Von größerem Werth und Erfolg für ihn selbst war, daß er, sowohl dort als in London , wohin er von Paris ging, sowie aus der Reise selbst die Bekanntschast der bedeutendsten Gelehrten u. a. Ncwton's und Spinoza's machte. Ersterer regte ihn zu tieferen mathematischen Studien an, deren Resultat die Erfindung der Differentialrechnung war. Das Eigenthumsrecht dieser Erstndung wurde ihm später zwar bestritten, indem Newton dieselbe schon früher gemacht hatte, aber von namhaften Gelehrten wird unter Anerkennung des newton'schen Einflusses doch behauptet, daß sie von Leibnitz bedeutend vervollkommnet und durch- gebildet worden sei. In Paris hatte er das Anerbieten, der dortigen Akademie als Pensionär beizutreten, abgelehnt, weil der Uebertritt zum Katholizismus als Bedingung gestellt wurde. Dagegen empfing er vom Herzog von Braunschweig eine Rathsstelle mit Pension und ging 1676 als Bibliothekar nach Hannover . Dort verfaßte er eine große Anzahl Schriften über die verschiedensten Materien, unter anderem auch historische Arbeiten. Durch seine freundschaftliche Stellung zu den Her- zögen von Hannover , namentlich aber zu der Gemahlin Ernst Augusts und deren Tochter Sophie Charlotte , die ihn noch als Gemahlin Fried- rich III. von Brandenburg , später der erste König von Preußen, als ihren Lehrer verehrte, wurde sein Einfluß nicht wenig gefördert; seine Stellung zur Königin von Preußen hatte vor allem die Begründung der Akademie der Wissenschaften zu Berlin zur Folge. Seine Versuche in Dresden und Wien , ähnliche Institute ins Leben zu rufen, scheiterten jedoch. Ebenso seine Bemühungen, eine Wiedervereinigung der katho- tischen und protestantischen Kirche herbeizuführen, zu denen bereits in Mainz von dem vom Protestantismus zur katholischen Kirche über- getretenen Boineburg der Grund gelegt war. Desgleichen hat auch das Bestreben, eine Union zwischen Lutheranern und Resormirten her- beizusühren, wenig Erfolg gehabt. Zu dem Zwecke der Abfassung einer Geschichte des Hauses Braunschweig-Lüneburg machte er eine größere Reise durch Deutschland und Italien und sind die Resultate dieser For- schungen theils von ihm selbst, theils von anderen nach seinem Tode in mehreren Schriften herausgegeben worden. Erwähnt mag hier noch werden, daß er gelegentlich eines Aufenthalts in Wien (1714) für den Prinzen von Savoyen in französischer Sprache eine Abhandlung über sein philosophisches System schrieb, die 1720 in deutscher Ucbcrsetzung von I. H. Köhler unter dem Titel:„Des Herrn Gottfr. Wilhelm v. Leibnitz Lehrsätze über die Monadologie ingl. von Gott, seiner Exi- stenz, seinen Eigenschaften und von der Seele des Menschen" zu Frank- furt erschien.— Von Hannover wurde Leibnitz zum Geheimen Justiz- rath und Historiographen, von Wien zum Freiherrn und Reichshofrath mit 2060 Gulden Pension ernannt. Auch Peter, der sogenannte Große, interessirte- sich für ihn und kam mit ihm 1711 in Torgau , 1712 in Karlsbad und 1716 in Pyrmont zusammen und ernannte ihn außerdem zu seinem Geheimen Justizrath mit einem Jahrgehalt von 1000 Rubel. Ob der Potentat die Rathschläge über die Förderung der Wissenschaften und der Civilisation in seinem Reiche befolgt hat, wissen wir nicht, nur, daß die Begründung einer Petersburger Akademie der Wissen- schasten, die aber erst nach Peters Tode entstand, von Leibnitz die erste Anregung erfuhr. So lebte Leibnitz denn in so günstigen Verhältnissen, wie sie bisher selten einem Gelehrten beschieden waren. Sein Haus- Wesen soll er vernachlässigt haben, was wohl nicht Wunder nimmt, wenn man in Betracht zieht, daß er nie verheiratet war. Er starb am 14. November 1716 in Hannover , seine Braunschweigischen Annalen unbeendet hinterlassend; dort wurde ihm auch ein Denkmal am Waterloo- platz gesetzt. Sein Haus wurde 1844, um es vor dem Niederreißen zu schützen, von König Ernst August angekauft.(Schluß folgt.)
