selben erhebenden Felsvorsprünge viel Abwechselung. Im nördlichen Theile rauh und kahl, der Abfall einer über 800 Meter hohen Hoch­ebene, gestaltet sie sich weiter südwärts durch die sie überkleidende reiche Vegetation freundlicher und einladender. Das Land bildet bekanntlich den Westabhang der nach Süden allmählich an Höhe abnehmenden Anden mit einem aus Hügelland und Hochebenen, nebst einzelnen nie­drigeren, an der Küste von Norden nach Süden streichenden Bergketten, bestehenden Vorlande. Ueber die granitischen und metamorphischen Gesteine ragen zahlreiche vulkanische Kegel empor; die durchschnittliche Kammhöhe beträgt 4500, weiterhin gegen Süden 4000 und südlich von Chiloe 1500 Meter. Einzelne Gipfel haben eine Höhe von 6-7000 Meter. Das starre, vegetationsarme Hochgebirge ist unwirthlich und öde, nirgends von freundlich grünen Thälern, wie in unseren Alpen, durchbrochen.

431

"

-

An Vulkanen befizen die chilenischen Anden nach Leopold von Buch 24, nach Poppig 16; nach anderen befinden sich in der ganzen chilenisch  - patagonischen Kette 23 Vulkane, davon noch 9 in Thätigkeit. Zum Glück finden verheerende Ausbrüche fast gar nicht statt; als der thätigste erscheint der Vulkan von Chillan  . Dagegen sind Erdbeben, gleichwie in Peru  , sehr häufig; besonders stark waren diejenigen von 1570, 1647, 1657, 1730, 1751, 1822, 1824, 1835, 1871. Der Reich- heiten stußig, konnte aber den Beifall der urtheilsfähigen Leute thum der Bewässerung in Chile   ist außerordentlich. Auf den hohen Gebirgen entspringen tausende von Quellen und Bächen, die in jähem Lauf hinab in das tiefere Land eilen, sich zu nicht weniger als 53 größeren Flüssen vereinigen, in engen Felsschluchten die Küstenthäler durchschneiden und sich, wasserreich, aber wenig für die Schifffahrt ge­eignet, in den Großen Ozean ergießen. Wie in Peru   und Bolivia   ist das Klima ein sehr verschiedenes. Das nördliche Gebiet erhält fast gar feine Westwinde, die Ostwinde sind scharf und trocken; innerhalb fünfzig Jahren gab es hier nur einmal Regen. Unter diesem Einfluß erscheint das Vorhandensein der Wüste Atacama, 23-290 südl. Br., zwischen Meer und Anden, auf deren große sandige Landstrecken wir noch zurück­zukommen haben werden, erklärlich. Mehr südwärts wird Chile   von den rüdkehrenden Passat- oder Zugwinden getroffen, infolge deren vom April bis August in der Regel Regen stattfindet. Valdivia hat vom Juni bis September Regen und ein milderes Klima; der Landstrich von Valparaiso   bis Valdivia wird ,, der Garten der Neuen Welt" ge= nannt und gehört zu den gesegnetsten Ländern der Erde, wie denn das Innere des Landes überhaupt weite Strecken lang die üppigste Vege­tation und den verschiedenartigsten Pflanzenwuchs aufweist. An Mine­ralien finden sich in Chile   ebenfalls große Mengen von Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Blei, Salpeter, Steinsalz u. s. w. Bedeutend ist auch die Ausbeute an Braunkohlen und auf der an der Südspige gelegenen Insel Chiloe, wie den umliegenden kleineren Inseln, von vielen millionen Seevögeln bewohnt, sind große Guanolager vorhanden.

Die Bevölkerung Chile's   ist in rascher Zunahme begriffen und zeichnet sich durch eine ungewöhnlich hohe Lebensdauer aus. So gibt der Census von 1854 2312 Personen im Alter von 80-90, 2741 im Alter von 90-100, und 588 im Alter von mehr als 100 Jahren, welche letteren namentlich aufgeführt werden, an; der älteste Mann hatte ein Alter von 132 Jahren erreicht. Die Bewohner, unter denen sich, wie in Peru  , viele Deutsche   befinden, sind arbeitsam und beuten die Schäße des Landes nach Kräften aus, sodaß Ackerbau, Viehzucht und Bergwerksbetrieb in großer Blüthe stehen. Der letztere iſt nament­lich im Norden vorherrschend, wo sich die Bevölkerung um die Gruben und Hütten zusammendrängt. Durch Bau von Straßen und Eisen­bahnen, Anlegung einer Ackerbauschule, Begründung eines eigenen Ministeriums für den Ackerbau und öffentliche Bauten, Errichtung einer Landeskreditkasse, Aufhebung der beschränkenden Majorate hat der Staat für die Hebung des Ackerbaues gesorgt. Dagegen ist die Industrie, abgesehen von den zahlreichen Mahlmühlen, den Schiffsbrotbäckereien, den mit Dampfmaschinen betriebenen Branntweinbrennereien, der Seifen­siederei und der sich auf Anfertigung der wollenen Ponchos beschränken­den Handweberei, wenig entwickelt, während wieder der Handel eine große Ausdehnung gewonnen hat. Das Postwesen ist wohlgeordnet, der Verkehr zur See wird durch eine eigene Handelsflotte, sowie durch britische und französische   Dampfer, welche bestimmte Fahrkurse mit zahlreichen Landungsplägen haben, besorgt.

