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und künstlerischer Ausstattung herstellen— den Rahmen von kostbarem Sandelholz, statt Glimmer Silberblätter. Und während die gewöhn- lichen Tazia mit Beendigung der Feier ins Wasser— wie unser Bild zeigt, hier ins Meer— getragen werden oder auch auf Leichenhöfe, werden die werthvolleren Tazia ausbewahrt, um aufs neue im nächsten Jahre ihre Dienste zu thun._-z-
Der Zauber körperlicher Schönheit uud vor allem weibltcher Anmuth hat zuweilen schon außerordentliche Wirkungen geübt. Weniger bekannt dürste heutzutage folgendes sein. Französische Memoiren aus dem fünfzehnten Jahrhundert erzählen von einer gewissen Pauline von Vigniöre, einer„vollkommenen und tugendhaften Jungfrau", welche den Enthusiasmus ihren Zeitgenossen durch ihre entzückende Schönheit in so hohem Grade Hervorries, daß die Bürger ihrer Vater- stadt Toulouse einen Refehl der bürgerlichen Obrigkeit erwirkten, welcher sie zwang, wöchentlich wenigstens zweimal aus dem Balkon ihres Hauses sich sehen zu lassen, und so oft das geschah, war das Gedränge lebensgefährlich. Gleich bewundert wurde im letztvergangenen Jahr- hundert die Schönheit der beiden Gunnings, deren eine, Elisabeth, den Herzog von Hamilton und die andere, Maria, den Grafen von Coventry heirathete.„An jenem Freitage,"— schreibt der englische Schriftsteller Walpole(1716— 1797)—„als die Herzogin von Hamilton bei Hofe vorgestellt wurde, war der Zusammenlauf so groß, daß selbst die Adeligen in den Borzimmern aus Stühle und Tische stiegen, um sie zu sehen. Haufen versammeln sich vor ihrer Thür, wenn sie zur Kirche gehen will, und die Leute reißen sich frühzeitig um die Plätze, wenn es bekannt wird, daß sie ins Theater geht."...„Solche Massen"— sagt er anderswo—„drängen sich, die Herzogin von Hamilton zu sehen, daß in und bei einem Wirthshause in Iorkshire siebenhundert Leute die ganze Nacht aufblieben, nur um sie den nächsten Morgen in den Postwagen steigen zu sehen"..... Und wer gedenkt dabei nicht einer Frau von Fontenay, einer Madame Recamier— einer Königin Luise von Preußen, einer Agnes Bernauerin und einer Phi- lippine Welserin, um dieses wunderwirkenden Zaubers inne zu werden? M. B.
Die Pflege der Gesundheit durch Körperübung sollte jeder als seine erste Pflicht betrachten. Die Muhamcdaner sagen, Allah rechne die Tage, die man aus der Jagd verbringe, nicht vom Leben ab, sondern gebe dieselben, als im Interesse der Gesundheit verwendet, drein. Plato meinte, Körperübung könne beinahe ein schuldiges Ge- wissen heilen. Sydney Smith sagte:„du wirst nie in einer Rede stecken bleiben an einem Tage, wo du vier Stunden gegangen bist!" M. B.
Sprechsaal für jedermann.
