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Kinder, die einem solchen Lehrer Mr Erziehung übergeben sind! -- Als wenn die militärische Zucht eines Heeres einexercirter Soldaten ausreichte, das Vaterland in der Gefahr, von wilden Feinden überflutet zu werden, zu retten! In der höchsten Gefahr ist ein jeder Soldat, Frauen, Mädchen, Greise, Kinder, in der höchsten Gefahr ersetztein" Mann zehn Soldaten, an Muth, Opferfreudigkeit und Ausdauer. Elisabeth Lieber an Freimann. Gehe, ich beschwöre dich, gleich nach dem Lazareth. Unserm Morgenroth soll ein Unglück begegnet sein. Wir sind alle in großer Aufregung, weil wir ganz ohne nähere Nachrichten sind. Aber gehe gleich!-- Bitte, bitte!"----- 8 Tage später. Theure Freundin! Ich kann selbst nicht schreiben; ein Nebenmann von mir hat die Freundlichkeit, meine Worte aufzu- zeichnen!-- Du sollst gleich nach dem Unglücke im Lazareth gewesen sein, um mich zu sehen. Man hat es mir später gesagt. O ich danke dir von ganzem Herzen für deine Güte! Wer hätte außer dir das auch wohl gethan? Wenn ich wieder gesund sein werde und das Lazareth verlassen kann, werde ich zuerst zu dir kommen, Freimann war gestern hier; er ist ein so guter Mensch, und ich habe ihn so sehr lieb. Ihr beide seid meinem Herzen am nächsten.--- Es war ein übler Tag! Es regnete stark. Wir mußten trotzdem ausrücken. Durchnäßt bis aus die Haut kamen wir in den Wald. Die Wege waren aufgeweicht und schlüpfrig. Während einer Attaque fiel ich unglücklicherweise über eine Baumwurzel und da ich das Gewehr im Arme hatte, vermochte ich dem Falle nicht auszuweichen. Nun liege ich hier, mit wieder eingerenktem und zerbrochenem rechten Arm. Das Fieber ist vorüber, auch die Schmerzen haben nachgelassen und mein erstes ist, an dich, liebes Herz, schreiben zu lassen.-- Ich trage den Arm im Gipsverband, und ehe er nicht einigermaßen geheilt sein wird, darf ich das Lazareth nicht verlassen. Wir sind hier unsrer dreizehn; alle im grauen Zwillichanzuge mit großen Pantoffeln angethan. Das Lokal ist groß und unsauber. Ich war froh, trotz der Betrübniß, dich nicht gesehen zu haben, daß man dich nicht zu mir ließ! Das ist hier kein Aufenthalt für Damen!-- So, nun will ich meinen Kameraden nicht länger belästigen. Ich übe mich heute schon, mit der linken Hand zu schreiben und wenn ich darin einige Fertigkeit erlangt haben werde, so schreibe ich selbst. Bis dahin lebe Wohl und grüße gütigst deine theuren Eltern und deinen Bruder. Ich versetze mich in Gedanken immer zu dir und dann sitze ich in der Ecke im Sopha und plaudere mit dir, wie früher, so angenehm und so erhebend. Theure Freundin! Deine Zeilen bewahre ich auf meinem Herzen. Sic haben mir wohlgethan in meiner Einsamkeit. Öftmals hole ich sie heimlich wieder vor, um sie von neuem zu lesen. Ich weiß sie zwar schon auswendig, aber ich betrachte so gerne deine Schriftzüge.-- Heut' ist der Verband abgenommen worden und da ist denn konstatirt, daß-- erschrecke nur nicht --- der Arm falsch eingerenkt, oder richtig gesagt, gar nicht eingerenkt gewesen war. Da der Unterarm gebrochen, so ist die Prozedur, der Versuch des nochmaligen Einrenkens unmöglich und wenn es auch geschehen könnte, doch lebensgefährlich, denn alles ist rings schon ziemlich festgewachsen.-- Meinen Arm kann ich jetzt nur ein wenig heben.--- Das ist ein großes Unglück. Nun komme ich bald von hier fort. Was wollen sie auch wohl mit einem armen Invaliden noch länger I sich mühen?-- Schreib' ich nicht ganz schön mit der linken Hand?--------- 1
