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fahren, mit rapider Geschwindigkeit fortgefrieben werden, oder besser gefagt, Schwingungen ausführen, deren Hauptrichtung in der Are des Pols liegt, von dem die Bewegung auszugehen scheint; das ist derjenige, welcher blaues Licht ausstrahlt.( Der zweite sendet blos rothes Licht aus. Die Pole bestehen aus Platin- oder Aluminiumdrähten, welche in die Gefäßwände eingeschmolzen sind; übrigens läßt sich ganz nach Belieben des Experimentirenden bald der eine, bald der andere zum blauen oder rothen Pol machen.) Die Farbe, in denen die Glaswandungen phosphoresziren, hängt von der Zusammensetzung des Glases ab; z. B. phosphoreszirt das englische Glas gewöhnlich bläulich, das deutsche blaßgrün. Der Ausdruck ,, Bombardement der Moleküle" ist von Crookes sehr glücklich gewählt, um die durch ihren Stoß ausgeübte Wirkung als mechanische anschaulich zu bezeichnen. Wenn schon niemand angesichts der durch abgeschossene Kugeln ausgeübten Bertrümmerungen sich der Wendung bedienen würde: diese Kugeln bringen ,, eine krafterzeugende Wirkung hervor", so ist eine solche erst recht und mit Bedacht durchaus zu vermeiden, wenn es sich bei einem physikalischen Experiment um furze Erläuterung der zu Grunde liegenden Prinzipien handelt! Mit dem Ausdruck ,, Kraft" für die Ursache einer Wirkung, die man sich nicht zu erklären vermochte, ist nur allzulange schon Mißbrauch getrieben, und mit jenem Wort über die mangelnden Begriffe hinweggetäuscht worden. Wir können uns gegen alle für neu ausgegebnen Kräfte und nun gar gegen ganz unbestimmt ,, krafterzeugende Wirkung" nur durch aus ablehnend verhalten. Eine solche ist auch hier gar nicht vonnöthen. Die geradaus bewegten Moleküle übertragen ihre Bewegungsgröße( oder Energie, wie andre Physiker sagen), die von ihrer Masse und Geschwindigkeit abhängt, einfach durch Anstoß auf andre, die ihnen in den Weg kommen, seien das gleichartige Gasmoleküle, oder die eines um eine Are drehbaren Mühlchens. Crookes drückt das ganz kurz und scharf so aus: strahlende Materie übt eine kräftige mechanische Wirkung aus." Hier ist also von einer unbestimmten Wirkung, die erst eine geheimnißvolle Kraft erzeugen soll, zu dem einzigen Zweck, das Mühlrädchen zu drehen, keine Rede.
Crookes trieb durch diese Molekülstöße, mechanisch, ein auf zwei glatten Glasschirmchen mit seiner Are bewegliches Rädchen von einem Ende eines zylindrischen Glasgefässes zum andern. Ich brachte ein Rädchen, aus 4 Armen von Aluminiumblech mit quadratischen Glimmer plättchen an deren Enden, die aber hier nicht geschwärzt sind, bestehend, auf senkrechter Are in Rotation. Aber von Papier dürfen die Plättchen, welche an den Metallarmen ſizen, beileibe nicht sein, denn die strahlende Materie übt auch eine chemische Wirkung aus. Crookes schmolz in ihrem fonzentrirten Strahl ein Platiniridiumblech( also auch unsre schwerstschmelzbaren Metalle!); ebenso schmolz er auch die Gefäßwände durch, indem er den Strahl aus der geraden Richtung von einem Pol zum andern durch einen Elektromagneten gegen die Wandung ablenkte. Also ein Papiermühlchen würde zwar nicht zum Verbrennen gebracht werden, da ja nicht genügend Sauerstoff vorhanden ist, aber verkohlt und zerstört. Jedenfalls werden die Erscheinungen der Radiometer sowohl obgleich eine große Zahl von Physikern während sechs Jahren mit wenig Erfolg, weil von Voreingenommenheiten ausgehend, an ihnen herumexperimentirte-, als auch die damit verwandten der strahlenden Materie fortan steigende Beachtung in der Physik erlangen, und darum wohl auch gelegentlich wieder in der Neuen Welt" weitere Besprechung erfahren.
