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deren täglich massenhaft in den deutschen   Blättern angezeigt werden.| Der Preis ist 1-2 Dollar per Woche. Brot, Wurst, Fleisch alles billig, und man kann auf solche Weise mit einigen Thalern sein Leben wochenlang fristen, in einem oben bezeichneten Gasthaus nur so viel Tage. Vier Dollars! 16 Mart 80 Pf. Dies war der Totalbestand meiner inneren und äußeren Finanzen, als ich, in der Vorausseßung, diese bald an Schwindsucht leidende Papier  - und Silbermünze durch den Ertrag meines Fleißes wieder zu kuriren, frohen Muthes in Ge­meinschaft eines biederen kurhessischen Reisegefährten einem der oben bezeichneten Hotelagenten semitischer Abkunft in das gastlich winkende Häuschen vis- à- vis dem Caſtle- Garden folgte. Binnen 3 Tagen war meine Baarschaft dem Verderben verfallen. Jetzt begann ich eine ent­segliche Jagd nach irgend welcher Beschäftigung, welche natürlich, so wenig wie Freunde oder Bekannte, die mit gutem Rath oder klingender Münze hätten beispringen können, zu finden war. Mir wurde ganz warm.' war ohnedies schon gerade warm genug. 10 Cents. Keine Arbeit. Keine Bekanntschaft. Alles jagt, alles rennt; niemand kümmert sich um den, der sich so gern sein beladenes Herz und Gemüth aus-, seinen leeren Magen vollschütten möchte. So dumm war mir mein Lebtag nicht zu Muthe. Die Kunsttempel meines Gewerbes hatte ich ehrlich abgeklopft keine Idee von Arbeit. ,, Was ihr euch nur vor­stellt, hier sind ja die Verhältnisse schlechter als bei euch drüben" das waren Trostworte noch nie ärgerte ich mich über die Kol­Tegen so, wie in Newyork   einem so die Wahrheit zu sagen, wo man doch gern belogen sein möchte. Am Morgen des folgenden Tages 7 Cents Kassenbestand. In den, ich weiß nicht weshalb, zitternden Händen eine Staatszeitung( à 3 Cents) haltend, stand ich am Haupt­postgebäude, eifrig die verschiedenen Verlangts" studirend und sofort beginnt mein alltäglicher Dauerlauf. Ein geheimes Wehe, ein bitteres Grauen macht sich in der Gegend des Magens bemerkbar. Aha! Jetzt fällt mir's ein; gestern früh hatte ich mein letztes Diner( 5 Cents Brot) gehalten; trotz alledem segle ich mit Riesenschritten nach der 22. Straße, einem Engagement als Messerpuzer in einem Gasthause mit freudigen Hoffnungen entgegensehend, zu. Ja, zum Henker, als ich da an­fomme, ich traue kaum meinen Augen, eine Volksversammlung unter freiem Himmel? Völlig außer Athem, ist mein erstes, so unter der Hand nach dem Zweck des Hierseins der sehr ehrenwerthen und zahl­reichen jungen und alten Herren zu forschen.' S ist ein Plaz vakant!" ,, 10 Dollar per Monat!" Keine harte Arbeit!" u. s. w. ging's Gemunkel durch die Reihen der ungefähr 100 versammelten Pflaster treter. Wer sich nach solcher Botschaft, einem begossenen Pudel gleich, in den Hintergrund konzentrirte, das war ich. So ging's mir nicht einmal, sondern mehrere mal. Die in den Tagesblättern ausgeschrie­benen Stellen sind gewöhnlich solche, in denen keiner lange aushält; der hungernde Grüne, sowie solche, welche den Sommer über im Lande auf Farmerarbeit beschäftigt waren und sich zum Herbst nach den großen Städten ziehen, um sich vor dem hier ziemlich strengen Winter zu flüchten, sind zu tausenden die Kandidaten auch für die miserabelsten Stellen. Kein Wunder, daß der hiesige Arbeiter den Grünen mit scheelen Blicken betrachtet, da infolge seiner gewöhnlich äußerst miß­lichen Lage dieser sein gefährlichster Konkurrent ist. Vier böse Tage hatte ich nun arbeitsuchend und nimmer findend, vergeudet. Wie be­neidenswerth erschien mir jener junge Kaufmann, der, weil es ihm 14 Tage früher gerade so ergangen, wie mir, sich in dem von mir in besseren Zeiten bewohnten Hotel als Junger Mann für alles" mit 10 Dollar per Monat und Kost hatte engagiren lassen, morgens 7 Uhr die Straße reinigte und Fenster puzte. Besagtes Hotel hatte ich selbst­verständlich schon am dritten Tage meines Hierseins mitsammt Gepäck verlassen und mein Hauptquartier im Castle- Garden aufgeschlagen. Mit Dankesgefühlen denke ich heute noch an dieses segensreiche Institut, welches, von der Deutschen Gesellschaft und anderen bemittelten Deut­ schen   Newyorks unterhalten, einem jeden Einwanderer seine gastlichen Hallen öffnet, ihm unentgeltliche Herberge, Beschäftigung und andere derartige nicht hoch genug anzuschlagende Wohlthaten darbietet. Hier war es nun, wo ich 3 Tage und 3 Nächte, ohne mit meinen Finanzen in Konflikt zu gerathen, Unterkunft und des Nachts eine Lattenbank zur erquickenden Nachtruhe fand. Von hier aus begann ich jeden Morgen meine fruchtlosen Streifzüge nach Arbeit, die mich oft in die bitterste Stimmung versetzten. Man denke sich in meine Lage: mit einem zum Entsezen leeren Magen sowie Geldbeutel, bei größter Hiße nach Arbeit rennend, der Landessprache nicht mächtig; neunmal fragt man in der lieben Muttersprache nach dieser oder jener Straße, und neunmal wird man nicht verstanden. Jetzt, welche Freude, Nr. 10 hat Gefühl und Sinn für die Dichter- und Denkersprache und gibt die gewünschte Aus­funft, demzufolge man einen Marsch von ungefähr 11/2 Stunden in Aussicht hat. Besißt man die nöthige Münze, hat das nicht viel zu

