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Der Kreis öffnet sich darauf, das Kind tritt in die Mitte des-| dem Kinderleben einen glücklichen Beweis, das nicht nur ein selben, wählt sich aus der Zahl der anderen eins als das ver Tanzspiel, sondern in ebenso hohem Grade ein Tanzliedchen lorene Liebchen, und während es vorher ernst und traurig aus- genannt werden muß, und nicht sowohl getanzt als gesungen gesehen und demgemäß langsam und gedrückt einhergeschritten ist, wird. tanzt es jetzt mit dem glücklich gefundenen Schatz in der Mitte des Kreises fröhlich jubelnd herum:

Freude, Freude über Freude, Hab' gefunden meinen Schazz!

Auch hier im kindlichen Spiele ist also der Tanz wiederum nur der natürliche Ausdruck herzlichster Freude und innigsten Glückes im Gegensaße zu den langsamen und gemessenen Be­wegungen, welche der ernſten Stimmung, der Trauer oder dem Schmerze entsprechen. Trauer und Schmerz haben mithin den Tanz nicht geschaffen, wenn es auch Völker und Zeiten gegeben hat, welche auch diese und andere Stimmungen der Seele, z. B. die Frömmigkeit in ihren Tänzen zum Ausdruck brachten. Die Bedeutung unseres Beispiels ist jedoch hiermit keineswegs erschöpft. Es wurde oben schon angedeutet, daß der gesellige Tanz, der Reigen, nicht nur getanzt, sondern auch gesungen worden sei. Denn selten entbehrt der frohe und glückliche Mensch des Gesanges. Sein Glück, seine Freude mitzutheilen, sie ausströmen zu lassen in der Kraft seiner Stimme zu melodischem Wohllaut, d. h. im Gesange, ist ihm Bedürfniß und höchste Freude zugleich. So ist es noch heute, und sicherlich war es zu allen Zeiten so. Jene ersten Tänzer waren aber glückliche und frohe Menschen. Was war also natürlicher, als daß sie sangen, während sie tanzten, da beides nur der Ausfluß ein und derselben frohen Empfindung war? und daß sie um so lieber zu ihren Tänzen sangen, als sie noch von keinem Orchester dazu ermuntert wurden und über­haupt wohl noch keine andere Musik kannten, als die ihrer eigenen Brust entströmende. Und auch hierfür liefert unser Beispiel aus

Allein noch nach einer dritten Seite hin läßt sich das Wesen des alten Reigentanzes an unserm Beispiel erkennen und nach­weisen. Es ist die dramatische Seite desselben, daß nicht nur getanzt und gesungen, sondern mit Vorliebe irgend eine kleine dramatische Handlung damit verflochten wurde, welche sich unter den Tanzenden abspielte. Das unmittelbare Leben mußte dazu die Stoffe hergeben, um irgend ein kleines Drama, welches die Phantasie und das Gemüth in unschuldiger Weise beschäftigten, in Szene zu setzen. In unserm Kinderliedchen ist es z. B. das Liebesleben der Erwachsenen, welches mit seiner Lust und seinem Leide, seinem Sehnen und Suchen, seinem Treunungsschmerz und endlicher seliger Wiedervereinigung in findlicher Weise hier nach­geahmt und gleichsam verkindlicht worden ist. Der Gartenplay, von dem dabei die Rede ist( althochdeutsch Gard, Garde, unser heutiges Garten), bedeutet in der alten Sprache einen abgegrenzten, umfriedigten und durch die Sitte besonders geheiligten Raum eine Bedeutung, welche selbst unserm heutigen Garten noch bis zu einem gewissen Grade geblieben ist. Aller Streit und alle Fehde mußte hier aufhören, und mithin auch der innere Kampf, der Streit in uns, der Schmerz um das verlorene Glück. Das suchende und trauernde Kind findet innerhalb dieses geheiligten Kreises seinen verlorenen Schah" wieder, und jubelnd und glücklich tanzt es mit dem Wiedergefundenen herum, jubelnd um­tanzt von den anderen. In diesem Lichte gesehen, erhält die kleine, kindische Handlung sogar symbolische Bedeutung, und so bestätigt auch dieses einfache Beispiel wieder in herrlichster Weise die Wahrheit des schönen schiller'schen Wortes: Es liegt oft hoher Sinn im findischen Spiel."

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Dem Schicksal abgerungen.

Novelle von Rudolph von B...... ( Fortsetzung.)

