grauenvollen Best, die im J. 1348 in Europa so gewaltige Verheerungen anrichtete, entstand das Märchen der Brunnenvergiftung durch die Juden und kostete allenthalben, also auch in Prag , tausenden und aber­tausenden Juden das Leben. Als wäre es an dem Elend noch nicht genug gewesen, mußte auch noch der epidemische Wahnsinn der Flagel­lanten( Geißler) dazu kommen, die durch die fast entvölkerten Städte und Dörfer zogen und ihren Wahnsinn besonders an den Juden kühlten, unter dem Vorgeben, daß diese den Knaben das Blut abzapften, um es zum Passah( Osterfest) aufzubewahren. Die Folter erpreßte den Juden auch dieses Geständniß des größten Unsinns und als Abschluß prasselte der Scheiterhaufen mit den schmorenden Opfern auf- ,, ein falber Widerschein der Hölle, daß die Wege sichtbar werden, die der Teufel geht auf Erden."

So ging es durch die verschiedenen Dynastien, welche Böhmen mit ihren Regierungskünsten beglückten, bis auf die Habsburger . Auch unter diesen frommen Purpurträgern war die rechtliche Stellung der prager Juden keine sonderlich günstige. Der erste böhmische König aus dem Hause Habsburg , Ferdinand I. , erneuerte zwar den Schußbrief des Kaisers Karl IV. , befahl aber den Juden, ein gelbes Abzeichen an den Kleidern zu tragen, wie es zum Zeichen der Entehrung die Henter und ihre Angehörigen in rother Farbe trugen. Dieses Erkennungszeichen, welches die Spottlust, wo nicht noch schlimmeres, der lieben Straßen­jugend wachrief, trugen die Knechte des heiligen römischen Reiches, wie man offiziell die Juden nannte, vom Jahre 1551 bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, zu welcher Zeit es Kaiser Joseph II. abschaffte. Der schwerste Schlag, welchen die prager Judenschaft je erlitten, ward ihr im Jahre 1745 von der Kaiserin Maria Theresia versetzt. Im genannten Jahre wurden alle Juden aus Prag ausgewiesen, weil sie den Einbruch der Feinde, der mit dem bayerischen Kurfürsten ver­bündeten Franzosen, befördert haben sollten. Erst nach Jahresfrist erhielten sie die Erlaubniß, zurückzukehren, und wurden an den Thoren natürlich zu gunsten der Steuerschraube- mit Familiennamen beglückt. Die in Guaden Aufgenommenen wurden streng in die Juden­stadt an der Moldau gebannt; die Grenzen derselben gegen die christ­lichen Stadttheile waren bis zum Jahr 1848 durch quer über die Gasse gezogene Drähte bezeichnet. In dieser Sturm und Drangperiode sind auch diese legten Schranken gefallen. Die altehrwürdige Juden­stadt mit ihrer blutigen Vergangenheit hat zu existiren aufgehört, denn sie wurde auf den Namen ihres Wohlthäters, des reformfreundlichen Kaisers Josef II. getauft. Ist es nicht eine Fronie des Schicksals, daß die trotz aller Verfolgungen reichgewordenen und jetzt auch mit den Christen gleichberechtigten Juden die schönsten Straßen Prags be­wohnen, während der fanatische Mob, der nichts gelernt und nichts vergessen hat, in den schmußigen und dunkeln Gäßchen der ehemaligen Juden, jetzt Josefstadt haust? Dort, inmitten der Schlupfwinkel des Elends und Lasters, steht auch das jüdische Rathhaus. Der Unter­bau wurde zu Ende des 16. Jahrhunderts auf Kosten des jüdischen Kaufmanns Mordechai Meist aufgeführt. Das Thürmchen auf dem Rathhause datirt aus einer spätern Zeit und hat, wie die weltberühmte Altneuschule und der in der Nähe derselben liegende uralte Friedhof, eine interessante Entstehungsgeschichte. Im Jahre 1648 nahmen auch die prager Juden, die bis dahin gegen Erlag der Kopfsteuer von jeder militärischen Dienstleistung befreit waren, regen Antheil an der Ver­theidigung der Altstadt Brags gegen die von der Kleinseite( rechtes Moldauufer) anstürmenden Schweden . In Anerkennung der bei dieser Gelegenheit geleisteten Dienste erhielt die Judengemeinde die Erlaubniß, ihr Rathhaus mit einem Glockenthurme zieren zu dürfen. Zum An­denken an den Ursprung des Thurmes befindet sich in dem an dessen Giebel angebrachten Siegel Salomos der Schwedenhut. Im Jahre 1754 brannte das Rathhaus ab und wurde im nächstfolgenden Jahre in der Weise umgebaut, wie es unser Bild darstellt. Seit dem Anschluß der Judenstadt an die christlichen Stadttheile( 1849) dienen die Räume des ehemaligen Rathhauses dem Synagogenvorstand als Kanzlei. Wir dürfen wohl überzeugt sein, daß sich die Gräuel des Mittelalters nicht wiederholen, und daß auch die Kindereien der neuesten christlich germanischen Judenhag die baldige Abstreifung alles Glaubenszwiftes wie aller Verfolgungsgelüfte, gleichviel ob jüdischen oder christlichen Ursprungs, nicht verhindern wird.

