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der Atmosphäre beschaffen sein möge, kalt oder heiß, diese Thiere schwärmen unveränderlich um dieselbe Stunde des Abends, das heißt zwischen ein viertel und ein halb nach acht Uhr; gegen neun Uhr beginnen sie die Luft zu erfüllen, in der folgenden halben Stunde ist ihre Anzahl am größten, und um zehn Uhr sind kaum einige mehr zu sehen, so daß in weniger als zwei Stunden dieses ungeheure Fliegen meer aus dem Flusse, der sie zur Welt bringt, hervorgeht, die Luft erfüllt, sein bestimmtes Werk verrichtet und verschwindet. Eine große Anzahl fällt ins Wasser, den Fischen zum reichlichen Male, den Fischern zum glücklichen Fange." Hervorgehoben muß noch werden, daß die Zahl der Männchen der Hafte eine bei weitem größere ist, als die der Weibchen. Die wenigen Lebensstunden, welche diesen Thieren von der Natur gegeben, vergehen denselben in Lust und Freude. Unbekannt mit dem Triebe nach Nahrung, bleibt ihnen gleichfalls der Kampf zur Erwerbung der Nahrungsmittel fremd. Trunken vor Wonne sieht man sie die wenigen Stunden zwischen Werden und Vergehen dahinleben. Ein Bild des Glücks, wie es von wenigen Erscheinungen der Lebewesen gezeigt wird. H. Schl.
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Gräberstadt in Golkonda.( Schluß.) Burton bedauert, daß von diesen Gemächern noch keine Photographien abgenommen sind. Treppen, die kaum zu begehen sind, führen hinab zu den Gräbern in einer aus Gewölben aufgebauten, mit Nischen versehenen Gruft. Unter dunklem, schwerem Grünstein ruht die Leiche. Der Grabdeckel ist länglich und aus sechs oder acht sich verjüngenden Platten zusammengesetzt; der oberste Stein ist bald flach, bald gewölbt; auf seinen Seiten sind Inschriften in Naskh- oder Nastalik altkoranischen Schriftzügen eingemeißelt. Die Absätze der Grabdeckel sind mit Thierklauen und Urnen vielfach verziert, aber diese Verzierungen auch vielfach beschädigt. Wo einst meilenweit und breit nur der Schrei eines Raubvogels oder das Geheul der Schakals die Gräberstille unterbrach, pfeift jezt die Lokomotive auf den länderverbindenden Schienen. Die Eisenbahn zieht am Fuße des Hügels, auf welchem Golkonda erbaut ist, nördlich weiter über Sikandarabad nach Trimalgadi und Trimulgherry, lauter Zwingburgen, von denen aus das britische Krämervolk die alten Blutsauger Indiens mit der eisernen Elle im Zaume hält. Die englische Eroberung, welche dem indischen Volke nicht viel Rechte einräumt, aber auch nicht viel Pflichten aufbürdet, ist erträglicher, wie ihre Vorgängerinnen, was freilich in dem jochgewohnten Indien blutwenig bejagen will. Die Regierungsweise der Engländer hat aber in der Weltgeschichte nicht ihresgleichen, weil sie uns zum ersten male den Beweis liefert, daß eine handvoll freier Männer hundert millionen stumpfer Sklaven im Baume zu halten vermag. Leider haben auch die Engländer, wie wir schon eingangs erwähnten, den Weichselzopf des Kastengeistes nur halb abgeschnitten, indem sie neben ihrer Verwaltung den sehr kostspieligen Hofstaat der eingebornen Fürsten bestehen ließen. Nur auf diese Weise ist es möglich, daß der Kaiser von Delhi , der Nizam von Haidarabad, der Gaikowar von Baroda , die Emire von Nepal , Buthan , Dekhan, und wie sonst noch der Rattenkönig von indischen Landesvätern heißt, Pensionäre von England sind und außerdem noch auf eigne Faust dem armen Volke Steuern auferlegen, um ihrem Sport- und Haremsvergnügen