verschenkte der Regent das, was auf diesem Wege einging, an ruinirte adlige Familien. Die Kompagnie des Indes aber ging unter allen diesen Schlingen doch nicht unter; ihre Aktien hoben sich wieder auf den Nennwerth und darüber. Schiffe allerdings konnte sie erst 1730 wieder aussenden ohne freilich, außer ganz vorübergehend, eine höhere Bedeutung für den Handel zu erreichen, bis schließlich in den sechsziger Jahren Ludwig XV. ihr ganzes Vermögen für 30 Millionen übernahm und den Handel freigab. Law aber, der seit dem Juli 1720 sich nicht mehr in die Geschäfte gemischt hatte, erhielt endlich im Dezember dieses Jahres die Erlaubniß, mit einem Regierungspaß Frankreich zu verlassen. Er ging nach Brüssel , wo ihn ein Abgesandter Peter des Großen traf, der ihn einlud, in die russischen Finanzen Ordnung zu bringen. Er war aber von den letzten Schicksalschlägen noch so betäubt, daß er ablehnte. Der Mann, der mit 2 Millionen nach Frankreich gekommen war, der 100 Millionen sein eigen genannt und große Landgüter nebst einem Herzogthum von 100 Stunden Umfang in Louisiana besessen, dieser Mann hatte aus dem all­gemeinen Schiffbruch eine Handvoll Louisd'ors, einen Solitär von 40 000 2. Werth und ein paar Gemälde gerettet. Von Brüssel begab er sich nach Venedig , von wo aus er einige Ge­suche an die französische Regierung richtete; zuerst bat er um Ausfolgung des Vermögens, das er nachweislich nach Frankreich mitgebracht; dann, man möchte wenigstens die zurückgelassenen Verbindlichkeiten decken. Er hat nie eine Antwort erhalten. Er starb 1729 in Venedig . Daß er mehr als ein bloßer Schwindler war, geht namentlich aus einem Plane hervor, den er vorbereitet hatte und der erst im Augenblick der Ausführung an den Be­denklichkeiten des Regenten scheiterte. Er wies nach, daß die Erhebung der Steuern 20 Mill. foste und ein Heer von 40 000 Finanzbeamten erfordere. Statt dessen wollte er eine allgemeine Grund- und Vermögenssteuer einführen, deren Ertrag dem Staat 200 Mill. geliefert hätte, was für alle Staatsbedürfnisse damals

Aus dem Tagebuche.

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ausreichte und deren Erhebung nur 4 Millionen kostete und nur 1000 Beamte nöthig machen sollte. Dieser eine Gedanke hätte seinen Namen vielleicht zu einem gesegneten in Frankreich machen können und eine wirklich einsichtsvolle Regierung hätte ihn in gewissen Grenzen, z. B. denen seiner ursprünglichen Privatbank gewähren lassen dürfen. Von ganz gewöhnlichen Finanzministern, Colbert etwa ausgenommen, waren die besten nicht über die Weisheit hinausgekommen, eine gute Finanzwirthschaft bestehe bloß darin, nicht mehr auszugeben, als man einnehme. Aber die Steuer nach ihrer inneren Natur, nach der Seite der Gerech­tigkeit und Schonung der Gesammtsteuerkraft, nach dem Verhält­niß von Erhebungskosten und Reinertrag, nach den Hemmnissen, welche sie dem Güterverkehr der Nation auferlegen, zu greifen und ebenso zwischen produktiven und unproduktiven Ausgaben zu scheiden und darnach reformirend aufzutreten, das war Sache eines Systems und dieses System vertreten zu haben, ist Law's Verdienst. Aber diese richtigen Seiten seines Systems treten Hand in Hand auf mit den falschen und gefährlichen und so kam es, daß Frankreich einen kurzen Traum von Glück und Wohl­stand mit unsäglichen Opfern bezahlen mußte. Und als der Rausch verflogen war und die nackte Wirklichkeit der Nation entgegenstarrte, da stand man keineswegs wieder auf demselben Punkte wie vorher. Die reichgewordenen Glückspilze, einige hundert an Zahl, waren kein Ersatz für den Ruin von 30 000 Familien, die bisher von ihren Renten gelebt hatten. Die Sucht nach schnell erworbenem Reichthum und nach sinnlichen Genüssen, die er gewährt, war in Millionen zurückgeblieben und hatte das moralische Niveau der ganzen Nation heruntergebracht; jede Spur von Glauben an Treue und Redlichkeit der Regierung und Regierenden war verschwunden und die Saat, die damals gefäet wurde, ging 70 Jahre später auf, als unter dem Geheul der pariser Sturmglocken der französische Königsthron und die ganze alte französische Gesellschaft zusammenbrach.

Irrfahrten.

Von Ludwig Rosenberg. ( Fortsetzung.)