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Dr. M. T.

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Weißwurmfang an der Elbe.( Bild S. 545.) Es war an einem prachtvollen Augustabend, als ich in Gesellschaft einiger Freunde nach einer Tour durch die herrlichen Thäler, durch wilde, romantische Schluchten und über die felsigen Höhen der sächsischen Schweiz in dem Städtchen Schandau eintraf. Als wir uns durch einen Imbiß gestärkt hatten und Miene machten, unser Lager aufzusuchen, um uns von der an­strengenden Tagespartie zu erholen, meinte unser freundlicher Wirth, der wie so viele Bewohner Schandaus, auf den Namen Hering hörte, haben denn die Herren nicht noch Lust, einem interessanten Schauspiel beizuwohnen? Gestern Abend hat sich nämlich zum ersten male in größeren Mengen der Weißwurm gezeigt, und ich müßte mich sehr irren, wenn der Fang heute nicht ein recht reichlicher werden sollte. Obgleich wir absolut keine Ahnung hatten, welche der vielen Thier­spezien mit obigem Namen belegt wird, so erklärten wir uns doch gerne bereit, dem Fange beizuwohnen und einige Augenblicke darauf befanden wir uns unter der Führung unseres Wirthes unterwegs nach den Ufern

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der Elbe zu. Außerhalb der Stadt, stromaufwärts angelangt, erblickten wir dicht am Flusse eine ganze Reihe mächtig lodernder Feuer, um die immer mehrere Menschen geschäftig herumhantirten. Es war ein pracht­voller Anblick. Dicht neben uns die silbern blinkende Elbe, in deren Fluthen der Vollmond sein weißes Licht spiegelte, im Hintergrunde die dunklen bewaldeten Höhen, deren Konturen scharf gegen den sternüber­säeten Himmel abstachen; dazu die dunkelrothen qualmenden Feuer, um welche menschliche Wesen woboldartig herumhuschten, wahrlich es war ein fesselndes Schauspiel. Wir waren unterdeß bei dem ersten Feuer angelangt. Rund um dieses herum sahen wir weiße Leinwandtücher ausgebreitet. Myriaden weißer geflügelter Insekten umschwärmten die Flammen, und unzählige derselben fanden den Feuertod. Die herum­liegenden Leinentücher waren bereits einen Zoll hoch mit ihnen bedeckt und immer noch stürzten sich neue Schaaren, unwiderstehlich von dem hellen Scheine angezogen, in den leuchtenden Tod, und bedeckten herab­fallend ringsum den Boden. Es war, als ob wir im dichten Schnee­gestöber standen, und ganz nahe dem Feuer wagte man nicht zu athmen, da mit der eingeholten Luft die Insekten in Mund und Nase gelangten. Das war also der Weißwurm, von dem unser Wirth erzählt hatte, den wir jetzt als die Eintagsfliege, Hafte(( Ephe­meridae) erkannt hatten. Ganze Körbe voll wurden an diesem Abend gesammelt, und nach der Berechnung unseres Führers mußten die Leute ein gutes Geschäft gemacht haben, denn nach seiner Angabe wird für den Liter der getrockneten Insekten 50 Pfennige gezahlt; und gar mancher Liter wurde in den zwei Stunden des Fanges von 8-10 Uhr gesammelt. Die getrockneten Hafte dienen, mit Lehm zusammen­gefnetet, als Fischköder, hauptsächlich werden dieselben indeß benutzt, um gefangenen insektenfressenden Vögeln wie auch Fischen und Amphi­bien an Stelle von Ameiseneiern zur Nahrung zu dienen. Als wir uns auf den Heimweg begaben, zeigte unser Wirth uns noch ein hübsches Experiment; er zündete nämlich ein mitgebrachtes Lichtstümpen an und hielt es einen Augenblick ruhig hin. Obgleich die Hafte sich lange nicht mehr in dem Maße zeigten, wie vorher, so war doch noch die Schaar der sich in die Flammen stürzenden Insekten so groß, daß das Licht verlöschte. Unserm Wirth sprachen wir unsern Dank aus, daß er uns