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wieder schnürt mir in solcher Situation der Gedanke an die Zufunft, dieser schrecklichste aller Gedanken, die Kehle zu und ich athme hinterdrein, wenn ich allein bin, wieder froh auf, daß ich die Glut meiner Empfindungen zum Wohle von uns beiden durch ruhige Ueberlegung zurückgehalten habe. Aber durch dieses vorige Wollen und Nichtwollen gerathe ich fortwährend in eine peinigende Stimmung und ich kann mir nicht anders helfen, als daß ich mir zurufe: Laß die Kugel ruhig rollen, laß sie rollen!"- In einer spießbürgerlichen Existenz gehe ich zu Grunde. Ich habe kein Zeug in mir, die vielen schlüpfrigen Gäßchen und Wege zu passiren und an jeder kleinen Straßenbiegung vor Dummköpfen Reverenz zu machen wie ein Lakai; zu betteln, wo ich das Recht habe, zu fordern; nein, ich kann mich nicht in einen jener modernen Schraubstöcke einzwängen, in denen der letzte Rest von Ehrbarkeit und Mannesmuth ausgequetscht wird. Und eine Eristenz zu finden, in der alles gewährleistet ist, bis jetzt habe ich noch keine finden können, so eifrig ich mich auch darum bemühe. Und gibt es solche wirklich, wenn man nicht von Geburt aus die Mittel besitzt, sich sein Bett nach Belieben zu bereiten?- Vor allem und nach allem: Resignation und ein weises Sichbescheiden in die Natur der Dinge, aber nicht jenes Sichbescheiden, das mit der Verzichtleistung auf die Genüsse des Lebens das Recht der Reichen befürwortet, sondern das, welches dem Menschen zur Pflicht macht, unablässig zu kämpfen für die höchsten Güter des Lebens, damit einst die nachkommenden Geschlechter in Ehren sich ihrer Ahnen erinnern und in dem Genusse eroberter Freiheit die Einsicht erhalten, daß sie nach größerer Freiheit streben müssen! Und so will auch ich kämpfen mit der Ergebung eines Weisen und dem Muth eines Kriegers, daß ich am Lebensabend die Augen schließen fann mit dem Bewußtsein im Herzen:„ Du thatest deine Pflicht und von dem Pfade des Rechts bist du nie abgewichen!"
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Laß die Kugel rollen, laß sie rollen!- Laß die Kugel rollen, laß sie rollen! Ich trage ein Element in mir von dem alten Magier Faustus, von dem grübelnden Geiste eines Hamlet, von dem klagenden Geist eines Manfred. Sie ziehen an meinem Auge vorüber Hand in Hand, ihre Blicke auf mich herabsendend, mein Inneres erfassend und durchwühlend und mir zurufend: Auf und folge uns! Hange nicht an der Lust eines Augenblicks. Es gibt etwas, das die Seele feierlicher und friedlicher stimmt, das die Brust wonniger durchschauert, als die Liebe eines sterblichen Weibes! Zwar glücklich ist, der ein liebend Weib sein eigen nennt, doch glücklicher ist, der sein Haupt an die Brust der Weisheit lehnt und in ihren Armen, gefeit gegen Bosheit und Thorheit, seine Seele der Mutter Natur überliefert!- Wähle!" So sprechen die Geister in mir, aber mein Herz krampft und klammert sich noch an der Sehnsucht nach dem Besitz und ich kann es nicht fassen, verzichten zu müssen und zu entsagen mit jugendlichen Gefühlen, mitten in der Blüthezeit des Lebens! Ich kann es nicht!-
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Freimann hat von einem verstorbenen Onkel ein kleines Vermögen geerbt, hinreichend, um mit den Zinsen seine Lebensbedürfe und noch manches andere darüber zu bestreiten. Als er mir in frohester Laune diese Mittheilung machte, stieg ein Gefühl des Neides in mir auf des Neides in mir auf und ich konnte weiter nichts sagen, als:„, du Glücklicher!" Ich dachte an Elisabeth und an all' die verborgenen, vielleicht auch begrabenen Wünsche und Gedanken in unseren Herzen und der Freund konnte es nicht begreifen, wie wenig ich Antheil an seiner glücklich veränderten Lebensstellung nehme!- ,, Nun ist auch dir geholfen," rief er, nun brauchst du nicht zu fürchten, einmal in einem Spital unter fremden Menschen zu enden, und du kannst rechnen auf mich wie ein- preußischer Steuerempfänger!" ich dankte dem lieben Freund und gönnte ihm von Herzen das Glück, nun frei sich bewegen, ungestört arbeiten und denken zu können.( Fortsetzung folgt.