Zu Nutz und Frommen aller Auswanderungslustigen (Schluß). Schnell entschlossen, verfüge ich mich in das Arbeitsbureau des Castle-Garden, nehme einen Platz auf einer der dort stehenden Bänke ein und Heise die ohnehin schon zahlreich vertretenen arbeit- suchenden Hungerleider noch vermehren, die nur dem Selbsterhaltungs- triebe folgend, ihre Arbeitskraft auf diesem weißen Sklavcnmarkte seil- bieten.— Hier muß gesagt werden, daß es mir nicht im entferntesten beikommt, dieses Institut zu schmähen. Der Gedanke, Einwanderern und überhaupt solchen, welche ohne Beschäftigung sind, diese hier zuzu- weisen, ist edel und hat schon manchen vom Verderben gerettet; daß aber— und vor allem gerade die deutschen Arbeitgeber hierbei aus die Unersahrenheit der Neulinge im Lande und auf das Elend armer Teufel spekuliren, habe ich zur genüge kennen gelernt. Fünf Dollars und Kost per Monat für unter Umständen harte Arbeit ist kein seltenes Angebot von Seiten solcher Herren. Dadurch wird dies Institut das, als was ich es bezeichnet. Wer nicht unbedingt nöthig hat, dieses Bureau in Anspruch zu nehmen, sollte es lieber nicht thun.— Die Gründer und Erhalter desselben trifft kein Vorwurf.— Meine Geduld sowohl als mein leerer Magen hatten eine harte Probe zu bestehen. Schuster, Schneider, Tischler u. s. w. wurden verlangt. Als Pferdeknecht, als Mann zum Melken der Kühe sc., zu welchen Geschäften ich mich in An- betracht meines geradezu fürchterlich werdenden Appetits zum östern angeboten hatte, wollte mich niemand haben. Der eine meinte, ich sei zu klein und zu schwach, der andere verlangte mehrjährige Praxis in Pserdedressur. Was hätt' ich hier nicht alles für ein Butterbrot ge- leistet. Hunger ist entschieden etwas sehr Fatales! Endlich schlug die Stunde der Erlösung.—„Leute für leichte Arbeit aus einer Farm!" Noch nie klang mir etwas so lieblich, wie diese paar Worte.— Ich
hätte den Mann umarmen mögen. Schnell sprang ich mit vor, voller Angst, daß man mich abermals zurückweisen könnte. 15 Mann, darunter auch meine Wenigkeit, wurden engagirt. Lohn 8 Dollars und Kost per Monat. Um Zwei sollte das Fährboot nach Staaten-Island, einer 20 Meilen von Newyork gelegenen Insel, mit uns abgehen, um in unserem neuen Wirkungskreise als Arbeiter in einer Farmfactory bei Zubereitung von Tannattons beschäftigt zu werden. Niemand war glücklicher als ich. Jetzt gab'S hoffentlich bald was zu essen und, was auch nicht zu verachten, es kam wieder Geld in meine Tasche. Punkt 2 Uhr segelten wir ab. Der eine meiner neuen Kollegen hatte, wahr- scheinlich in Anbetracht meines noch ziemlich respektabel aussehenden Ueberknöpfers, eine innige Zuneigung zu mir gefaßt und unterhielt mich während der kurzen Wassersahrt durch einen ernsten, in salbungs- vollem Tone gehaltenen Vortrag über seinen bis jetzt in Amerika er- folglos geführten Kampf ums Dasein. Der Mann war nicht ohne Bildung, er hatte seine Erziehung in einer Pfaffenanstalt zu Innsbruck erhalten und in den drei Jahren, die er in Amerika verlebt, schon elendes Pech gehabt. Die paar Tage meines Herumlungerns in New- York hatten mich mit so viel fraglichen Existenzen zusammengeführt, ich hatte schon so viel Jammererzählungen mit angehört, daß mir das Wehklagen meines fromm erzogenen Freundes nichts neues mehr war und daß es mir durchaus nicht wunderlich vorkam, einen derart gebildc- ten Menschen als zukünftigen Handarbeiterkollegen begrüßen zu dürfen. — Unser Fährboot war nach halbstündiger Wasserfahrt am Platze; wir 15 Arbeitslustigen wurden in den auf die Passagiere des Bootes schon harrenden Eisenbahnzug gepackt und unverzüglich 10 Meilen weiter nach unserer Farm befördert.