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von uns mit eingeheimst. Ohne Rückhalt gaben wir uns unseren frohen Stimmungen hin und versäumten nicht, der Natur den gerechten Tribut zu zollen.- Erst spät traten wir den Heimweg an. Freimann, Elisabeth und ich gingen in anregenden Ge­sprächen voran, während die Eltern folgten. Der liebe Freund war heute auch ohne Zwang und lustig und lebendig und wiederum zeigte sich darin der Einfluß einer schönen Frauenseele! Nun bin ich allein in meinem Zimmer, alles ist öde und still. Sehnsucht schwellt meine Brust und wieder fühle ich, daß Elisa­beth meinem Herzen doch recht- recht nahe steht.

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Theuerste Seele! Ich sende dir heute Elisabeths Bild! - Es ist schön ausgeführt, aber es ist nicht vollkommen. Wenn ich es lange betrachte, verwischen sich eher die Unterschiede zwi­schen Natur und Kunst, die Züge beleben sich allmälich und ich gewinne den Eindruck des Lebendigen. Aber für dich? Ich muß dir gestehen, daß das nicht die Elisabeth ist, wie ich sie kenne. Ja, würde sie ein talentvoller Maler malen, so könnte dieser wohl in das Bild hineinlegen, was das Original so ent­zückend macht, so aber liefert der Photograph von dem Kinde nur ein starres Abbild ohne Geist und Gefühlsausdruck. Denke " dir Weichheit, Freundlichkeit, ein feines mildes Lächeln, denke dir den bestrickenden Glanz eines schönen großen Auges noch hinzu und du hast eine ungefähre Aehnlichkeit dir geschaffen!

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Und diesen Kopf, umrahmt von dem schönsten goldigen Haar, trägt eine junonische Gestalt, mit vollen, künstlerisch abgerundeten Formen, die zueinander in feinster Symmetrie stehen! Es ist eine Lust, sie zu betrachten, sich an dem Eindruck dieses Meister­werkes der Natur zu entzücken und sich dann zurufen zu können: Du hast in dem Herzen dieses Wesens eine Wohnung! Sage ich da zu viel? Ich glaube es nicht, aber beschwören möchte ich es auch nicht. Der Mensch täuscht und belügt sich gern.- Aber lügen Blicke, Mienen, Geberden? Nein, Elisabeth ist teine Schauspielerin und Elisabeth liebt mich. Das sagt mir mein Herz, dieses sonderbare Ding, welches ein Gedanke, ein Kleines mißliebiges Wörtchen so leicht in schnellere Bewegung setzt, das das Blut mit Blizesschnelle in die feinsten Aederchen treibt, wenn der Mensch sich erregt! Ja, mein Herz sagt's mir und das Herz lügt nicht. Ich vertraue dir alles, dir gegenüber will ich meine Seele entlasten, denn bei dir finde ich den richtigen Widerhall für die Stimme in meinem Innern. Mit Freimann spreche ich nicht davon. Ich weiß nicht warum, aber es hält mich ein Etwas gewaltsam zurück und macht mir das Wort im Munde verstummen. Er selbst spricht nicht von ihr, es sei denn, daß ich ihn anrege. Und dann redet er in Und dann redet er in seiner Art nur weniges. Neulich machte ich zu ihm so die Bemer­fung, daß er an Figur, Gesichtsbildung und Haar merkwürdige Aehnlichkeit mit Elisabeth besize und daß man ihn schon für ihren Bruder gehalten habe; worauf er lachend sagte:" Bruder? Wahrlich, diese Idee ist schön, ich glaube, sie kommt von dir!" ,, Von mir?" fragte ich erstaunt. ,, Nun ja," versetzte er, ,, von dir, denn du wirst wohl allen Grund haben, gerade solche

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brüderliche Liebe zu wünschen." Weiter sagte er nichts und beantwortete meine Frage nach Aufklärung dieses zweideutigen Sayes nur mit einem feinen Lächeln!

Seit jener Stunde vermeidet jeder sichtlich Elisabeths Namen, und nur wenn wir in ihre Behausung kommen, löst sich etwas der Bann; aber nur etwas. Er unterhält sich vorzugsweise mit dem alten Herrn, ich mit den Frauen. Selten, daß wir die Rollen wechseln.

Aus dem Tagebuche.

