-

,, Vorsicht kann aber nichts schaden," meinte einer der Sprecher von vorhin, der beim Militär gewesen war und es bis zum Unter­offizier gebracht hatte. Ich schlage deshalb vor, daß wir mit allen Vorsichtsmaßregeln marschiren."

" Der Jobst hat recht," entschied Herr Hampel. Vorsicht ist die Mutter der Weisheit. Aber wie macht man das, mit Vorsichts­maßregeln marschiren?"

-

Na, Schulmeister, daß Sie das nicht wissen, in Amerika lauft man doch auch nicht so hinter den Rothhäuten her, wie die Hunde hinter den Hasen!" sagte der Lange etwas spöttisch.

" Was weiß ich, was ihr unter Vorsicht beim Marschiren ver­steht in eurem ungeschickten Deutschland . In Amerika ist das natürlich ganz anders, da hat man seine Spürhunde und noch ' ne ganze Masse andrer Geschichten, von denen ihr natürlich kein Jota versteht, und so kriegt man' raus, wo die Feinde stecken, versteht ihr?"

Nee, verstehen thun wir's nicht," erklärte Jobst, der Unter­offizier. Bis zu Spürhunden hat's die deutsche Armee noch nicht gebracht, und was für' ne ganze Masse andrer Geschichten Ihr meint, Herr Schulmeister, davon versteh' ich keine Bohne. ' S würd' uns hier oben wohl auch garnichts nüzen, wenn wir's auch verständen. Ich denk' drum, wir machen's auf deutsch und bilden' ne Spiße aus drei Mann und' nem Verbindungsmann, die marschiren voraus, und auf jeden Seitenweg schicken wir' ne Seitenpatrouille von zwei Mann und en paar hundert Schritt hinterm Gros marschiren auch zwei oder drei, damit sie uns, wenn wir weiterkommen, auch nicht etwa in den Rücken fallen können, verstanden, ihr Leute?"

Das hatten die Hochberger alle sofort begriffen, eine große Zahl war selbst unter den Soldaten gewesen und militärischem Wesen nicht abgeneigt. Es geschah daher sofort, wie Jobst ge­rathen, und der Zug setzte sich in Bewegung in die Berge hinauf, auf Langenwiese zu.

Aber wo ihr eure Eisenbahnarbeiten eigentlich wieder an­fangen wollt, darüber habt ihr doch noch immer keinen klaren Plan," sagte Herr Hampel, nachdem sich der Zug bereits in Be­wegung gesetzt hatte.