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sagen, man besteigt die in schwindelnder Höhe die Straßen Newyorks durchsausende Hochbahn, welche, auf einfachen schwachen Eisensäulen ruhend, jeden Augenblick zusammenzubrechen droht, oder aber, man setzt sich, ohne eine Sekunde darauf warten zu müssen, auf den Pferde­bahnwagen und erreicht sein Ziel schnell und billig; billig sage ich, denn diese Riesenstrecken, die man hier mit der Hochbahn( per Dampf eins oder das andere nur natürlich), sowie mit der Pferdebahn, 5 Cents 5 Cents 20 Pf. zurücklegt, wird man in Deutschland   mindestens doppelt so hoch bezahlen müssen. Außerdem ist der Fahrverkehr dieser beiden Beförderungswege ein wirklich großartiger. Man meint geradezu den Verstand zu verlieren, wenn man sich in einer Straße befindet, welche sowohl von Hoch- als Pferdebahn befahren wird, jeden Augen­blid fahren unter fürchterlichem Getöse 2 Stock überm Kopf auf dem doppelt liegenden Geleise ein oder zwei Züge, oder auf ebener Erde, ebenfalls doppelgleisig, einige Pferdebahnwagen vorüber. Dazu das unendliche Gewühl von Menschen, das Schreien der Wagentreiber, das unaufhörliche Ausrufen der Zeitungsjungen man muß das mit an­sehen und hören, daheim kennt man solches nicht. Wien  , Berlin   oder Hamburg   kein Vergleich dagegen. Kurz und gut, ich konnte nicht fahren, maßen ich nichts vom schnöden Mammon besaß. Mit schnellen Schritten und langem Magen wurde das verdienstlose Geschäft der Arbeitsucher weiter betrieben, jedoch ohne Erfolg. Essen   gehörte am 4. und 5. Tage meiner newyorker Wanderung nicht zu meiner Beschäf­tigung, der Hunger war daher mein steter Begleiter. Jeßt mußte etwas geschehen. ( Schluß folgt.)

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Aus allen Winkeln der Zeitliteratur.