zu fröhnen, sodaß troß des wunderbar ergiebigen Bodens alle Jahre in einem andern Theile Indiens die Hungersnoth wüthet, der hunderttausende von Menschenleben zum Opfer fallen. Wir haben den Lesern der ,, N. W." voriges Jahr und vor zwei Jahren diese Katastrophe geschildert und die Zahl der Verhungerten nach offiziellen Quellen des Parlamentes zu London auf über eine Million angegeben. Hoffen wir, daß der Reis, die ausschließliche Nahrung von zwei Dritttheilen der Ostindier, dieses Jahr so reichlich gerathen wird, daß er uns dieser traurigen Berichterstattung überhebt. Währenddem wir dieses schreiben, telegraphirt man von Indien nach London : Der Monsoon bricht aus". Diese lakonische Depesche verkündet ein Ereigniß, welches zu den nüßlichsten Naturerscheinungen der Welt des Ostens gezählt werden muß, denn was das Steigen des Nils für Aegypten, das bedeutet das erneuerte Wehen des Sommermonsoons für die indische Küste von Golkonda bis Kap Coromandel. Wie der Nil manchmal nicht den Normalzustand der Ueberschwemmung erreicht, so enttäuscht auch oft der große Wolkensammler, genannt der Indische Ozean , die ängstlich harrende Bevölkerung der Halbinseln und begnügt sich mit geringen Gaben wohlthätig strömen den Regens. Für dieses Jahr ist es jedenfalls ein gutes Omen, daß die seegebornen Wasserdämpfe sich dicht und frühzeitig ansammeln und mit einer gewaltigen Erschütterung der Atmosphäre beginnen. Heutzutage ist ja dieses alljährlich eintretende Phänomen nicht mehr ein Mysterium, wie in der Vorzeit, als Sindbad der Seefahrer die arabischen Gewässer durchabenteuerte, oder als der Grieche Hippalus kühn
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lich seine Segel dem wunderbaren Winde darbot, welcher ihn so stetig nach Muzeri, dem Hafen aller Gewürze, führte. Der Südwestmonsoon ist jetzt in seinen Ursachen und Wirkungen ebenso genau von der Wissenschaft erkannt, als die Luftschwingungen, welche eine Kirchenglocke in Bewegung sezen. Wenn die äquatorialen Gegenden der Erde mit Wasser bedeckt wären, behauptet Dove in seiner Windtheorie- so würden die Passatwinde beständig rings rund um den Erdgürtel wehen, dem Laufe der Sonne vom Dezember bis Juni nach Norden und vom Juni bis Dezember nach Süden folgend. Aber die heißen Monate April und Mai erhigen die Landoberfläche von Südasien derart, daß die darüber schwebende Atmosphäre sich ausdehnt und in die Höhe steigt. Dann weht die kältere Luft vom Indischen Ozean herbei, um den leer gewordenen Raum auszufüllen; nördlich vom Aequator gibt die Drehung der Erde diesem Windstrom eine westliche Ablenkung, und das Resultat ist ein langer und stetig wehender Luftstrom, welcher, mit den Wolken beladen, die aus dem weiten arabischen Meere hervordampfen, diese Massenwasserträger gegen die westlichen Landschaften Indiens hintreibt, wo dieselben gewöhnlich Anfangs Juli den Himmel weit und breit mit dichtem Gewölkschleier verhüllen. Der auf dem Himalaya schmelzende Schnee, welcher in regelmäßigen Perioden die Kanäle des Ganges und Brahmaputra füllt, vervollständigt die Wasserzufuhr für den indischen Kontinent, welcher, wie die Sahara , eine öde Wüste sein würde, wären nicht die Wasserbehälter der Gebirge und der so wohlthätige Monsoon, mit dessen Hülfe das Land von dem Meere aus bewässert wird. Diesem Gesandten des Indra , wie er in den uralten Vedas genannt wird, verdankt auch die Gräberstadt Golkonda ihre üppige Vegetation. Dr. M. T.