Die internationale Fischerei-Ausstellung zu Berlin. (Bild Seite 509.) Am 29. April l. I. wurde eine Ausstellung in den Räumen des landwirthschastlichen Museums in Berlin eröffnet, wie sie eigen- artiger und in ihrer speziellen Richtung großartiger noch nicht da- gewesen. Wenngleich durch die künstlichen Fischbrutanstalten und andre in dieses Gebiet fallende Bestrebungen das Interesse des Publikums in den letzten Jahren mehr auf diejen Zweig gewerblicher Thätigkeit gelenkt wurde, so hatten wohl— außer den fachbeflissenen Gelehrten— bis zum Beginn dieser Ausstellung wenige eine Ahnung davon, welch' ein umfassendes und imponirendes Gebier für die märchenhaften Fort- schritte moderner Industrie das älteste aller Gewerbe— die Fischerei— sei. Mit dem Eintritt in Räume, in denen Völker aus allen Erd- theilen Zeugnisse zusammengetragen haben dafür, daß die Fischerei längst aufgehört hat, das einfachste Mittel zu sein, der Natur die Beute zum Nutzen des Menschen abzujagen,— mit dem Eintritt in jene Räume erschließt sich dem Laien eine neue Welt. Die Wunder des Ozeans und die Wunder des schöpferischen Menschengeistes sind hier gleicherweise saßbar, sichtbar geworden. Wir sehen das grauenhaste Gethier des Stillen Ozeans und die gradezu raffinirten Geräthschaficn, mit denen Japanesen und Chinesen dasselbe fangen, aber auch die Gc- fahren mit denen der Mensch von den riesigen Bewohnern der ewigen Dämmerung am Meeresgrunde umstrickt wird(siehe das Bild); wir sehen die Thierwelt heimischer Gewässer, die Farbenpracht der Muscheln aus dem Adriatischen Meere, die mächtigen Thiere der russischen Flüsse, wie die kleine graue Krabbe der Ostsee ,— kurz, es scheint, als hätten die Wasser der Erde ihre tiefsten Geheimnisse ausgespieen und an den Strand geschwemmt, daß das staunende Menschenauge sich an ihnen weide. Das schwer zu bewältigende Material zeichnet sich durch treff-
liche Anordnung in der Ausstellung aus. Die Herren Kyllmann und Heyden haben den Plan dazu in baulicher und dekorativer Hin- ficht entworfen. Beim Eintritt in das Gebäude, welches in Holz- tapetenbekleidung den Charakter eines norwegischen Bauernhauses zeigt, gelangte man zunächst in eine Rotunde mit Oberlicht, deren ganzer Raum von einer einzigen Firma in Anspruch genommen wurde. Ein Grottenbau von Tuffstein zeigt mehrere Aquarien mit einer vollstän- digen Sammlung lebender Flußfische in den größten Exemplaren. Rings an den Wänden lagen auf Eis Ungethüme aus den Ozeanen. Die berliner Firma Linde nberg hatte die reichhaltigste Schaustellung von Fischen veranstaltet. Links gelangte man in einen Raum, der aus- schließlich der künstlichen Fischzucht vorbehalten ist. Hier dominirte die thüringer Firma I. Preysing mit ihrer Sammlung von Forellen- und andern Eiern. In kleinen, mit Alkohol gesüllten Röhrengläschen sah man hier die Forelleneier, vom Tage der ersten Befruchtung an, in allen Stadien der Entwicklung, bis sie zur Brut gediehen sind, die aussetzungssähig ist. Auch den Bildungsprozeß des Lachses zu ver- folgen, hatte man in mehreren in Alkohol gesetzten Embryo-Serien Gelegenheit. Dazwischen wimmelten in größeren und kleinen Glasretorten: Laichfische, Aalbrut, Krebse u. s. w.— Rechts von der Eingangs- rotunde kam man in eine große dunkle Felsenhalle, in deren Seiten- wände Grotten eingelassen waren. Hier hatte sich die künstlerische Phantasie in ganz überraschender Weise mit dem belehrenden Zweck vereint. In den Wassern, welche den Grund der Grotten füllten, schwam- men die Bewohner des Mittelmcers lustig umher; künstlich vertheiltes Oberlicht fiel aus den Hintergrund der Grotten: aus herrliche Strand- gemälde des Golfs von Neapel. So öffnen sich, umrahmt von dem dunkelhängenden Tuffstein, mehrere Panoramen von unvergleichlicher Schönheit, deren täuschende Natürlichkeit noch durch dekorative Aus- schmückung von Palmen und antiken Statuen erhöht ward. Die