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Gottfried Wilhelm von Leibnitz( Forts.). Wie es damalsunter den deutschen Gelehrten Sitte war, sich bei der Abfassung von wissenschaftlichen Abhandlungen nicht der Muttersprache zu bedienen, so schrieb auch Leibniz , einzelne Ausnahmen abgerechnet, seine Schriften in fremdenSprachen und zwar in der lateinischen oder französischen. Troßdem ist sein Stil in der deutschen Sprache vorzüglich, und er würde, hätte er sich dieser mehr als es geschehen, bedient, auch nach dieser Richtung hin reformatorisch Bedeutendes geleistet haben. Daß er es nicht gethan, ist aber erklärlich, wenn man die Zeit in Betracht zieht, in der er lebte und die sich vor allem durch die Sucht der gebildeten Stände in Deutschland auszeichnet, mit Fremdem zu prunken und ohne alle Gewissensbisse Ehre, Vaterland an jeden beliebigen Ausländer, namentlich aber dem Erbfeind neueren Datums, dem Franzmann, zu verkaufen. Dann kann man ja auch von allen deutschen Gelehrten nach Leibniz , wenn sie sich auch ihrer Muttersprache bedienten, nicht gerade behaupten, daß sie so arg große Rücksichten auf die Nation genommen, denn ihre gelehrten Schriften sind nur allzuoft in einer Sprache abgefaßt, welche der großen Masse des Volkes genau so unverständlich ist, wie ein französisch oder lateinisch geschriebenes Buch. Außerdem las zu jener Zeit der große Haufen gar nichts und die sogenannten Gebildeten eben nur Werke in fremden Sprachen. Seine philosophische Lehre hat Leibniz niemals systematisch geordnet niedergeschrieben, sie findet sich zerstreut in seinen Schriften und oft pflegte er seine diesbezüglichen Gedanken in Briefen auszusprechen. Im Abriß findet sich dieselbe jedoch in der bereits oben angegebenen Schrift: ,, Ueber die Monadologie 2c." Zu seinen Anschauungen fam er erst allmälich und, wie man sagt, sehr vorsichtig. Die Wahrheit zu finden, war sein erster Grundsay und er erkannte sie an, ganz gleich, wo er sie fand. Schrieb er doch noch im vorgerückten Alter rüdblickend auf seine philosophischen Kehrjahre in einem Briefe: Ich war bestrebt, die Wahrheit aufzugraben, die unter den Meinungen der verschiedenen Philosophen vergraben und zerstreut liegt, und ich glaube von dem Meinigen etwas beigetragen zu haben, um einen Schritt vorwärts zu thun." Wir möchten dafür schon in seinen Bestrebungen, die verschiedenen christlichen Religionssysteme zu einigen, den besten Beweis finden, aber nicht minder gibt diesen seine Philosophie. Und man behauptet wohl nicht zu viel, wenn man leztere als den Schlüssel zu seinem nach Einheit ringenden Wesen bezeichnet. Cartesius , der Vorgänger von Leibniz , hatte den Dualismus zwischen Materie und Geist gelehrt, Spinoza von diesem ausgehend, die Einheit der Substanz, den Pantheismus, das Allgottthum. Es gibt nur eine Substanz und diese ist Gott . Wir sind in Gott und Gott in uns", so lautet der Fundamentalsatz der Philosophie Spinoza's . Mithin gibt es keinen außer weltlichen Gott, aber einen weltlichen; es gibt keine außergöttliche, gottverlassene Welt, wohl aber eine göttliche*). Dem ersteren gegenüber vertritt Leibniz die Einheit, und entgegengesett dem letteren die Individualität. Alle für uns wahrnehmbaren Körper sind nach ihm zusammengesetzte Wesen. Wenn es aber Zusammengesettes gibt, so muß es auch einfache Substanzen geben, aus denen sich jenes bilden sonst kann und welche als untheilbare Einheiten nicht materieller wären sie ja gleichfalls theilbar sondern metaphysischer Natur sein müssen. Als materielle Punkte wären sie gleich den Atomen" der früheren Philosophen, also ausgedehnt und zusammengesetzt. Diese untheilbaren Einheiten nennt Leibniz ,, metaphysische Punkte" oder vielmehr Monaden( Monas= Einheit), welch letztere Bezeichnung bereits Giordano Bruno gebrauchte und die Leibniz aller Wahrscheinlichkeit nach diesem entlehnt hat. Der Monade zu Grunde liegt die Kraft. Diese ist ursprünglich und untheilbar und da sie nicht