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Falsches Haar. Die Sitte oder Unsitte, falsches Haar zu tragen, ist sehr alt. Schon im zweiten Jahrhundert der christlichen Beitrechnung verwendeten die Chriſtinnen falsche Haare zu ihrem Kopf­put, was Clemens von Alexandrien   Anlaß zu scharfem Tadel gab. Er verbot das Tragen fremder Haare schlechtweg, da es gottlos sei, und ruft u. a. aus: ,, Wem legt der Priester seguend die Hände auf? Nicht dem schönen, geschmückten Weibe, sondern den fremden Haaren und durch sie einem anderen Haupte" Im dritten Jahrhundert

n. Chr. eiferte Tertullian   in seinem Buche von den Gewohnheiten der Frauen besonders gegen die Perrücken, durch welche die Frauen wider die Gottesworte verstießen, daß niemand seiner Länge etwas zusetzen könne." Cyprian   droht den Frauen, Gott   werde sie am jüngsten Tage nicht erkennen wollen, weil sie ihm nicht als sein Werk und Ebenbild Auf einer im Jahre 692 zu Konstantinopel   ab­erscheinen würden. gehaltenen Synode wurden sogar besondere Verordnungen gegen diese Art von Kopfpuz festgesetzt. Ob all' dieser Widerspruch und Gegen­M. V. eifer viel gefruchtet? Unsere Schönen mögen's sagen.

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Böse Männer wieder gut zu machen, besigen die Chine­sinnen ein recht eigenthümliches Mittel, wie aus einem kürzlich erschie­nenen Werke der Frau Grey, Gattin des Predigers der englischen Kolonie zu Kanton( chinesisch: Kuangtscheufu) zu ersehen ist. Die Frauen, welche böse Männer haben, schneiden einen Papiermann aus, der ihren Gatten vorstellt und begeben sich dann nach einem bestimmten Tempel. Es gibt deren für die verschiedensten Zwecke. Im Tempel wird das Papier­männchen unter inbrünstigen Gebeten vor dem Altar aufgehängt. Mit­unter werden die aus Papier geschnittenen Männer mit den Beinen nach oben, mit dem Kopf nach unten gehängt. Damit will die arme Frau ihrem barmherzigen Gott andeuten, das Herz ihres Mannes befinde sich nicht auf dem rechten Fleck und die Hand des Gottes möge doch eine Schiebung vornehmen. Ob das Mittel wohl probat ist?

Literarische Umschan.

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Universalbibliothek der Gabelsberger'schen Stenographie. Das soeben im Verlage von Gustav Körner   in Leipzig   erschienene zweite Bändchen der Universalbibliothek enthält den Schluß von Lessing's  ,, Nathan der Weise  " in stenographische Schrift übertragen von Professor Dr. Zeibig. Wir sind in der angenehmen Lage, das Lob, welches wir dem Werke bereits bei Erscheinen des ersten Bändchens gezolt( s. Nr. 26 d. Bl.) in vollem Maße aufrecht zu erhalten: die Schreibweisen sind durchaus korrekt, die Lithographie vorzüglich, der Druck( mit Ausnahme des ersten Bogens) sehr sauber ausgeführt. Es kann die Universal­bibliothek( Preis pro Bändchen von 4-12 Bogen 1 Mark) also jedem Jünger Gabelsbergers auf's beste empfohlen werden.

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Inhalt. Idealisten, von Rudolf Lavant  ( Fortsetzung). Ein Blick in die italienische Schweiz  . Zwanglose Skizze von Carl Stichler. Wohnungsheizung und Ventilation, von Rothberg- Lindener( Schluß). Dem Schicksal abgerungen, Novelle von Rudolph von B.. ( Fortsetzung). Eine Heirat mit Hindernissen. Beitrag zur Kulturgeschichte der jüngsten Vergangenheit.- King Lili's Glück und Ende( mit Illustration). Aus allen Winkeln der Zeitliteratur. Sprechsaal für jedermann: Zu Nuß   und Frommen aller Auswanderungsluftigen. Literarische Umschau.

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Verantwortlicher Redakteur: Bruno Geiser   in Leipzig  ( Südstraße 5). Expedition: Färberstraße 12. II. in Leipzig  . Druck und Verlag von W. Fink in Leipzig  .