Auch mit dem Schulwesen ist es in Chile   besser, als in Peru   und Bolivia   bestellt. Es gibt sowohl eine große Anzahl von Primärschulen wie auch Unterrichtsanstalten für das vorgerücktere Alter. Außerdem gibt es ein Seminar für Lehrer und ein solches für Lehrerinnen, zu denen in neuerer Zeit jedenfalls noch andere solcher Anstalten gekommen sind, Mittelschulen oder Kollegien, das Instituto Nacional in Santiago  , verbunden mit der Universidad de Chile, jenes 1813, diese 1783 von den Spaniern gegründet, 1842 er­neuert. Eine Bibliothek, eine Sternwarte und ein Nationalmuseum existiren gleichfalls mit diesem Institut. Besonderen Zwecken dienen die Bergakademie in Copiapo, die Handelsakademie in Quillota, die Militär­akademie in Santiago  , die Marineakademie in Valparaiso  , die Steuer­mannsschule in Ancud  , die Akademie der schönen Künste in Santiago  . Die Mönche und Nonnen widmen sich meist der Jugenderziehung und Krankenpflege.

Die Hauptstadt des Landes, Sitz des Präsidenten und eines Erzbischofs, ist das durch Eisenbahn mit der Hafenstadt Valparaiso  verbundene Santiago  ( 116 000 Einwohner). ( Schluß folgt.)