japa- nische Gruppe gehörte unstreitig zu den interessantesten der Ausstellung, sowohl wegen der Mannichfaltigkeit als wegen der Feinheit ihrer Ge- räthe. Die Modelle von Kähnen und Fischerhütten, all diese klugerson- neuen und künstlich ausgeführten Fanginstrumente, namentlich aber die fast unsichtbaren, feinen Netze von unglaublicher Größe legen wieder Zeugniß ab für den hohen Grad von Intelligenz, der den ostasiatischen Völkern eigen ist, welche wir sehr mit Unrecht Barbaren nennen. Die Ausstellung des Nachbarreiches China war auch in der Nähe der von Japan . Auf den ersten Blick schien das Reich der Mitte gegen Japan zurückzustehen, aber ein Blick in den Katalog, der uns belehrt, daß der ganze chinesische Saal nur die Ausstellung der Fischerei eines einzigen Hafens, Ningpo genannt, einschloß, brachte uns eine andere Meinung von der chinesischen Fischerei bei. Die Wände des chinesischen Saales bedeckten große, in die Fischerei einschlägige Abbildungen, welche für die Chinesen sehr lehrreich sein mögen, für uns Europäer aber der Anschaulichkeit ermangeln, weil sie, wie alle chinesischen Zeichnungen, keine Perspektive haben. Aus der Anordnung der Ausstellungsgegen- stände konnte man aus den Nationalcharakter der Aussteller schließen. Wie ein Schritt aus dem Lande der Märchen in das der nüchternen Nützlichkeit war es, wenn man aus der japanischen und chinesischen Abtheilung in die der Amerikaner und Engländer trat. In Übersicht- licher, aber reizloser Anordnung haben diese Völker der klugen Praxis ihren staunenswerthen Reichthum modern konstruirter Geräthe ausgestellt; besonders die Amerikaner hatten ihrer Schaustellung den Charakter einer Musterkarte gegeben und ihre Hoffnung, geschäftliche Vortheile aus der Ausstellung zu ziehen, drängte sich deutlich auf; während die der anderen Länder mehr zum Dienst der Wissenschaft und Schönheit bereitet waren. Deutschland z. B. hatte in malerischer Schönheit der Anordnung auf Kosten der Nützlichkeit des Guten beinahe zu viel ge- than. Das Bemerkenswertheste der deutschen Abtheilung war das Bern - steinkabinet der königsberger Firma Stantien und Becker. Die Entstehungsgeschichte des Bernsteins, seine Arten, seine Verarbeitung von der Steinzeit bis zur Gegenwart, seine Gewinnungsmethoden, seine Verschiedenheit an den verschiedenen Küsten, alles das war— von einem berufenen Gelehrten geordnet— in einer noch nie erreichten Vollständigkeit beisammen. Die obengenannte Firma beschäftigt 3000 Menschen mit der Gewinnung dieses„Strandsegens" und zahlt eine Pachtsumme von 609 000 Mark an die preußische Regierung. Auch die Perlenindustrie ist von ihren Anfängen an bis zur modernsten Kulturvollendung vertreten. Daß wir inmitten Deutschlands , im sächsi- schen Voigtland, eine Perlenfischerei haben, ist durch die Ausstellung manchem Besucher erst zur Kenntniß gekommen. Wenn sich auch die Ausbeute mit den Ergebnissen der Seeperlenfischerei nicht messen kann, so zeigt doch das ausgelegte, auf 9009 Mark geschätzte Elsterperlen- kollicr aus dem grünen Gewölbe in Dresden , daß es sich immerhin lohnt, die Zucht des Schalthiers(Unio rnargaritifer) rationell zu betreiben. Nicht minder werthvoll wird die sächsische Flußperlmuschel durch die Verwendung der polirten Schalen zu allerhand Galanterie- waaren, die in dem industriellen Adorf zu taufenden verarbeitet wer- den und ihrer Zierlichkeit wegen lebhasten Absatz finden. Die Korallen- fischerei hat ebenfalls ihre kostbare Beute und ihr Handwerkszeug aus- gestellt. Italien ist bestrebt, auf der Ausstellung diese Schätze des Meeres zur Anschauung zu bringen. Ein schweres Kreuzholz mit daran- hängenden Netzen ist das uralte Geräth der Korallenfischer, welches mit großen Mühen über den felsigen Meeresboden gezogen wird, um die rothen Zweige aus dem Garten Neptuns loszubrechen. Die Ko- rallenfischerei des Mittelländischen Meeres, an der Küste der Apennini-