen breite und über 300 Meilen lange Küstenland soll seinen altindianischen Namen( spr. Dschile) von dem Laute einer dort häufigen Drossel erhalten haben. Die Küste ist ihrer Hauptrichtung nach zwar einförmig, bietet aber in ihren Einzelbildungen durch zahlreiche Flußmündungen und die sich zwischen den