— Hier hatte ich Gelegenheit, die so äußerst komfortabel und praktisch eiugerichteten amerikanischen Eisenbahnwagen kennen zu lernen. In diesen feinen Salonwagen sitzt Arm und Reich nebeneinander, der ganze Zug wird von einem einzigen Kondukteur bedient, der denselben aus einem mitten durchgehenden Wege vom ersten bis zum letzten Wagen begehen kann. Praktisch, äußerst praktisch ist der Amerikaner, das muß man ihm lassen. Nach hierauf folgender kurzen Fußtour die Eisenbahnschienen entlang, betraten wir sehr bald den Schauplatz unserer neuen Thätigkeit, welcher, nebenbei bemerkt, mit allem, was drum und dran hing, einen niederdrückenden Eindruck auf mich hervorbrachte. Etwas Wilderes und Lüderlicheres war mir noch nimmer vorgekommen. Der mit dem Aufwasch des für die 150 deut- schen Arbeiter bestimmten Eßgeschirrs beschäftigte Koch und Kellner— ein einstmaliger ungarischer Husarenlieutenant— setzte uns trocken Brot und eine große Flasche voller Syrup vor, mit der Bemerkung, daß dies der Ueberrest des Diners sei. Nachdem jeder von uns seinen wolfsähnlichen Appetit gestillt, wurden wir mit unseren zukünftigen Schlassälen bekannt gemacht.— Das war nun freilich die Quintessenz des Elendesten, was es nur gab. Längs der Dielen war Stroh aus- gebreitet und je zwei Mann benutzten eine sehr, sehr verdächtig aus- sehende wollene Decke zum Schutz gegen die kalte Nachtluft, die in diesen Bretterbuden ziemlich empfindlich wehte.— In diesem Jammerthale habe ich 14 schwere Tage verlebt. Hätte ich das nöthige Geld gehabt, so wäre meines Bleibens hier nicht einen ganzen Tag gewesen. Cha- rakterstudien konnte man in ausgiebigster Weise machen, die Hefe des deutschen Vagabundcnthums hatte hier sowohl als im tiefsten Elend steckende, mit großen Hoffnungen herübergekommene und stets bitter enttäuschte deutsche Handwerker Vertretung gefunden. Deutschen Freun- den, welche weit entfernt, eine bessere Stellung einnahmen und mit denen ich mich von hier aus brieflich in Verbindung setzte, haben meine Erlösung aus diesem miserablen Dasein bewirkt. Ihnen ver- danke ich, daß mein Leben und Wirken jetzt wieder zu einem freudigen gestaltet ist. Ohne dieselben wäre ich vielleicht gerade so versumpft, wie es die Mehrzahl der aus jener Factorei beschäftigten Deutschen war. Meine Landsleute, die es im Vaterlande durchaus nicht mehr aushalten zu können glauben, mögen sich durch Borstehendes nicht abhalten lassen, hierher zu kommen. Aber eine Warnung vor Unvorsichtigkeiten und Uebereilung will ich hiermit gegeben haben. Intelligente tüchtige Leute haben sich hier massenhaft unter Verhältnissen herumgetrieben, von denen sie sich in ihrem Heiniatlande nicht träumen ließen, und später doch noch Glück gehabt. Energie und Ausdauer und das— Beste, deutsche mit den hiesigen Verhältnissen vertraute Freunde, sind Grundbedingungen, um in Amerika festen Fuß fassen und alsdann ein meist bei weitem besseres Dasein als in der alten Heimat zu führen. Auf das Mitleid Fremder und die Wohlthätigkeit der amerikanischen , sowie der länger hier ansässigen deutschen Bevölkerung rechnen, hieße sich stark irren. ..Holp your seif!" ist amerikanischer Grundsatz. Ueber hiesige Verhält- nisse, Politik, Arbeiterbewegung und wirthschastliche Verhältnisse werde ich zum Nutzen deutscher Äuswanderungslustiger bald mehr berichten. Philadelphia , Frühjahr 1880. A. Sch.
Inhalt. Idealisten, von Rudolf Lavant (Fortsetzung).— Ein Blick in die italienische Schweiz . Zwanglose Skizze von Carl Stichler (Schluß).— An der Wiege des Christenthums. Kulturhistorische Skizze von C. Lübeck.— Dem Schicksal abgerungen, Novelle von Rudolph v. B......(Fortsetzung).— Eine Heirat mit Hindernissen. Beitrag zur Kulturgeschichte der jüngsten Vergangenheit(Schluß).— Das Jagdlager Orvielle bei Balsavaranche(mit Jllustr.).— Muharram, das Neujahrsfest der Muhamedaner(mit Jllustr.).— Zauber körperlicher Schönheit.— Pflege der Gesundheit durch Körperübung.— Sprechsaal für jedermann: Zu Nutz und Frommen aller An''"-
Äuswanderungslustigen(Schluß).
Beranlwortlicher Redakteur: Bruno Geiser in Leipzig (Südstraßc 5).— Expedition: Färberstraße 12. II. in Leipzig . Druck und Verlag von W. Fink in Leipzig .
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