Am Perleviadukt hatte denn auch richtig des Morgens gegen vier Uhr schon die große Schlacht zwischen den hochberger Berg­leuten und den Italienern stattgefunden eine Schlacht wenig stens nach der Zahl der auf beiden Seiten aktiv oder passiv am Kampfe Betheiligten. Gut und gern waren es zweitausend Hochberger gewesen, die meistens mit Knütteln und Messern be­waffnet, den von Seiten der Angegriffenen ganz unverhofften Ueberfall ausgeführt hatten, und da auch ungefähr zweitausend Italiener am Perleviadukt in hölzernen Schuppen und Stroh hütten ihr Nachtlager aufgeschlagen, hatte in der That die ge­waltige Zahl von viertausend Menschen an dem Zusammenstoß theil. Die blutigen Folgen standen indeß glücklicherweise zu der Zahl der Kämpfer nur in sehr bescheidenem Verhältnisse, nur zwanzig oder dreißig Italiener waren auf dem Plaze liegen geblieben, und von diesen zeigte sich zwar mancher nicht grade leicht, doch aber keiner zu Tode verwundet. Dieser überraschend günstige Ausgang des zu so bedrohlichen Dimensionen an­gewachsenen Konfliktes war dem Schrecken zu danken, der die noch in den Banden des Morgenschlummers befangenen Italiener erfaßt hatte, als die Hochberger mit wildem Spektakel knüttel­schwingend über sie hergefallen waren. Von allen Seiten sahen die fremden Arbeiter, die sich des Hasses, den die armen Leute rings im Lande wider sie im Herzen trugen, wohl bewußt waren' und, nachdem die erste Wuth verraucht war, ohnehin den Rache­versuchen der am Tage vorher Gemißhandelten nicht grade fröh­lichen Muthes entgegenschauten, ihre Feinde von den Berg abhängen auf die kreuz und quer verstreuten Hütten und Ver­schläge tampfbereit zustürmen. In ihrem Schrecken erschien den In ihrem Schrecken erschien den Angegriffenen die Zahl der Widersacher drei-, viermal größer noch, als sie wirklich war; daher kamen sie zunächst zu feinem andern Gedanken, als sich so rasch und mit so heiler Haut als möglich zu salviren. Wie die aufgescheuchten Spazen waren sie drum nach allen Richtungen der Windrose davongestoben und hatten fast ohne Gegenwehr die Hiebe entgegengenommen, welche ihnen beim Durchbrechen der nichts weniger als festgeschlossenen Reihen der Hochberger freilich reichlich genug zugemessen worden

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waren. So kam es, daß diese letzteren garnicht dazu gekommen waren, von ihren Messern Gebrauch zu machen, und schon etwa nach zwanzig Minuten unangefochtene Herren des Plates waren. Mit der Vertreibung der italienischen Arbeiter glaubten jedoch die hochberger Bergleute ihre Arbeit noch lange nicht gethan; fast noch mehr als die Italiener haßten sie ja die Eisenbahn­gesellschaft, daher galt es nun, dieser zu Leibe zu gehen. Zu vielseitigem Bedauern waren die Herren" von der Eisenbahn persönlich nicht zu erwischen, deshalb blieb diesen die Tracht Prügel, welche ihnen die Bergleute so gern hätten zukommen lassen, erspart, dafür konnten sich aber die riesigen Holzgerüste, welche man zur Herstellung der Viaduktpfeiler bereits erbaut hatte, und die stundenlangen Schwellenlagen, auf denen provisorisch kleine Eisenbahnen zum Transport des Baumaterials hergerichtet waren, auch nicht aus dem Staube machen, wie die Italiener, und so ging es denn ihnen an den Kragen, nachdem diese in die Flucht getrieben waren.

Fast am eifrigsten beschäftigt mit dem Zerstörungswerk, das nun begonnen, finden wir eine Gruppe Menschen, von denen uns die meisten wohlbekannt sind. Der eine darunter, ein baumlanger Mensch mit einem großen Pflaster auf dem Gesicht, flucht eben wie ein Landsknecht über die saure Mühe, die ihm seine Arbeit mache.

" Da soll doch wirklich der Teufel dreinschlagen," schrie er. " Grade heute muß der da oben große Wäsche halten und uns das Wasser stromiveise auf die Schädel gießen. Ha, wie würde das lustig flackern, wenn's trocknes Wetter wär'. Verdammt noch ' mal, daß man sich so plagen muß und schließlich die ganze Geschichte nicht' mal ordentlich klein kriegt."

" Na, wenn Ihr das Holz auch nicht verbrennen oder zu­Scheiten zerhacen fönnt, so wär' doch vielleicht was andres da mit zu machen," sagte ein älterer Mann, der troß seines bäuer­lichen Anzuges doch eigentlich nicht in die Gesellschaft zu passen schien, in welcher er sich augenblicklich befand.

" Hört, ihr Leute," schrie der Lange wieder, der amerikanische Schulmeister hat einen Vorschlag zu machen. Wollen' mal sehen, was der uns auftischt, also nur' raus damit."