Georg Gottfried Gervinus  ( Porträt Seite 424). Am 20. Mai sind es 75 Jahre, seit einer der vorzüglichsten deutschen   Geschichts­schreiber, Georg Gottfried Gervinus  , in Darmstadt   das Licht der Welt erblickte. Es liebt die Welt das Strahlende zu schwärzen", wohl selten fand dieser schiller'sche Ausspruch eine treffendere Anwendung wie bei dem politischen und literarischen Wirken des Mannes, dessen natur­getreues Bildniß die vorliegende Nummer bringt. Während seine Ge­schichte der deutschen Dichtung" in.mehr als einem Sinne Grund- und Eckstein unserer deutschen   Literaturgeschichte geworden ist, an welchem sich hunderte und aber hunderte von kleineren Werken genährt haben und für alle Zeit einen Gradmesser für die Bedeutsamkeit und mäch­tigeAnziehungskraft des entschiedenen Oppositionsmannes abgibt, hat man seine ,, Geschichte des 19. Jahrhunderts seit den wiener Verträgen" ziemlich fühl, und sein letztes Werk ,, Händel   und Shakespeare  , zur Aesthetik der Tonkunst" geradezu ungünstig aufgenommen. Daß der herbe aber gerechte Schriftsteller in der Geschichte der deutschen Dichtung" ganze Entwickelungen und Talentreihen dazu verurtheilt, lediglich als Kulturdünger für nachkommende Gestaltungsformen zu gelten und uns dadurch vor Ueber- oder Unterschäzung der deutschen  Dichtung bewahrt, machte die Vergötterer vieler Dichterberühmt­nicht herabmindern. Daß aber der Geschichtsschreiber in der Ge­schichte des 19. Jahrhunderts seit den wiener Verträgen", mit der Entwickelung der preußischen und deutschen   Politik zerfallen, die Ge­staltung Deutschlands   nach dem Kriege 1866 mißbilligte und auch die nationale Begeisterung des Jahres 1871 nicht theilen mochte, das konnten ihm die ,, Gesinnungstüchtigen", die Praktiker, welche nach jeder Schwenkung ihre Devise verändern, nicht verzeihen. Gervinus   war ein Charakter, der an seiner Ueberzeugung unwandelbar festhielt. Im Jahre 1835 erhielt er die Professur für Geschichte und Literatur an der Universität Göttingen  , wurde aber als einer der berühmten ,, Göt­tinger Sieben", der sieben Professoren Dahlmann, die beiden Grimm, Ewald, Gervinus  , Albrecht, Wilhelm Weber  , die gegen den Verfassungs­bruch protestirten, seines Amtes entsegt und gerade er, Gervinus, weil er den Protest unters Volk gebracht hatte, sofort des Landes verwiesen. Als die Göttinger Sieben" in die Fremde zogen, da wandte sich Gervinus   nach Süddeutschland   und später von dort nach Italien  . Sein Aufenthalt in München   galt vor allem der Kunst; mit regem Eifer besuchte er die Sammlungen der Stadt und die Ateliers ihrer Maler. Die Eindrücke, die er hierbei gewann, legte er in einer längeren Reihe von Aufsäßen nieder. Sie waren ganz von jener Vornehmheit getragen, die für die geistige Erscheinung des edlen Gervinus so charak­teristisch ist; am höchsten aber unter all den Künstlern, denen er be­gegnet, stellte er schon damals den jugendlichen Kaulbach, den er den Gedankenmaler und den Verkörperer seiner Träume nannte. Auch in Rom  , wo Kaulbach im Jahre 1838 weilte, trat er mit Gervinus in mannichfache Berührung und empfing von ihm die Anregung zu seinen späteren Schöpfungen. Dem wißbegierigen Kaulbach, der nur eine färgliche Schulbildung genossen hatte, war der Meister der Wissenschaft ein stets willkommener Gast. Die Freundschaft, die im Süden ge­schlossen ward, blieb auch nach der Rückkehr in die deutsche Heimat bestehen und währte beinahe zwei Jahrzehnte lang; fast regelmäßig, wenn Kaulbach eine größere Arbeit vollendet hatte, die vervielfältigt ward, sandte er einen Abdruck derselben nach Heidelberg  , wo Gervinus  seit 1844 Honorarprofessor war; geistvolle Freunde vermittelten so manchen Gruß und Gedanken, und wenn Gervinus   durch München   kam, dann versäumte er nie, den Maler aufzusuchen, dessen Bedeutung er so früh erkannt. Auch im Sommer 1856 war dies der Fall; um den Gast zu ehren, wollte Kaulbach einen Shakespeare- Abend" veranstalten, wie er es scherzhaft nannte, und sorgsam suchte er alle Blätter hervor, alle Skizzen und Entwürfe, die er zu den Dramen des großen Briten  komponirt; Gervinus   sollte prüfen und rathen, er sollte, wie schon oft vorher, einen Blick in die innerste Werkstatt künstlerischen Schaffens thun. Indeß es kam anders, als man dachte. Zu den zahlreichen Fragen, in welchen Gervinus von der Schablone abweichende Meinungen hatte, gehörte auch die Auffassung shakespeare'scher Gestalten. In solchen Fällen blieb er dann jeder anderen Anschauung, ja selbst jeder Debatte unzugänglich. Die Blätter, welche Kaulbach entfaltete, entsprachen der künstlerischen Vorstellung des berühmten Forschers nicht, man bat ihn, Gervinus  sein Urtheil oder seine Rathschläge offen auszusprechen schwieg. So durfte man doch glauben, daß er wenigstens seine Mei­nungsverschiedenheit begründen oder seinem Tadel Luft machen werde, aber auch hier war alle Ermunterung vergeblich Gervinus   schwieg. Das Gefühl der Gegenfäße, das andere beredt macht, hatte ihn stumm gemacht, er hatte von da ab den inneren Zusammenhang mit Kaulbach verloren. Schließlich wollen wir noch der politischen Thätigkeit des Gelehrten erwähnen. Gervinus wurde in dem sturmbewegten Jahre 1848 als Vertrauensmann der Hansestädte in den frankfurter   Bundes tag berufen, trat als Abgeordneter eines preußischen Wahlbezirks in die Nationalversammlung und hielt sich hier zur gagern'schen Partei. Bedeutenden Einfluß auf die große Menge übte seine 1847 in Heidel­ berg   begründete ,, Deutsche Zeitung". Ueber den Gang der Dinge im August 1848 verstimmt, trai er aus der Nationalversammlung aus und lebte, grollend wie der olympische Donnerer, nur seinen Studien. Die Frucht dieser Studien, sein Hauptwerk, die schon oben angeführte ,, Ge­schichte der deutschen Dichtung", ist ein Nationalwerk ersten Ranges, durch welches die wissenschaftliche Literaturgeschichtsschreibung begründet