Aus allen Winkeln der Zeitliteratur. Französische Hühnerzucht. Wie ,, Der Geflügelzüchter und Hühnerfreund"( Frankfurt a/ M. W. Mössinger) mittheilt, gibt es gegenwärtig in Frankreich 40 millionen Hühner, von denen in einem Jahr 100 Millionen Nachkommenschaft gezogen und von diesen 10 millionen zur anderen Zucht ausgewählt werden. Jene ursprünglichen 10 millionen Hühner legen 4 milliarden Eier im Jahr, von denen jedes mit durchschnittlich 6 Cents bezahlt wird, so daß aus der Eierproduktion ein Jahresgewinn von 240 millionen Francs( 192 millionen Mark) erwächst. Aus dem Verkaufe von jungen und alten Hühnern erzielen die französischen Landwirthe mehr als 300 millionen Francs, folglich übersteigt der Jahresbetrag der französischen Hühnerzucht weit die Summe einer halben milliarde. Von der Bedeutung dieser Zahl macht man sich erst einen richtigen Begriff, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die Zucht des übrigen Geflügels, der Enten, Gänse, Truthühner, Fasanen u. s. w. hier nicht mit in Betracht gezogen ist.
XZ.
Was eine richtige Ernährung bedeutet, zeigt folgende Mittheilung, welche ich einem Artikel der von Prof. Reclam redigirten Gesundheit" entnahm. Der Direktor der Frrenanstalt zu Uckermünde, Herr Dr. v. Gellhorn, hat nach den von Prof. Voit in München aufgestellten Grundsäßen eine Beköstigungsweise in seiner Anstalt eingeführt, wonach die männlichen Kranken zweiter Klasse täglich 12,4 Gramm Eiweißstoffe, 71 Fette und 475,3 Kohlenhydrate enthalte. Dabei hat Herr v. Gellhorn ganz besonders Rücksicht genommen auf den meist völlig nichtgeachteten Vortheil, welche möglichst reichhaltige Abwechslung der Hauptgerichte für die Gesundheit der sie genießenden Leute darbieten. Er läßt überhaupt an Mittagsmahlzeiten nicht weniger als 36 Gerichte beständig miteinander abwechseln. Auf jedes Mittagsmahl entfallen 56,8 Gr. Eiweißstoffe, 32,2 Fette und 163 Kohlenhydrate. Das Abendessen weist neben 200 Gramm Brod und 12,5 Gr. Butter, 14 abwechselnde Gerichte auf, welche 31,7 Eiweißstoffe, 27,4 Fette und 147,8 Kohlenhybrate enthalten. So ausreichend diese Verpflegung ist, so üppig- möchte man beinahe sagen sie erscheint, kostet sie doch pro Tag und Mann im großen und ganzen nur 67,5 Pfennig und 60 Pfennige für die Frau. Die Folgen dieser vernunftgemäßen" Nährweise ließen nicht auf sich warten. Zunächst sank die Sterblichkeit von 8,6 Proz. 1876 auf 7,7 1877, 5,4 1878 und 79. Durch Ausscheidung der unrettbaren Todeskandidaten im Irrenhause, hauptsächlich der Gelähmten, gelangte man zu der Einsicht, daß in den erwähnten Jahren die Zahl der Gestorbenen um die Hälfte gesunken ist, nämlich von 6,4 Proz. auf genau 3 Proz. Auch auf die Heilung des Jrrsinns hatte die wissenschaftlich richtige Ernährung einen auffallend günstigen Einfluß; zwar wurde nicht eine größere Zahl Jrrsinniger geheilt, als zuvor, wohl aber erfolgte die Heilung im Durchschnitt rascher als vorher. Und nun denke man sich die wissenschaftlich richtige Ernährung ausgedehnt von dem Frrsinnigen auf die Gesunden alle welch' eine Beute würde da nicht dem Tode alljährlich abgejagt werden können.
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Inhalt. Idealisten, von studolf Lavant ( Fortseßung).- Ueber die Lösung eines zweihundertjährigen physikalischen Problems, von Rothberg- Lindener( Fortsetzung). Irrfahrten, von Ludw. Rosenberg( Fortsetzung). Dem Schicksal abgerungen, Novelle von Rudolph von B......( Fortseßung). Das Rathhaus der prager Judenstadt( mit Illustration). Weißwurmfang an der Elbe ( mit Illustration). Gräberstadt in Golkonda ( Schluß). Aus allen Winkeln der Zeitliteratur.
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