die Gelegenheit geboten hatte, dem Fang des Weißwurmes beizu wohnen. Die Hafte oder Eintagsfliegen sind Insekten von 10-12 Millimeter Länge; der schlanke walzenförmige Körper der mit 3 ebenso langen Schwanzborsten versehen ist, wird von zwei Paar verschieden großen gelblichweißen Flügeln getragen. Sie führen ihren Namen mit Recht, denn sie leben nur etwa 24 Stunden und das Wort des Dichters von Hunger und Liebe als des Lebens treibendes Motiv hat auf die Hafte nur zum Theil Anwendung. Während ihres kurzen Seins enthalten sie sich aller Nahrung die zum Beißen bestimmten Mundtheile sind ganz unentwickelt und Zweck des Lebens ist bei ihnen nur die Liebe, die Fortpflanzung. Die Eintagsfliegen entsteigen dem fließenden Wasser. Hierhinein streut das Weibchen ihre Eier, aus denen in nicht langer Zeit die Larven entstehen. Diese leben etwa ein Jahr lang im Wasser und im Uferland, in welchem sie sich kleine Höhlen hineinarbeiten und nähren sich räuberisch von allem, was die Wasserfauna geeignetes bietet. Mitte August und zwar meistens zur selben Zeit streift das Insekt die Fülle der Larve ab und verwandelt sich aus einem Bewohner des feuchten Elements in einen Bewohner der Luft. Große Massen indeß ertrinken bei diesem Wechsel und das Wasser ist häufig von ihren Leichen ganz weiß gefärbt. Das dem Wasser entstiegene Insekt ist mit einer feinen Haut bedeckt, welche es noch einmal abstreift, eine Erscheinung, wie man sie sonst nicht weiter in der an Arten so reichen Insektensippe beob­achtet hat. Sogar von den so dünnen Flügelchen löst sich bei dieser Methamorphose eine Haut ab. Die zurückbleibende bisherige Hülle des Insekts bleibt an dem Gegenstande, an welchem die Umwandlung geschah, haften und daher soll der Name des Insektes, Hafte, ent­standen sein. In Krain werden die Hafte gefangen und als Dünger benugt. An der Theiß nennt man sie Theißblüthe. Auch die Fischer an der Seine und Marne benutzen sie zum Fischföder und nennen sie Manna." Recht hübsch schildert ein Naturforscher eine Beobachtung von Haftschwärmen. von Haftschwärmen. Die Myriaden Hafte," erzählt er, welche die Luft über dem Strome des Flusses und auf dem Ufer, wo ich stand, anfüllten, können weder ausgesprochen, noch gedacht werden. Wenn der Schnee in den größten und dichtesten Flocken fällt, so ist die Luft nicht so voll von denselben, als sie hier von Haften war. Kaum stand ich einige Minuten auf einer Stufe, als die Stelle mit einer Schicht der­selben von 2-4 3oll in der Dicke bedeckt wurde. Neben der untersten Stufe war eine Wasserfläche von 5-6 Fuß nach allen Seiten hin gänz­lich und dicht von ihnen zugedeckt und was der Strom weg trieb, wurde unaufhörlich ersetzt. Mehreremale war ich gezwungen, meine Stelle zu verlassen, weil ich den Schauer von Haften nicht ertragen konnte, der, nicht so beständig in schiefer Richtung wie ein Regenschauer ein­fallend, immer und auf eine sehr unangenehme Weise von allen Seiten mir in das Gesicht schlug; Auger. Mund und Nase waren voll davon. Bei dieser Gelegenheit die Fackel zu tragen, war eben kein angenehmes Geschäft. Die Kleider des Mannes, der sie trug, waren in wenig Augenblicken von diesen Fliegen bedeckt, gleichsam überschneit. Gegen 10 Uhr war dieses interessante Schauspiel zu Ende. Einige Nächte darauf erneuerte es sich, allein die Fliegen zeigten sich nicht mehr in derselben Menge. Die Fischer nehmen nur drei aufeinander folgende Nächte für den Fall des Manna" an, doch erscheinen einzelne Fliegen sowohl vor als nach denselben. Wie immer auch die Temperatur

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