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Der Alpensteinbock.( Bild Seite 472.) Anknüpfend an die in der vorigen Nummer geschilderten Grafischen Alpen, das Revier des Königs Viktor Emanuel und den lezten Zufluchtsort des Alpensteinbocks, bringen wir als Ergänzung die Beschreibung dieses Einsiedlers der Alpenhochgefilde, den unsere Nachkommen nur in den Museen zu bewundern Gelegenheit haben werden. Bereits vor Jahrhunderten waren die Steinböcke sehr zusammengeschmolzen, und wenn im vorigen Jahr hundert nicht besondere Anstalten getroffen worden wären, sie zu hegen, gäbe es vielleicht keinen einzigen mehr. Ihr Gehörn und Blut, Herz knochen und Bocksteine", galten im Mittelalter als kräftige Heilmittel und wurden von den Apothekern theuer bezahlt, deshalb die wahn finnige Verfolgung des Steinwildes. Nach den Berichten römischer Schriftsteller, bewohnten die Steinböcke in früheren Zeiten alle Hochalpen der Schweiz , und zwar diejenige Region, in welcher alle andern Säugethiere verkümmern würden; in vorgeschichtlichen Zeiten haben sie sich auch auf den Voralpen aufgehalten, wie ihre fossilen Reste darthun. Das prunkliebende Volk der Römer hat zuerst zu ihrer Vertilgung beigetragen. In der Kaiserzeit führte man nicht selten ein- bis zweihundert lebendig gefangene Steinböcke zu den Kampfspielen nach Rom . Im Kanton Glarus wurde 1550 das legte Stück geschossen, in Graubünden konnte der Vogt von Kastel dem Erzherzog von Desterreich im Jahre 1574 nur mit Mühe noch Böcke schaffen. In den Bergen des Oberengadin verbot man im Jahre 1612 ihre Jagd bei fünfzig Kronen Geldbuße. Ende des vorigen Jahrhunderts traf man sie noch in den Gebirgen, welche das Bagnethal umgeben, zu Anfang dieses Jahrhunderts noch in Wallis ; seitdem hat man sie auf dem Gebiete der Schweiz ausgerottet. Daß Viktor Emanuel unter den letzten ihres Stammes in den Grajischen Alpen arge Verwüstungen angerichtet, haben wir bereits in der vorigen Nummer gemeldet. Auch das Prachtexemplar, welches photographirt und auf Holz übertragen wurde( siehe Bild S. 472), ist in der Paradis- Kette von Viktor Emanuel erlegt und der Sektion Florenz
des Italienischen Alpenklubs geschenkt worden. Die Abbildung weicht wesentlich von denen ab, welche Tschudi im ,, Thierleben der Alpenwelt" und Brehm im ,, Thierleben" geliefert, hat aber jedenfalls die Berechtigung der Aechtheit, weil sie nach der Natur aufgenommen wurde. Wilczek, dessen Angaben wir bei der Beschreibung des Steinwildes folgen, glaubt die Anzahl der gegenwärtig vorhandenen Steinböcke im Bereich der Grajischen Alpen auf drei- bis fünfhundert Stück annehmen zu können. Der Steinbock ist ein stattliches Geschöpf von 1,5 bis 1,6 Meter Leibeslänge, 80 bis 85 Centimeter Höhe und 75 bis 100 Kilogramm Gewicht. Das Thier macht den Eindruck der Kraft und Ausdauer. Der Leib ist gedrungen, der Hals mittellang, der Kopf verhältnißmäßig klein, aber start an der Stirn gewölbt; die Beine sind kräftig und mittelhoch; das Gehörn, welches beide Geschlechter tragen, erlangt bei dem alten Bocke sehr bedeutende Größe und Stärke und krümmt sich einfach bogenoder Halbmondförmig schief nach rückwärts. An der Wurzel, wo die Hörner am dicksten sind, stehen sie einander sehr nahe; von hier entfernen sie sich, allmälich bis zur Spitze sich verdünnend. Ihr Durchschnitt bildet ein längliches, hinten nur wenig eingezogenes Viereck, welches gegen die Spize hin flacher wird. Die Wachsthumsringe treten besonders auf der Vorderfläche in starken, erhabenen, wulstartigen Knoten oder Höckern hervor, verlaufen auch auf den Seitenflächen des Hornes, erheben sich hier, jedoch nicht soweit als vorn. Gegen die Wurzel und die Spiße zu nehmen sie allmälich an Höhe ab; in der Mitte des Hornes sind sie am stärksten, und hier stehen sie auch am engsten zusammen. Die Hörner können eine Länge von 80 Centimeter bis 1 Meter und ein Gewicht von 10 bis 15 Kilogramm erreichen. Das Gehörn des Weibchens ähnelt mehr dem einer weiblichen Hausziege als dem des männlichen Steinbocks. Die Behaarung ist bei beiden Geschlechtern rauh und