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Bauern sind wegen ihres engeren geistigen Horizontes be­fähigter zur Erlernung des militärischen Handwerks. Ihre ganze Gedankenwelt richtet sich auf dies Handwerk, während der wirk­lich denkende Mensch geneigt ist, stets Kritik zu üben, und so schnell erlahmt. Also, keine Illusion, mein verehrter Herr! Keine Einbildung! Und was Ihr Vorrecht mir gegenüber anbetrifft, einjährig dienen zu können, so wird Ihr Kamerad Morgenroth gewiß so freundlich sein, Ihnen diesen Punkt zu beleuchten." Der solcherart Abgefertigte zuckte seine Achseln, lächelte verächtlich und fragte mich: Sie werden Sich doch nicht wohl gar zum Vertheidiger eines dummen und arroganten Schlingels hergeben wollen?" ,, Nein," sagte ich ebenso fächelnd, dazu bin ich zu sehr von meiner Klugheit überzeugt; aber Sie irren, wenn Sie glauben, Ehrenberg wäre etwa dumm und arrogant. Ich denke, Sie könnten bei einem Rollenwechsel des Tausches wohl zufrieden sein. Aber das Privilegium! Da irren Sie nun noch mehr, lieber Kamerad! Wir wollen vom philanthropischen Standpunkte ganz absehen ein überwundener Standpunkt für unsre moderne

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Welt, wir wollen nur das Nächste nehmen! Sie berufen Sich auf Ihre Bildung und auf das Vorrecht, diesen erworbenen Kenntnissen beim Eintritt in den Militärdienst als Einjähriger Geltung zu verschaffen. Sie bedenken nicht, daß höhere Bildung und Reichthum Vortheile sind, wofür Sie eigentlich gehalten werden müßten, größere Pflichten zu übernehmen, als diejenigen, denen keines von beiden gegönnt ist. Und wer hat Ihnen den Vortheil höherer Bildung gewährt? Sie selbst? Ihre Eltern? Onein, der Staat, die Gesellschaft, die Gemeinde, in der Sie wohnen! Diese sind's, welche die Schulen erhalten, in denen Sie die höhere Bildung genossen, denen Sie diesen Vorzug ver­danken, während die große Anzahl der vom Schicksal weniger Begünstigten fürlieb nehmen muß mit einer einfachen Elementar­schule, die sie nur mit dem unentbehrlichsten Bildungsmaterial ausstattet." ,, Antreten!" erscholl bei diesen Worten der Befehl, und er kam zu guter Stunde. Die müssige Auseinander­segung hätte leicht noch eine tüchtige Reiberei geben können. ( Fortsetzung folgt.)

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An der Wiege des Christenthums.

Philo erzählt von den Therapeuten:

Kulturhistorische Skizze von C. Lübeck. ( Fortseßung statt Schluß.)

Sie achten sich aus Liebe zu dem unsterblichen und seligen Leben noch lebend am Ziele des irdischen Daseins, überlassen ihr Eigenthum Söhnen, Töchtern und sonstigen Anverwandten und fliehen von den ihrigen in die Einsamkeit, um nicht zurück­zukehren. Ihr Hauptsiz ist eine luftige, gesunde Anhöhe über dem See Maria( Mareotis, nicht Möris) bei Alexandrien , wo ihre einfachen Wohnungen, nur zum Schuß gegen Sonnenhige und Kälte berechnet, in großen Zwischenräumen voneinander stehen, um sich nicht gegenseitig zu stören. Speise und Trank berührt keiner vor Sonnenuntergang, weil sie meinen, daß nur die Philosophie würdig sei, ans Licht gestellt zu werden, die körperlichen Bedürfnisse aber Finsterniß bergen solle; daher wid­men sie jener die Tageszeit, letzterer einen kleinen Theil der Nacht. Einige fasten drei, andere sechs Tage lang, da die innerlich ihnen zufließende Weisheit sie sättigt. Ueberhaupt aber essen sie nur, um nicht zu hungern und trinken, um nicht zu dursten; aber den Ueberfluß vermeiden sie als den hinterlistigsten Feind der Seele wie des Leibes. Ihre Speise ist Brot und Salz, ihr Ttank Quellwasser. Ihre Kleidung besteht im Winter aus Thierfellen, im Sommer aus einem Gewande ohne Aermel von Leinwand. Alle Männer und Frauen leben ehelos, sobald sie sich der Gesellschaft gewidmet haben; viele waren vorher nicht verheiratet( wie denn auch viele ältere Jungfrauen von Philo genannt werden), aus Verachtung körperlicher Freuden und wegen eifrigen Strebens nach Weisheit. An jedem Hause ist ein hei­liger Ort, an diesem üben sie vollkommen abgeschieden die Myste­rien ihres heiligen Lebens. Zu ihnen bringt man weder Speise noch Trank, wohl aber die Geseze und heilige Orakel und Lieder und was immer Weisheit und Frömmigkeit fördert oder zur Vollendung bringt. Niemals lassen sie Gott aus ihrem Gedächt nisse, so daß ihnen selbst im Traume keine andern Bilder vor­schweben, als die Herrlichkeit der göttlichen Vollkommenheiten und Kräfte. Viele sprechen auch im Schlafe die erhabenen Lehren der heiligen Philosophie aus. Zweimal an jedem Tage pflegen sie zu beten, in der Morgendämmerung und gegen Abend. Der ganze Zwischenraum vom Morgen bis zum Abend ist der Ascese gewidmet. Sie lesen in den heiligen Schriften, denken über die väterliche Weisheit, und zwar unter Anwendung der allegorischen Erklärungsweise, nach, weil sie die wörtliche Rede für dunkle Zeichen halten, die sich in einem tieferen Sinne enthüllen. Auch besitzen sie Schriften alter Weisen, welche die Urheber der Ver­einigung gewesen waren und viele Denkmale allegorischer Erklä­rungen hinterlassen haben. Dieser bedienen sie sich gleichsam als Musterbilder und ahmen denn auch die Weise jener Früheren nach, so daß sie nicht nur anschauen, sondern auch Lieder und Hymnen auf Gott verfertigen und zwar in allerlei Silbenmaßen und Melodien. Sechs Tage leben sie allein, jeder für sich, in ihren sogenannten Monasterien und denken dem Heiligen nach, kommen nicht über ihre Schwellen, ja sehen nicht aus ihren

