Aber das genügte Wendt nicht, sodaß der Maler endlich los polterte: ,, Ach was, lassen Sie mich in Frieden! Ich bin durchaus nicht von Ihrer Russin entzückt, ich kenne diese Sorte Weiber und weiß, was von ihnen zu erwarten ist. Aepfel vom Todten Meer außen lachend und rothwangig, innen Asche! Aber was würde mir's denn nüßen, wollte ich Sie psychologisch zer­gliedern, sie hat's euch einmal angethan, was ich ja ganz er flärlich und natürlich finde, und ihr werdet wieder und wieder zu ihr gehen, bis sie des Spielzeugs müde ist und euch bei Seite wirft; ihr müßt durch Schaden klug werden, und ihr seid viel zu tüchtige Kerle und viel zu klare Köpfe, als daß die Sache gefährlich werden könnte. Die Erfahrung wird nicht zu theuer bezahlt sein, thut also, was ihr nicht lassen könnt und vielleicht auch nicht lassen sollt!"

Das fand denn der gute Wendt außer dem Spaße. Daß jemand in diesem Tone von seinem Ideal sprechen könne, hatte er sich nicht träumen lassen und er glaubte sehr ironisch zu sein, indem er achselzuckend erwiderte:

,, Die alte Geschichte vom Fuchs und den angeblich sauren Trauben!"

,, Da Sie es sind und da Sie Sich bereits total in Ihre Sarmatin verliebt haben, soll Ihnen die Anzüglichkeit geschenkt sein; Sie können nicht wissen, wie komisch mir das erscheint. Das lassen Sie sich aber gesagt sein: an einer Frau, auf deren Salonbüchertisch die Rig- Vedas friedlich neben den Memoiren der abenteuernden Amerikanerin liegen, die einen russischen Groß­fürsten so weit brachte, die Diamanten seiner kaiserlichen Mama

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zu verseßen, kann nicht viel sein, d. h. in meinem Sinne, der ja auch der eure ist."

,, Aber bester Reinisch," wendete Born ein, ich bestreite ja nicht, daß dieses Mädchen vielleicht mißleitet ist, daß ungünstige Einflüsse auf sie eingewirkt haben mögen, daß die große Welt sie bis zu einem gewissen Grade korrumpirt hat, daß ihre Ent­wicklung keine harmonische ist, daß der Mehlthau ihrer Blasirt­heit auf ihre Seele gefallen ist; aber kann darum ihre Natur nicht von Hause aus edel angelegt sein, wäre es so ganz un­möglich, die eingeschläferten und betäubten idealen Instinkte in ihr zu wecken und den Baum von dem üppigen Schlinggewächs zu befreien, das ihn zu überwuchern droht?"

,, Bleiben Sie mir mit den, Rettungen' vom Leibe, Sie wissen nicht, wie viel echtes Unglück diese Illusion schon hervorgebracht hat. Natürlich, man kann die eigne Verliebtheit so hübsch vor sich selber entschuldigen, indem man sich einredet, man wolle nur eine irregehende schöne Seele retten und sie sich selber wieder­geben, und Sie wären ja kein Poet, wenn Sie Sich nicht in diese Idee verliebten. Sie wird Ihnen jedenfalls auch als Köder hingeworfen werden und Sie werden blind und gierig wie eine Forelle auf denselben anbeißen, aber Sie werden mir's wieder sagen, daß Sie ein rechtes Kind gewesen sind, als Sie Sich fangen ließen. Sie werden Wasser in ein Sieb schöpfen aber machen Sie den Kursus nur durch; für Sie dürfte derselbe besonders heilsam sein und wer weiß, ob Sie nicht schließlich aus dieser Erfahrung ein ganz hübsches Lustspiel machen, in dem auf Ihre schöne Russin allerlei ironische Lichter fallen." ( Fortsetzung folgt.)

Der Heros des Gründerthums*).

Von Dr. A.