dicht, verschieden nach der Jahreszeit, im Winter länger, gröber, krauser und matter, im Sommer fürzer, feiner, glänzender, während der rauhen Jahreszeit durchmengt mit einer dichten Grundwolle, welche mit zunehmender Wärme ausfällt, und auf der Oberseite des Leibes pelziger d. h. kürzer und dichter als unten. Außer am Hinterhalse und Nacken, wo die Haare mähnenartig sich erheben, verlängern sie sich bei dem alten Männchen auch am Hinterkopfe, indem sie hier zugleich sich kräuseln und einen Wirbel herstellen, und ebenso am Unterkiefer, bilden hier jedoch höchstens ein kurzes Stußbärtchen von nicht mehr als 5 Centimeter Länge, welches jüngeren Böcken, wie den Steinziegen gänzlich fehlt. Die Färbung ist nach Alter und Jahreszeit etwas verschieden. Im Sommer herrscht die röthlich- graue, im Winter die gelblich- graue oder fahle Färbung vor. Der Rücken ist weit dunkler als die Unterseite; ein schwach abgesezter hellbrauner Streifen verläuft längs seiner Mitte. Stirn, Scheitel, Nase, Rücken und Kehle sind dunkelbraun; am Kinn, vor den Augen, unter den Ohren und hinter den Nasenlöchern zeigt sich mehr rostfahle Färbung; das Ohr ist außen fahlbraun, inwendig weißlich. Ein dunkel- bis schwarzbrauner Längsseitenstreifen scheidet Ober- und Unterseite; außerdem sind Brust, Vorderhals und die Weichen dunkler als die übrigen Stellen und an den Beinen geht die allgemeine Färbung in Schwarzbraun über. Die Mitte des Unterkörpers und die Umgebung des Afters find weiß; der Schwanz ist oben braun, an der Spize schwarzbraun. Auf der Rückseite der Hinterläufer zeigt sich ein heller, weißlich- fahler Längsstreifen. Mit zunehmendem Alter wird die Färbung gleichmäßiger. Zweier besonderen Vorzüge des Steinbocks wollen wir noch schließlich erwähnen: des Auges, welches von wunderbarer Schönheit und Schärfe, und des Fußes, der von unermüdlicher Ausdauer ist. Kein anderer Wiederkäuer ist in so hohem Grade befähigt, die schroffsten Gebirge zu besteigen, wie der Steinbock in Folge dieser beiden Eigenschaften. Jede Bewegung des Steinwilds ist rasch, kräftig und dabei doch leicht. Der Steinbock läuft schnell und anhaltend, klettert mit bewunderungswürdiger Leichtigkeit und zieht mit unglaublicher, geradezu unverständlicher Sicherheit und Schnelligkeit an Felswänden hin, wo nur er Fuß fassen kann. Eine Unebenheit der Wand, welche das menschliche Auge selbst in der Nähe kaum wahrnimmt, genügt ihm, sicher auf ihr zu fußen; eine Felsspalte, ein kleines Loch, Seine Hufe setzt er werden ihm zu Stufen einer gangbaren Treppe. so fest und sicher auf, daß er auf dem kleinsten Raum sich erhalten kann. Wilczek bestätigt diese Angaben mit folgenden Daten: Der starke Steinbock ist das schönste Jagdthier, welches ich je gesehen. Er hat die würdevolle Kopfbewegung des Hirsches; das fast unverhältnißmäßig große Gehörn beschreibt bei der kleinsten Bewegung einen weiten Bogen. Seine Sprungkraft ist fabelhaft. Ich sah eine Gemse und einen Steinbock denselben Wechsel annehmen. Die Gemse mußte im Zickzack springen, wie ein Vogel, welcher hin- und herflattert; der Steinbock kam in gerader Linie herab, wie ein Stein, welcher fällt, alle Hindernisse spielend überwindend. An fast senkrechten Felsenwänden muß die Gemse flüchtig durchspringen; der Steinbock dagegen hat so gelentige Hufe, daß er, langsam weiterziehend viele Klaftern weit an solchen Stellen hinschreiten kann, ich sah ihn beim Haften an Felswänden seine Schalen so weit spreizen, daß der Fuß eine um das dreifache verbreitete Fläche bildete." Gefangene Steinböcke septen nicht minder in Erstaunen wie die freilebenden. In Bern , berichtet Scheinz, sah man einen jungen Steinbock mit allen vier Füßen auf der Spiße eines Pfahles, einen andern auf der scharfen Kante eines Thürflügels stehen und eine senkrechte Mauer hinaufsteigen, ohne andere Stüßpunkte als die Vorsprünge der Mauersteine, welche durch den abgefallenen Mörtel sichtbar waren, zu benußen. Wir können den Naturfreunden, welche das Aussterben dieses unübertrefflichen Alpenkletterers beklagen, die tröstliche Versicherung geben, daß