entstanden ist, so fann sie auch nicht vergehen. Weil sie untheilbar, einfach, ursprüngWeil sie untheilbar, einfach, ursprünglich ist, darum kann sie nur durch Begriffe erkannt werden und ist infolge dessen ein metaphysisches Prinzip. Sie umfaßt das gesammte Reich des Immateriellen und enthält zugleich die Natur der Körper, die ohne Kraft undenkbar sind. Daraus geht hervor, daß sie nur als Substanz gedacht werden kann und umgekehrt und mit den Körpern eins ist. Hierdurch setzt sich Leibniz in Widerspruch zu Car tesius , welcher den Gegensaß von Körper und Geist, also Stoff und Kraft behauptete und alles Leben als eine äußere Beeinflussung der Körper durch den Geist erklärte. ,, Ueberall ist Thätigkeit und ich begründe sie fester als die herrschende Philosophie, weil ich der Ansicht bin, daß es keine Körper ohne Bewegung, feine Substanz ohne kräftiges Streben gibt." So sagt Leibniz . Gibt es aber überall Thätigkeit und Bewegung, so muß nothgedrungener Weise die ganze Natur belebt sein. Es kann in der Welt nichts Lebloses geben, da alle Dinge aus der untheilbaren Substanz, der Monade, zusammengesetzt sind. Den Atomen gegenüber unterscheidet sich die Monade durch ihre Selbständigkeit. Die ihr eingeborne Qualität, welche bei der unendlichen Zahl von Monaden unendlich verschieden ist, bestimmt ihre Individualität. Hierauf begründet sich der Gegensatz der leibniz 'schen Lehre zur Philosophie Spinoza's . Wenn aber die Monade als ursprüngliche, belebte und untheilbare da sie aus MoSubstanz gedacht wird, so müssen bei allen Wesen Seele und Körper in demselben Vernaden zusammengesetzt sind hältniß sich befinden wie Kraft und Stoff bei der Monade: Seele und Körper bilden demnach eine natürliche Einheit. Es gibt deshalb auch keine Seelenwanderung, und Leibniz sagt selbst: Ich halte dafür, daß nicht blos die Seele, sondern sogar das Individuum fortdauert." Ge
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* Siehe den Abschnitt Spinoza und Leibniz in der vortrefflichen Abhandlung: ,, Lessing der Philosoph" von J. Jacoby, Ges. Schriften und Reden. II.
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burt und Tod sind ihm nur Formwechsel, nicht Ursprung und Vernichtung eines Wesens. ,, Was wir Erzeugungen nennen, das sind Entwicklungen und Vermehrungen, was wir Tod nennen, das sind Verpuppungen und Veränderungen". Damit ist aber auch die Unsterblichfeit angenommen und zwar nicht nur die der Seele, sondern die des beseelten" Körpers. Unvergänglich ist alles physische Leben, unsterblich das menschliche im Unterschied von dem thierischen, welches nur unvergänglich ist. Und als die Cartesianer diese Annahme für ungereimt und vernunftwidrig bezeichneten, entgegnete Leibniz : ,, Nicht so vernunftwidrig, wie es den Cartesianern scheint, wenn man nur den richtigen Unterschied macht zwischen der Unvergänglichkeit der thierischen und der Unsterblichkeit der menschlichen Seelen." Hat die menschliche Seele Bewußtsein und schließt dieses Bewußtsein Persönlichkeit oder die Fähigkeit in sich, bewußt und vorsätzlich zu handeln, so wird das menschliche Individuum im Gegensatz zum thierischen zur Person oder ein moralisches Wesen. Nach dem Unsterblichkeitsbegriff des 2. ergibt dies aber konsequenterweise die Unsterblichkeit der Person, welche sich jedoch von der persönlichen Unsterblichkeit nach theologischen Begriffen dadurch unterscheidet, daß sie die natürliche Unsterblichkeit, während jene den natürlichen Tod voraussetzt. Mit dieser moralischen Fortexistenz muß natürlich auch fortbestehen, was in der betreffenden Person geschehen, also auch die jedem Menschen anhaftende Schuld, resp. das Schuldbewußtsein. Ist dies ein innerer Zustand der Qual, so ist es Strafe, und diese muß von ewiger Dauer sein, wenn es das schuldige Individuum ist. Leibniz lehrte aus diesem Grunde die Höllenstrafen, deren nothwendige ewige Dauer kein geringerer wie Lessing in seiner bekannten und manchem seiner Zeitgenossen