Schon unter Ludwig XIV. waren alle Mittel erschöpft, welche eine unredliche und verzweifelte Finanzkunst ersinnen kann, um leere Staatstassen wenigstens momentan und soweit zu füllen, daß die öffentliche Maschine doch einigermaßen fortarbeiten kann: man hatte Schulden gemacht, solange noch irgend jemand borgte; man hatte durch Anweisungen auf die königlichen Kassen eine schwebende Schuld geschaffen, die als entwerthetes Papiergeld in alle Kanäle des Privatverkehrs sich eindrängte und hier stagnirte; man hatte überflüssige und schädliche Aemter geschaffen und gegen Kapitalien verkauft, deren Zinsen dann das Staatseinkommen darstellte; man hatte die Münzen verschlechtert und die Steuern zum voraus erhoben; man hatte unter anderm eine Handels­gesellschaft, die französisch- ostindische Kompagnie, gegründet, die in Wahrheit nichts war, als ein verstecktes Anlehen, indem die Regierung das eingezahlte Stammkapital einsteckte und dafür eine Verzinsung von acht Prozent versprach. Als der König am 1. September 1715 die Augen schloß, war folgendes sein Ver­mächtniß: Die öffentliche Schuld, was man jezt die konsolidirte Staatsschuld heißt, betrug 2400 millionen Livres, die schwebende in Schazanweisungen 711 millionen. Die Einnahmen für 1715 waren zu 155, die ordentlichen Ausgaben zu 147 Millionen be­rechnet, sodaß für die Verzinsung der Schuld und die Einlösung der Schabanweisungen kaum acht Millionen übrig blieben. In Wirklichkeit tamen aber von den Einnahmen weniger als die Hälfte in den Schaz, den Rest verschlangen die auf die ein­zelnen Kaffen gegebenen Anweisungen und die Renten. Ebenso war für 1716 und 1717 mehr als die Hälfte der Einnahmen durch Verpfändungen und Anweisungen verausgabt. Diese trost lose Erbschaft hatte der Regent von Frankreich , der Herzog von Orleans, der Sohn jener berühmten deutschen Prinzessin Elisabeth Charlotte , anzutreten.

Die Lage war so verzweifelt, daß der Herzog von St. Simon dem Regenten vorschlug, die Reichsstände zusammenzuberufen und durch sie, um jede Schuld von sich abzuwälzen, den Bankerott erklären zu lassen. Das wollte der Regent nicht, sondern er ent­schloß sich zu Maßregeln, welche den Verhältnissen angemessen waren, indem er das stehende Heer reduzirte und den entlassenen Soldaten eine mehrjährige Abgabenfreiheit zusicherte, wenn sie ein verlassenes Haus, eine preisgegebene Wirthschaft übernehmen

Mülberger.

wollten: ein Zug, der mehr als vieles andere einen Einblick in den ganzen wirthschaftlichen Abgrund gewährt, den Ludwigs XIV. Kriege und Verschwendung gegraben hatten: viele tausende, welche die Steuer nicht mehr erschwingen konnten, hatten Haus und Hof verlassen und lebten, wie Wilde, in den Wäldern, nur um den Vegationen der Steuerpächter zu entgehen. Desgleichen be­drohte der Regent die Härten und Rücksichtslosigkeiten der Finanzbeamten und gab den Parlamenten ihr altes Recht, dem Könige Vorstellungen zu machen, zurück. Der Anfang war nicht übel, und fuhr man auf diesem Wege fort, die Ausgaben zu vermindern und durch Rückkehr des Vertrauens den Verkehr zu beleben, so konnte sich in zehn Jahren die Lage wesentlich bessern, wenn es auch unvermeidlich gewesen wäre, einen Theil der Gläu­biger zu verfrösten. Aber es fehlte die entscheidende Tugend­Geduld; man wollte nicht warten und war darum noch vor Ab­lauf des Jahres 1715 in die alten Finanzkünste zurückgesunken, durch welche das Uebel nur verschlimmert werden konnte. Durch eine dreifache Spoliation sollte dem Staatsschatz aufgeholfen werden; zunächst durch Münzverschlechterung. Man befahl die Einlieferung aller Münzen, nahm den Louisd'or von 14 2. zu 16 an, gab ihn aber nach der Umprägung zu 20 wieder aus. Diese Unredlichkeit, hoffte man, werde dem Schatz über 200 Millionen baar eintragen; aber da nur ein Drittel der erwarteten Summe von 1000 Millionen eingeliefert wurde, gewann der Schatz nur 72 Millionen, mußte aber dafür die Steuern in der entwertheten Münze annehmen und seine eigenen Bedürfnisse theurer bezahlen. Verwirrung drang in alle Verhältnisse und lähmte den Verkehr, der kaum sich zu beleben angefangen hatte. Die alten schweren Münzen gingen ins Ausland, wo insbesondere Juden die Um­prägung besorgten und den Gewinn einsteckten. Zweitens durch eine Reduktion der schwebenden Schuld. Die Schazanweisungen sollten bei einer Kommission angemeldet werden, welche die näheren Umstände der Erwerbung untersuchen und die richtig befundenen visiren sollte. Das Visa bestand aber darin, daß man 1 bis 4 Fünftel, je nachdem, unterdrückte, das Uebrig= gebliebene in neue vierprozentige Staatsbillets umwandelte und den nicht angemeldeten Rest von 114 Millionen für gänzlich So hatte man die 711 Millionen auf 200 werthlos erklärte. heruntergebracht, ein Verlust, der darum nicht so schwer empfunden

*) Wir haben einen Theil des hier behandelten interessanten Themas bereits vor mehr als Jahresfrist feuilletonistisch skizzenhaft beleuchtet, hoffen daher umsomehr mit der Veröffentlichung dieser Studie unsres beliebten Mitarbeiters den Lesern einen Dienst zu erweisen.