Kreidefelsen bei Stubbenkammer auf Rügen. ( Bild Seite 484-85.) Rügen , wohin uns das Bild der vorliegenden Nummer führt, ist die Perle der Ostsee , ein wunderbar schönes Eiland, dem sich nur einige Inseln des Mittelländischen Meeres zur Seite stellen lassen. Welcher Gegensatz zwischen den Inseln der Nordsee und diesem herr­lichen Stück Erde ! Dort meist öde Sandflächen, über welche die West­und Nordweststürme hintoben( siehe unsere Beschreibung von Wangeroog und Sylt) und keinen Baum, kaum einen niedrigen Strauch aufkommen lassen, hier fruchtbare Aecker und Buchenwaldungen, wie sie der deutsche Boden nicht schöner aufzuweisen hat. Rügen ist aber auch ein Punkt, welchen nicht nur die Natur, sondern auch die Sage und Geschichte auf das reichlichste ausgestattet hat. Seine Berge und seine Höwte bieten entzückende Fernsichten, in wunderbaren Gestalten und imposanten Formen ragen seine weißen Kreidefelsen aus dem Schaum der an ihnen brandenden Meereswogen empor, dunkle, dichte Wälder, die üppigsten Getreidefelder und weißschimmernde Städte und Dörfer bedecken seine Fluren, und die mächtigen Hünengräber, wie die gewaltigen Wälle untergegangener Besten und Schlösser erzählen von den Thaten längst verschwundener Jahrhunderte, gleich den Pyramiden und räthselhaften Sphingen Aegyptens . In seinen Felsschluchten am Meere hausen die Geister kühner Seeräuber und ihrer gemordeten Opfer und bewachen die Schäße von Perlen und Edelsteinen, welche in ihren Gründen be­graben liegen; aus den dunkeln Seen steigen in mondhellen Nächten wunderbar schöne Frauenbilder, das Haupt geschmückt mit der Eichen­frone der nordischen Priesterin, in der Hand die goldene Sichel, und schweben lautlos durch den flüsternden Hain zu den alten Opferaltären. Wenn der Himmel heiter ist und die Geister der Winde schlafen, sieht man unter dem durchsichtigen Spiegel der Seen die Mauern und Thürme der versunkenen Städte, und hört aus ihren Tiefen die Glocken tönen, wie zum Todtengeläut verschollener Herrlichkeit. Wenigstens er­zählen es die Dichter, diese Sonntagskinder mit den feinen Sinnes werkzeugen, aber die hohen Wälle der Burgen und der Vesten erzählen auch gewöhnlichen Menschenkindern von den blutigen Schlachten der Wenden, der Ureinwohner dieser Insel, als sie gegen die dänischen Unterdrücker für ihre Freiheit und Unabhängigkeit kämpften. Die Unterdrüder siegten, der Volksstamm der Wenden verschwand von der Insel, ihre Helden liegen unter den hohen Hünengräbern begraben, ihre Tempel wurden verbrannt und ihre Burgen zerstört. Skandina­vische und germanische Stämme, Sprachen und Sitten schritten über das Wendenthum schon in unvordenklicher Zeit hinweg, denn der römische Geschichtsschreiber Tacitus , der im ersten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung lebte und im 40. Kapitel seines Werkes ,, Ger­

491

|

-

" Na, das ist doch sehr einfach, Schulmeister. Von Langen­wiese schicken wir Kundschafter aus, die müssen aussagen, wo die Luft rein ist an der Bahnstrecke. Und mag's nu sein, wo's will, überall machen wir uns an die Arbeit und hacken an den Weg­übergängen, den vielen großen und kleinen Brücken u. s. w. alles, was nur zerhackt werden kann, in Kraut und Rüben zusammen. Da braucht's, dächt' ich, keinen Plan weiter nicht."

" Kommen wir da etwa auch in die Gegend von Klein- Feldau?" fragte der Schulmeister, dem Langen auffällig zublinzelnd.

"

Na ob, das kann schon sein," nickte der. Aber warum fragt Ihr mich danach? Ach richtig, ich hab' euch ja erzählt, daß ich mit den verfluchten Kerlen, dem hochnasigen Halunken von Guts­befizer und dem Zeitungsjungen aus der Stadt noch' ne Rechnung abzumachen hab'. Ihr wollt' mir wohl dabei helfen, Schulmeister?" Herr Hampel machte ein sehr verschmittes Gesicht.

" Ich hoffe," sagte er in salbungsvollem Tone, ich hoffe, langer Joseph, daß Ihr keine Dummheiten machen werdet; Euer Zorn ist freilich gerecht, Ihr seid scheußlich gemißhandelt worden, und dann sind die Kerls feig ausgerissen, nachdem sie Euch den Schädel fast eingeschlagen haben. Pfui Teufel, das war gemein von den Menschen. Und wenn Ihr den Kerls' mal ein bischen das Leder gerbt, so kann man's Euch von Gottes- und Rechts­wegen nicht verdenken, das steht fest. Aber der junge Mensch von der Zeitung hat Euch doch eigentlich nichts gethan, denk' ich, daß Ihr auf den so wüthend seid." Herr Hampel hatte die letzten Worte mit ganz besonders malitiöser Betonung gesprochen. Na, und grade hab' ich's auf den verdammten Laffen ge­münzt. Die verfluchten Kerle, die Zeitungsschreiber haben über­haupt das ganze Unglück in der Welt angericht. Und der hat den Gutsbesizer blos aufgehezt gegen uns, wenn der nicht da­gewesen wär', hätt' ich mein Lebtag nicht einen so mordsmäßigen Hieb gekriegt, daß ich gedacht hab', ich müßt' gleich auf der Stelle zugrund gehen. Na, warte Kanaille." ,, Langer, ich sagt's Euch schon nur nicht zu hizig. Jeden­falls müßt Ihr die Geschichte so einrichten, daß Euch's Gericht nicht auf den Hals kann." ( Fortseßung folgt.)