Lieber Freimann! Sende mir einige Bücher, etwa ein paar gute Romane, sodann auch etwas Papier und Tinte nebst Federn. Auch mein Tagebuch füge den Sachen hinzu. Ich will in meinen Notizen fortfahren. Die ungeschickte linke Hand hat sich meinem Willen schon unterthan niachen müssen. Bald wird sie meinem Befehle ganz gehorchen. Mich öfters zu besuchen, kann ich von dir nicht fordern. Am besten, du schreibst; denn in diesen Räumen wird jedes freudige Gefühl gewalffam nieder- gehalten. Dazu werden wir Kranke, die wir nicht an inneren Krankheiten leiden, genau so wie jene in der Nahrung gehalten. Ein vernünftiger Grund für diese ökonomische Diät ist nicht einzusehen. Der Magen sagt deutlich, daß diese Ernährung eine ungenügende sei. Ich habe mich bei dem Oberarzt beschwert, dieser hat den Inspektor avisirt, und nun erhalte ich einigermaßen ein hungerstillendes Essen. Aber die übrigen?--- Die sind auf Zuträgerei hingewiesen, und das ist strafbar.   So ist also auch hier ein Grund zur Mißstimmung und zur Unzufrieden- heit.--- Die Sterblichkeit unter den Soldaten ist eine viel größere, als man gewöhnlich glaubt. Werde in diesem Punkte später die Statistik studiren. Die Selbstmorde sind beim Militär auch seltsam zahlreich, und außerdem bildet in jedem Lazareth die große Masse der Geschlechtlichkranken das Hauptkontingent. Aus dem Sagebuch. Es war ein wichtiges Stück Menschenleben, was da an mir vorübergezogen ist. Und es ist gut, daß ich es kennen gelernt habe. Welt und Leben von recht vielen Seiten zu schauen und verstehen zu lernen, ist nicht nur ein intellektueller, sondern auch ein unschätzbarer moralischer Gewinn. Je mehr man gesehen und erfahren, desto schwerer verfällt man in Einseitigkeit, Eng- Herzigkeit, Härte des Urtheils, in pessimistische Verbittrung und Hoffnungslosigkeit; desto zuversichtlicher wird die Ueberzeugung von der fortschreitenden Besserung der menschlichen Verhältnisse trotz all' und alledem. August. Man sucht alles Mögliche hervor, um festzustellen, ob mir eine Schuld an der Körperverletzung zugeschrieben werden kann. Vergebliches Bemühen! Sie werden mir meine Pension nicht vorenthalten können, denn ich bin im Dienst zu Schaden ge- kommen. Täglich werden die Armbewegungen mit Hülfe elektrischer Ströme fortgesetzt, sodaß ich den Arm nun doch wag- recht strecken kann. Ach, wie sehne ich mich darnach, aus- zurufen: Vorüber, vorüber!-- Heute war ich bei Liebers, bei Elisabeth! Welch' ein Empfang! Die lieben Leute freuten sich, als ob sie meine Eltern wären, und Frau Lieber weinte sogar, als ich ihr zuerst auf der Treppe begegnete.Elisabeth ist in der Stube," sagte sie, und in diesem Augenblick öffnete jene selbst die Thür. Zitternd, blaß und stumm kam sie auf mich zu und sie drückte mich an sich und ich küßte sie zum erstenmale.Ich hatte eine Ahnung, daß du heute kommen müßtest," sprach sie endlich leise und stockend; und als ich meine Mutter mit jemand sprechen hörte, da fühlte ich, daß du es seiest."-- Der Kommandeur meines Regiments versuchte mich zu bereden, die Jntendanturcarriere einzuschlagen.Man wird Sie nach Berlin   schicken und Ihnen die nöthige Ausbildung geben. Sie sind befähigt und werden im Fluge eine angesehene Stellung Sich erringen." Ich lehnte kühl dankend ab. Als er sah, daß ich unerschütterlich war und den Versuchen, meinen Ehrgeiz zu stacheln, mit ruhiger Miene widerstand, brach er ab und ver- abschiedete mich freundlich. Nun bin ich wieder frei, frei und mit monatlich 9 Mark pensionirt! Hurrah! (Fortsetzung folgt.)
Dem Schicksal abgerungen. Novelle von Nudokpy von A...... (Fortsetzung.)
Willisch hatte seine Pferde tüchtig angefeuert; in wenigen Minuten hielt der Wagen vor dem zierlich vergitterten Eisen- portale des Schlosses Felseck, das von der mäßigen Anhöhe herab, auf der es dereinst ein mittelalterlicher Rittersmann erbaut hatte, mit seinen hochragenden Thürnren und Söllern weithin in den Thälern sichtbar war.
Der greise Thorwärter des Schlosses schnitt ein ungeheuer verwundertes und nichts weniger als respektvolles Gesicht, nach- dem er einen flüchtigen Blick auf den über und über kothbespritzten Wagen und seine Insassen geworfen und sie erkannt hatte. Langsam und widerwillig öffnete er das kleine Fenster, hinter dem er oder seine Frau Tag für Tag von früh bis abends zu