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lungen steht ein eisernes, muß, und wenn Sie heute ein Schieds­gericht von herzenskundigen Männern und hochsinnigen Frauen zusammenriefen, ich weiß, es würde seinen Spruch zu meinen Gunsten fällen. Es genügt ja schon, daß ich alles Leid auf mich nehme" ,, Verzeihen Sie, mein Fräulein, ist das auch wahr? Ich mag nicht darüber nachdenken, was Sie beschlossen haben können, aber Ihre beharrliche Weigerung schon, sein Weib zu werden, verhängt ein tiefes, schneidendes Herzeleid über unsern Freund ,, ja, gewiß- aber ein Mann hat mehr auf Erden zu thun, als zu lieben, und die an Liebesschmerzen zu Grunde gehen, das sind keine starken, das sind schwache, selbstsüchtige Naturen, enge Seelen, kleine Menschen. Echten Männern bringt die Zertrümmerung eines Liebesglücks wohl auch einen wilden, scharfen Schmerz, aber er ist kurz, er wird überwunden, die Wunde verheilt und vernarbt und der Kern des Wesens bleibt unberührt. Ich denke zu hoch von Curt, um nicht zu wissen, daß er sich bald wiederfinden wird, um früher oder später noch glücklich, recht glücklich zu werden. Wir armen Frauen dagegen wir leben und athmen mur, um zu lieben, Leben und Liebe sind für uns eins; haben Sie auch bedacht, was es heißt, dem Besitz eines Mannes entsagen, den man vergöttert, dessen Bild man im Allerheiligsten der Seele aufgestellt hat, um vor ihm Tag und Nacht die ewige Lampe schrankenloser Neigung brennen zu lassen? Wenn wir sagen, die Trennung breche uns das Herz, so ist das nicht immer eine Phrase; ich fürchte, man fann auch weiter leben mit gebrochenem Herzen, was ist das aber für ein Dasein!

Sie hatte die Stimme leicht gehoben und es klang zuweilen wie eine aufsteigende Bitterkeit durch ihre Worte; sie mußte das selber fühlen, denn sie hielt wie erschrocken inne, fuhr sich tief aufathmend mit der Hand über die Stirn und sagte dann etwas

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ruhiger: ,, Brechen wir das trübselige Gespräch ab; es thut mir weh und führt doch zu keinem Resultat. Ich weiß nicht, wie Sie im allgemeinen über unser Geschlecht urtheilen, aber ich denke doch, Sie haben keine niedrige Meinung von demselben, sonst würden Sie ja nicht Curts Freund sein. Jedenfalls aber stehe ich bei aller Unbegreiflichkeit unverdächtig vor Ihnen; ich würde be­reuen, Ihnen auch nur ein Wort erwidert zu haben, wenn das nicht der Fall wäre. Und wenn Sie es recht gut mit uns meinen, so sagen Sie Curt so wenig als möglich über unsere Unterredung; ich sehe noch nicht ganz klar, ich weiß noch nicht recht, wie lange noch alles so bleiben kann und darf, wie es ist; unterlassen Sie alles, was ihm auch nur eine Minute der Zeit trüben und vergiften kann, die uns noch beschieden istach, es ist vielleicht nur noch eine kurze, armselige Spanne. Sehen Sie, ich kämpfe Tag für Tag nur darum, ihn über der lieblichen Gegenwart die dunkle Zukunft vergessen zu machen und ich bin schon scharfsinnig und erfinderisch dabei geworden; stören Sie helfen Sie meine zarten Kreise nicht und wenn Sie können mir; Sie thun ein gutes Werk damit!" Sie sagte die letzten Worte im Tone der innigsten Bitte und hielt mir dabei, wie hingerissen von ihrem Gefühl, die Hand hin - was fonnte ich anders thun, als diese Hand stumm und, wie ich fürchte zu stark, zu drücken und dieselbe dann ehrerbietig an die Lippen zu führen? Sie ließ es geschehen, wie eine Königin ein edles, feinfühliges Weib, das sich stolz zu einer Liebes­neigung bekannt hat, die ihr Ehre macht, hat immer etwas von einer Fürstin, und dieser Augenblick ist in viel höherem Sinne der Glanzmoment ihres Lebens, als der, in welchem sie, blühendes Myrthenreis im Haar, von Mullwogen umflossen und von Orgelklängen umrauscht, vor dem Altar angesichts einer neugierigen, schaulustigen und zu neun Zehnteln neidischen Menge einen kleinlichen Triumph feiert. ( Fortsetzung folgt.)

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Ueber die Lösung eines zweihundertjährigen physikalischen Problems.

Von Rothberg- Lindener. ( Fortsetzung.)