Frau Lieber ist seit zwei Tagen sehr krank. Ihr Zustand ist besorglich. Als ich an ihr Bett trat, lächelte sie schmerzlich und sagte leise: Ich danke Ihnen, daß Sie Sich um unseren Kleinen so abmühen! Wenn mir etwas zustößt, so werden Sie auch ferner für ihn Sorge tragen, nicht wahr?" Dabei ergriff sie meine Hand und fügte nach einer Weile hinzu: ,, Sie werden uns nicht wieder verlassen. Sie sind uns allen so lieb!" ,, Gewiß," antwortete ich gerührt ,,, auch Sie stehen mir nahe und ich werde niemals vergessen, daß ich eine zweite Mutter in Ihnen fand!-- ,, Das weiß ich," lispelte die Kranke ,,, und Gedankenvoll verließ darum bin ich auch ganz froh!" ich das Krankenzimmer; ich hatte Frau Lieber verstanden und das versetzte mich erst später in Unruhe. Aber hatte ich zuviel gesagt? Hatte ich etwas von meinem Herzensgeheimnisse ver­rathen? Heute früh war der Zustand der Frau um ein be­deutendes gefahrdrohender als gestern. Aber sie erholte sich von Stunde zu Stunde und der Arzt konnte ihr Nachmittag einen Elisabeth zeigte sich in glücklichen Ausgang prophezeien. Siesen beiden Tagen als ein Muster von Liebe, Opferfreudigkeit und Umsicht. Ich hätte sie küssen mögen, anstatt ihr blos zu sagen: ,, Du bist ein treues, liebes Kind!"

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Einige Tage später.

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Frau Lieber ist wieder auf dem Wege der Besserung. Wenn die Sonne scheint, sigt sie in dem Gärtchen hinter dem Hause. In meiner freien Zeit leiste ich ihr Gesellschaft und lese ihr aus Büchern vor. Die Pausen füllen wir aus, indem wir uns Elisabeth hantirt dann gegenseitig unsere Erlebnisse erzählen. im Innern des Hauses und besorgt mit mustergültiger Ordnung die Wirthschaft. Mit Wohlgefallen verfolgt die Kranke jedesmal die bewegliche, anmuthige Gestalt des Mädchens, wenn sie freudig aus dem Zimmer eilt, um der Mutter irgend einen Wunsch zu erfüllen und oft trifft es sich, daß unsere Blicke dieselbe Richtung nehmen. Neulich fragte sie mich so leicht hin, wie ich mir meine Zukunft zurecht gelegt und ob ich nicht den Wunsch habe, mich irgendwo auf die Dauer festzusehen!" Und als ich ihr nachdenklich antwortete: ,, Daran denke ich schon seit längerer Zeit," fuhr sie fort, mich dazu aufzumuntern und mir die Vor­- Die Absicht theile einer bürgerlichen Existenz auszumalen! und ihre Gedanken errieth ich wohl, aber ich schwieg und war recht unwillig über diese mütterliche Fürsorge, obwohl ohne ( Fortsetzung folgt.) Grund

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Dem Schicksal abgerungen.

Novelle von Rudolph von B...... ( Fortsetzung.)

In wenigen Minuten war der Wagen an der Brücke. " Das ist ja ein wahrer Berg von Balken!" rief der Direktor höchlichst überrascht. Wo kommen denn die her? Teufel, und wie die gegen die Brücke drängen! Wenn das Wasser noch weiter wächst, so wird das Zeug entweder über die Brücke hinweg ge­worfen oder die Brücke selber geht zum Teufel."

Jetzt befanden sie sich auf der Brücke selbst. Zum erstenmal gab der Kutscher seinen feurigen Pferden die Peitsche. Der Wagen sauste über die Brücke.

Der Herr von Steinach sowohl als Friz Lauter schauten zum Fenster hinaus auf die wogende und wallende Wasserstraße, aus der jener die Brücke bedrohende Berg von Hölzern aller Arten und Größen emporragte.

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Material von dem Eisenbahnbau wahrhaftig!" rief der Direktor. Und zum Theil sieht das Holz aus, als hätte man Versuche gemacht, es klein zu hacken. Das kommt vom Perle­viadukt und trägt die Spuren des Zerstörungswerks ins Land,

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dem die hochberger Bergleute heut früh da oben obgelegen haben. Ich wette, daß die keinen Stein auf dem andern, fein Stück Holz unbeschädigt gelassen haben. Das reißt in den Beutel der Bauherren verzweifelte Löcher."

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,, Und diese Brücke hier? Glauben Sie wirklich, Herr Direktor, daß die uralte, massive Steinbrücke gefährdet ist?"

, Sie ist gefährdet. Eben weil sie uralt ist, sind die Steine vielfach zermürbt, das Bindematerial hat seine Kraft verloren und ist ausgewaschen. Es soll mich wundern, wenn sie länger aushält, als ein paar Stunden."

" Wird dadurch die Verbindung des Klosters Althaus mit der Umgebung beeinträchtigt?"

" Nach einer Richtung vollständig. Die Perle hinauf könnten wir, wenn diese Brücke unpassirbar geworden ist, nicht mehr ohne meilenweite Umwege, unten auf Waltersdorf zu aber wird die Verbindung sicherlich nicht unterbrochen. Da ist die neue massive Steinbrücke, die in hohen und weiten Bogen gespannt ist

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