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Thüren heraus. An dem siebenten Tag kommen sie zusammen, sehen sich nach dem Alter mit Anstand nieder, die Hände nach innen gekehrt, die Rechte zwischen Brust und Kinn, die Linke an den Hüften herunterlassend. Dann tritt der älteste auf, der in den Lehrsägen am meisten erfahren ist, und spricht mit ruhigem Auge Worte, reife und verständige. Ruhig hören die übrigen alle zu und geben ihren Beifall blos mit einem Winke der Augen oder des Kopfes zu verstehen. Das gemeinsame Heiligthum, an welchem sie am siebenten Tage zusammenkommen, hat zwei Ab­theilungen, die eine für die Männer, die andere für die Weiber. Denn auch die Weiber hören, der Sitte gemäß, zu und beweisen denselben Eifer für diese Grundsätze. Außer dieser wöchentlichen Sabbathfeier ist aber noch die Feier je des fünfzigsten Tages merkwürdig. Je nach sieben Wochen oder siebenmal sieben Tagen versammeln sie sich zu einem heiligen Mahle in weißen Gewän­dern im heiteren Geiste und größter Feierlichkeit. Stehend er­heben sie Augen und Hände gen Himmel, jene, weil sie gelehrt sind, dasjenige zu betrachten, was des Anblicks werth ist, diese, weil sie rein von Uebervortheilungen und beten dann zu Gott, es möge ihm dieses Mahl wohlgefällig und nach dem Herzen sein. Nach dem Gebete legen sich die älteren nieder in einer Reihenfolge, bei welcher sie die Zeit des Eintritts in die Ge­nossenschaft berücksichtigen; denn für alt achten sie nicht die Be­jahrten und Greise; diese achten sie vielmehr als kleine Kinder, wenn sie die Verbindung erst später lieb gewonnen haben, sondern die, welche von zarten Jahren an kräftig und männlich geworden sind und reif an Erkenntniß des Geistigen, der Vollkommenheit des göttlichen Wesens. Der Speiseplaß ist getheilt, rechts liegen die Männer besonders, links die Frauen. Das Lager besteht aus Schilfrohr. Bedient werden sie nicht von Sklaven; denn sie glauben überhaupt, daß der Erwerb von Sklaven oder Dienern wider die Natur sei. Vielmehr verrichten Freie den Dienst, und dies nicht, weil sie müßten oder auf Befehl, sondern sie erfüllen aus freiem Entschluß mit Eifer und gutem Willen schnell, was ihnen zugerufen wird. Denn es werden nicht die ersten besten Freien zu diesen Dienstleistungen genommen, sondern die jüngeren der Gesellschaft, nachdem mit aller Sorgfalt eine Wahl getroffen worden ist, wie es sich für diejenigen geziemt, die edel und fein gebildet sind und auf den Gipfel der Tugend hinan zu klimmen sich bemühen. Wein wird auch an diesen Tagen nicht aufgetragen, sondern klares Wasser, für die meisten kalt, für die Schwächeren unter den Alten lau. Ihr Tisch ist rein und von Blut unbefleckt. Brot ist ihre Speise, ihr Zugemüse Salz. Wenn sich nun die Theilnehmer an dem Mahle nieder­gelegt haben und die Diener bereit stehen zur Aufwartung, herrscht noch größere Stille als zuvor. Dann fragt einer etwas über die heiligen Schriften, oder gibt Aufschluß, wenn ihm etwas zur Beantwortung vorgelegt wird. Die übrigen richten sich nach dem Redner hin, ohne daß sie ihre Stellung verändern. Ihren Beifall geben sie durch Heiterkeit und eine kleine Wendung des

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