Kommt dann auch auf dem von Goethe gekennzeichneten Wege eine gegenseitige, äußerliche Anerkennung von persönlichen Leistungen zustande, so entsteht doch nur das, was ebenderselbe in der ihm ja auch zu Gebote stehenden klassischen Grobheit allgemeinen verrückten Konsens" zu nennen beliebt. Der mit Energie gehandhabten großen dogmatischen Scheere wird es dann leicht, alle die unsrer triebkräftigen, mütterlichen Erde entsprießen den grünen Bäume und Sträucher der Erkenntniß zu den be­fannten einförmigen langen Heckengängen nach altfranzösischer Mode zurechtzustußen, an denen uns das Naturleben garnicht mehr interessirt, sondern die nur dazu dienen, den Blick auf den einen, sorgfältig gewählten, in weiter Perspektive erscheinenden Aussichtspunkt hinzuleiten.

Zum Glücke für das Fortschreiten der Gesammtwissenschaft haben bisher die weiter um sich blickenden Köpfe nie ganz gefehlt, welche beständig den Zusammenhang der Spezialforschungen mit dem Ganzen im Auge behalten und darnach streben, die Einheit lichkeit als letztes Ziel zu erreichen.

So haben sich denn auch in neuerer Zeit wieder die forschenden Blicke, trotz der, weiteres Eingehen auf die Gravitationsfrage ablehnenden, Haltung der Astronomen und Mathematiker, der Erkundung des physischen Zusammenhangs der hierher gehörenden Naturerscheinungen zugewandt. Rein kritische Stimmen heben, an Newtons Brief an Bentley anknüpfend, von neuem hervor, daß die in dem, an Stelle einer Erklärung abspeisenden Worte Anziehungskraft", eingeschlossen liegende Voraussetzung der Möglichkeit einer unvermittelten Fernwirkung ein Unding sei. Es seien hier nur angeführt: Dubois- Reymond ( Ueber die Grenzen des Naturerkennens):... Durch den leeren Raum in die Ferne wirkende Kräfte sind an sich unbegreiflich, ja widersinnig, und erst seit Newtons Zeit, durch Mißverstehen seiner Lehre und gegen seine ausdrückliche Warnung, den Naturforschern eine geläufige Vorstellung geworden." Aehnlich äußert sich Lange( Geschichte des Materialismus), wenn auch von etwas verschiednem Gesichts­punkt: Man mag den Begriff der Materie und ihrer Kräfte

drehen und wenden, wie man will, immer stößt man auf ein lehtes Unbegreifliches, wie bei der Annahme von Kräften, die durch den leeren Raum wirken."

Fügen wir diesem noch hinzu, daß das jetzt als Richtschnur für alle Naturvorgänge geltende Prinzip der Erhaltung der Kraft ( oder Energie, d. i. der Fähigkeit, Arbeit zu leisten), als Kenn­zeichen jeder wirklichen Erklärung fordert, die Menge von Energie zu bestimmen, welche zu einem materiellen System hinzutritt oder dasselbe verläßt, wenn es aus einem bestimmten Anfangszustand in einen andern bestimmten Zustand übergeht; wonach die Er­haltung eben immer im Uebertragen und Umwandeln der Kraft aus einem Zustand und von einem Körper auf den andern nach gleichwerthigen Größen besteht und mit diesem Prinzip ist die Voraussetzung einer unvermittelten Fernwirkung absolut nicht in Uebereinstimmung zu bringen.

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Das sind die wesentlichsten Gründe, welche rechtfertigen, trotz Newtons dynamischen Gesezen die Gravitation als ein Problem hinzustellen. Weitere Einwände sind von denjenigen neueren Physikern gemacht worden, welche es unternommen haben, die Nothhypothese der Anziehung durch eine Theorie der physischen Ursachen der Gravitation zu verdrängen.

Es ist übrigens Newton nicht der erste gewesen, der nach einer Gravitationserklärung gesucht hat; sowie ihm auch schon Gelehrte vorangegangen sind, welche seinen Gesezen ähnliche Ideen ausgesprochen haben, ohne zur völligen Klarheit und zu ver­ständlicher Formulirung durchgedrungen zu sein. René Descartes , der berühmte Philosoph, stellte sich die Sonne als im Mittelpunkt eines großen Wirbels, die Planeten ebenso in kleineren Wirbeln eingetaucht vor, wodurch die Planeten in ihren Bahnen um die Sonne und die Monde um ihre Planeten herumgeführt würden. Ebenso hat der Physiker Huyghens noch vor Newton eine Gravitationstheorie aufgestellt. Er fußte dabei auf folgendem Experiment. Wenn sich in einem cylindrischen Gefäß mit Wasser eine schwere Kugel am Boden befindet und diese durch als Durch­messer gespannte Fäden verhindert wird, bei Rotation des Gefäßes