-

mania" die Menschenopfer des Herthakultus auf Rügen beschreibt, er­wähnt der Wenden nicht mehr. Zahllos sind die Kämpfe zu Wasser und zu Lande, welche hier der Familienzwist der dänischen Könige und die Kazbalgereien der neuen Religion mit der alleinseligmachenden Kirche verursachten. Nicht minder blutig war das Ringen der Insel­ritter um ihre Lehensrechte mit den deutschen Kaisern. Die Welt­geschichte ist im allgemeinen ein wüster Garten von geilem Unkraut überwuchert, sagt Hamlet . Aus diesem Unkraut ragen die Gestalten des Schwedenkönigs Gustav Adolph und seines Gegners Wallenstein . Die Schaaren des mustergültigen Gamaschenknopfes, den die Geschichte König Karl den Zwölften nennt, haben ebenso wie die Soldaten des Preußenkönigs Friedrich II. schmerzliche Spuren ihrer Anwesenheit auf Rügen hinterlassen. Auch der Wiederhersteller des römischen Welt­reiches, der Säbelkaiser Napoleon , ließ eine zeitlang die Tricolore Frankreichs von Rügens Kreidefelsen flattern. Selten befriedigt der Mensch unsere Erwartungen, während die göttliche Natur die reichste Phantasie übertrifft, drum wollen wir uns auch auf Rügen an sie halten. Das schöne Bild von Rügen mit seinen Fernsichten, mit seinen Seen, Bergen, Felsen und Wäldern, durchhaust von der Poesie der Sage, durchklungen von prächtigen Märchen, mit einer imposanten Vergangenheit, umgibt überall ein mächtiger, glänzender Rahmen, in dem sich die weißen Felsenhäupter und die schwankenden Baumkronen spiegeln, ein Rahmen, der funkelt und blißt und in der Sonne schim­mert, als wäre er von Edelstein und Gold: der mächtige Spiegel des Meeres. Und nun zur Erklärung des schönsten Punktes in diesem Rahmen, dem Kreidefelsen Stubbenkammer, den unser Bild veranschau­licht. Der Name Stubbenkammer, aus dem Wendischen stopien, Stufe, und kamien, Fels, entstanden, ist ein Beweis, daß die Sprachen ein zähes Leben haben. Trotz der Ausrottung der Slaven vor tausend Jahren macht sich ihr Spracheneinfluß hier. sowie auf dem Festlande in den beiden Mecklenburg und in Pommern bei den Städte, Fluß­und Bergnamen noch heute geltend. Auch die Bewohner weisen un­verkennbare Merkmale der slavisch- deutschen Kreuzung auf. Daß die 125 Meter hohe, unmittelbar aus dem Meer aufsteigende vielfach zer­klüftete Kreidewand, welche unser Bild darstellt, und Stubbenkammer genannt wird, nicht vereinzelt unter den landschaftlichen Reizen der Insel dasteht, wird wohl der Leser bereits aus dem Obengesagten ent­nommen haben, aber jedenfalls gehört diese nordöstliche Spiße der Halb­insel Jasmund zu den schönsten Vorgebirgen der Welt. Der höchste, vorspringende und umzäunte Gipfel derselben heißt der Königstuhl, weil dort der Sage nach von den Insulanern einst dem selbstgewählten König gehuldigt wurde. Eine andere Lesart behauptet, Karl der Zwölfte,