nur allzufühlbaren, scharfen Weise vertheidigt*). Man hat Lessing deshalb mehrfach widersprochen, hier ist jedoch nicht der Ort, uns des näheren darauf einzulassen, sintemalen der große Kritiker auch sehr genau wußte, was er vertheidigte. Zudem scheint uns auch die Folgerung der ewigen Strafen" aus der leibniz'schen Philosophie durchaus korrekt. Nur darf man sie nicht in dem ,, rohen und wüsten Begriff, in denen sie mancher Theologe nimmt", wie sich Lessing_ausdrückt, auffassen und sich nicht die Hölle" als einen räumlichen Ort und die Strafe als eine körperliche vorstellen. Wir sahen, daß die Kraft ursprünglich war, da sie aber nicht ohne Körper existiren kann, so ist ihr Zustand an den Körper gebunden, da nun ferner ein Beharren in Unthätigkeit ihrerseits unmöglich ist, so ist sie in steter Bewegung begriffen. Der Körper ist das Mittel zum Zweck der Bewegung, d. h. des Lebens, und infolge dessen ist die Seele nicht allein der Grund alles Seins, sondern auch der der Natur des Körpers entsprechende Zweck der Bewegung. Alles Leben kann nur als Entwicklung vor sich gehen, diese beruht aber darauf, daß sich der Zustand, in welchem sich ein Körper befindet, verändert, und zwar derart, daß in dem Prozeß der Veränderung ein Zustand nicht allein auf-, sondern aus dem andern folgt, resp. hervorgeht. Gibt es hierbei keinen Stillstand, so gibt es auch feine Sprünge, dagegen nur stete, ununterbrochene Entwicklung des Individuums. Da von außen her auf die Monade nicht eingewirkt werden kann, so ist jede Kraftäußerung derselben selbständige Handlung und die Entwicklung eine Reihe von Handlungen. Jede zweckthätige Kraft muß sich Zwecke sezen, also sich auch im Besiz des Vorstellungsvermögens befinden. Nach Leibniz ist deshalb die vorstellende oder zweckthätige Kraft das Prinzip aller Entwicklung. Es gibt dunkle, verworrene und bewußte Vorstellungen. Sie sind dunkel, wenn sie nur das betreffende Individuum ausdrücken, sie sind verworren, wenn sie in dem Vorgestellten die vielen kleinen Vorstellungen nicht unterscheiden. Beispielsweise ist die Vorstellung, daß alle für uns wahrnehmbare Körper untheilbare Ganze bilden, eine unklare, verworrene, klar ist sie, wenn diese uns als aus unendlich vielen untheilbaren Einheiten zusammengesetzte Wesen erscheinen. Wenn wir grüne Farbe sehen, so haben wir davon eine klare Vorstellung, weil wir grün von roth deutlich unterscheiden, verworren ist sie jedoch, weil wir nicht wahrnehmen, daß in Grün, als dem Gemisch von gelb und blau, diese zwei Grundfarben enthalten sind. Der höchste Grad der Vorstellung, die von Empfindung und Bewußtsein begleitete, wird daher nur den höher organisirten Wesen eigenthümlich sein, d. h. insofern, als das Bewußtsein die Kraft ist, vermöge deren eine klare Vorstellung Verworren wird diese immer noch bleiben, wenn das möglich wird. betreffende Individuum nur das Allgemeine und nicht das Besondere, nur die Oberfläche und nicht den Grund der Dinge einsieht. Nach dem Weltgesetz der Analogie ist aber das Vorstellungsvermögen nicht nur den höher organisirten Wesen eigenthümlich, es findet sich selbst in dem niedern. In seiner Abhandlung über das Wesen der Natur sagt Leibniz : Wenn wir demnach unserem Geiste die eingeborne Kraft innerer Thätigkeit zuschreiben, so dürfen, ja müssen wir sogar auch in den anderen Seelen, Formen, oder, wenn man will, substantiallen Naturen, ebendieselbe Kraft behaupten...." Denn bei solcher Einförmigkeit, wie meiner Ansicht nach in der ganzen Natur beobachtet ist, darf man überall sonst, in ieder Zeit und an jedem Ort sagen: es ist alles wie hier, verschieden nur im Verhältniß der Größe und Vollkommenheit; so können die entferntesten und verborgensten Dinge dargethan werden nach der Analogie dessen, was uns sichtbar und offenbar ist." Und in seiner Monadologie: Dieses Band oder diese Uebereinstimmung aller Dinge mit jedem einzelnen und jedes ein
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