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Es war heute ein herrliches Wetter. Wir hatten verabredet, gleich nach Mittag vor's Thor zu gehen. Elisabeth und ich gingen vorauf. Der alte Lieber wollte erst noch ein kleines Schläfchen machen. Ich komme mit Freimann und der Mutter nach," sagte er.- Unterwegs, beim Anblick der vielen Spazier­gänger, die hinaus in den Wald und auf die Berge zogen, fühlte ich mich auf einmal merklich lustig; alte Jugendlust er­füllte meine Seele und Elisabeth lachte über meine originellen Einfälle! Ich mit; da ich heut selbst Vergnügen an einer ge­wissen Ungebundenheit fand. Wie wir uns unterhielten, ge= Wie wir uns unterhielten, ge­sellte sich ein Bekannter zu uns; ein Mensch, den ich zuerst bei Liebers gesehen hatte. Ich wußte von ihm nur so viel, daß er fortwährend mit dem Gedanken umging, sich eine Frau zu suchen, und überall, wo er heiratsfähige Töchter bemerkte, mit einer ge­wissen instinktiven Geschicklichkeit seine Fäden spann. Elisabeth erröthete leicht, als sie seiner ansichtig wurde und da mir der Mensch sehr ungelegen kam, so schlug ich unwillkürlich einen iro­nischen Ton gegen ihn an. ,, Nun?" sagte ich lachend- ,, noch feine Frau gefunden? Es ist doch wahrhaftig nicht schwer, in unserer Zeit für jeden Finger ein ganzes Dußend zu finden!" ,, Gott bewahre! gab der Bekannte wichtig zurück. Der Frauen gibt es wie Sandkörner im Meere. Aber man hat nicht an allen Geschmack! Man hat so seine kleinen Bedin­Man hat so seine kleinen Bedin­gungen!" Obwohl ich wußte, was er unter diesen kleinen Be­dingungen verstand, so fragte ich ihn doch darum. Elisabeth ging stumm nebenher! Ja, sehen Sie, Herr Morgenroth," ver­segte er; ich bin ein praktischer Mensch. Entweder muß meine Frau in mein Geschäft passen oder sie muß leidlich Geld haben. Solche Weiber sind schwer zu finden und wenn man eines ge­funden, so" So will das Weib nicht auf Ihren Pakt eingehen," vollendete ich den Satz lachend. Wie vernünftig auch! Wie könnten Sie anders, als den Werth des Weibes abwiegen nach dem materiellen Nutzen, den es Ihnen bringen fann." Elisabeth lächelte. Der Bekannte schwieg plöglich. Er hatte die Freundin angesehen und an ihrem Ge­

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o, man

sichtsausdruck die Uebereinstimmung mit meinen Ansichten ab­gelesen. Das behagte ihm scheinbar nicht; er lenkte das Ge­spräch ab, indem er sagte: Man habe ihm eine reiche Erbin einige Meilen von der Stadt angeboten, er brauche nur zuzu­schlagen, um aus jeder Verlegenheit zu sein." Bravo ," gab ich zurück! ,, Man bietet die Waare an und schlägt zu. Ab­gemacht!" ,, O, das ist Irrthum," bemerkte er empfind­lich. Sie spotten meiner. Ich habe gar keine Lust zu der Erbin; ich habe schon meine Wahl getroffen- ich­spricht nicht gern von seinen Herzensangelegenheiten." Er sah dabei nach Elisabeth, die abseits schaute und dann auf mich. Seine Blicke und stumme Sprache waren leicht zu verstehen, seine Unbeholfenheit machte sich komisch. Halb verdrießlich, halb mit plöglicher Entschlossenheit verabschiedete er sich von uns. Wir waren froh und erleichtert.- ,, Der Mensch hat ein Auge auf dich, Elisabeth," sagte ich. ,, So scheint es," erwiderte sie ,, aber lassen wir ihn" fügte sie hastig hinzu. Sprechen wir von etwas anderem."

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In Liebers Garten angelangt, machten wir uns gleich daran, alles zum Kaffeetrinken bereit zu machen. Während ich das Feuer zurichtete, besorgte Elisabeth das übrige. Nach einiger Zeit leckten die Flammen an dem gefüllten Kochgefäß empor und findlich freuten wir uns über unsere ländliche Beschäftigung und über die Freude, welche die Eltern empfinden würden, wenn sie auf dem Tische in der Laube den Kaffeetisch besetzt fänden. In diesen Augenblicken war nichts an mir, was den obstinaten rebel­lischen Geist offenbart hätte. Es war mir, als hätte jemand mir zugerufen: ,, Laß den alten Menschen zu Hause und sei fröhlich mit der fröhlichen, strahlenden Natur."- Elisabeth mußte wohl ebenfalls so etwas über mich denken, denn sie sagte, als wir von einem Strauche Beeren pflückten: Niemand wird jetzt in dir den Kämpfer vermuthen, der du bist, du scheinst jetzt die fried­lichste Kreatur!" ,, Die bin ich immer," rief ich laut in das weite Thal hinab; nur Unrecht, Lüge und Thorheit sind mir verhaßt!" Bald darauf kamen die übrigen. Man freute sich allgemein und die Lobsprüche über unsere Sorglichkeit wurden

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