Dem Schicksal abgerungen.
Novelle von Rudolph von B...... ( Fortseßung.)
Nachdem es den Männern im Boote gelungen war, dieses in seiner vollen Breite an die Hausfront anzulegen, entstand Streit unter den fünf Verunglückten darum, wer zuerst in das rettende Fahrzeug hinein solle. Die Kinder schrieen, Vater und Mutter müßten erst im Kahne sein, die Eltern aber drängten und schoben die Kinder den Rettern in die Hände. Friz Lauter und der Arzt waren mit einem Beine auf den Kahnbord gekniet und nahmen die Kleinen in Empfang. Das älteste der Kinder, ein Mädchen von fünf Jahren, sträubte sich am wenigsten, es schaute nur in angstvoller Spannung auf die Geschwister und auf die Eltern, ob die ja auch ohne Unfall nachgeholt würden. Das zweite, ein siebenjähriger Bursche, auf dessen derbem Gesicht angeborne Keckheit und Trotz mit Furcht und Hoffnung einen merkwürdigen Kampf aufführten, klammerte sich fest an den Rock der Mutter und schrie, er wolle nicht loslassen, lieber sterben als loslassen von der Mutter; aber es half ihm alles Sträuben nichts- der Vater löste gewaltsam die Hände des das Tosen des Unwetters überschreienden Burschen von dem Rocke der Frau und warf den sich in seiner Angst wie toll Geberdenden mehr in die Arme des Arztes, als daß er ihn hineinlegte.
Das dritte Kind, ein schwächliches Mädchen mit so zartem Gesicht, daß man sich fragen konnte, wie es in die Familie des armen Webers hineingekommen war, sorgte noch um ein anderes Wesen, als die Eltern. In seinen Armen hielt es krampfhaft fest einen mit zerschlissenem Tuche bedeckten kleinen Vogelkäfig. ,, Er darf doch mit? Er darf doch mit?" schrie es in jammernder Besorgniß. Ich will ins Wasser, wenn ihr ihn nicht mitnehmt, den Maz, den kleinen, lieben Maß
,, Wir nehmen ihn mit, den Maß," rief Fritz Lauter dem armen fünfjährigen Dinge zu, halt dich nur fest an, da, meine Hand!" Er zog die Kleine näher an sich heran, und da er versprochen hatte, das Mäßchen mit zu retten, legte das Kind vertrauensvoll sein eines Aermchen um des jungen Mannes Hals und ließ sich hinüberheben ins Boot.
Die Eltern folgten rasch nach; sie freilich konnten nicht gehoben werden, sie mußten wenigstens mit einem Fuße ziemlich tief ins Wasser hinein, um selber ins Boot steigen zu können.
Aber weder der Mann noch die Frau schreckten davor zurück sie beeilten sich vielmehr so sehr, als es nur immer anging Sie wußten, wie die Hütte in ihren Grandfesten erschüttert und unterwühlt war, also, daß sie jeden Augenblick zusammenstürzen konnte, darum nur fort, so schnell als möglich fort von der Stätte stundenlanger furchtbarer Todesangst
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Mit kräftigen Ruderschlägen stach das Boot wieder hinaus in das wogende Meer der Ueberfluthungswasser. Fritz Lauter und der Arzt öffneten die Feldflaschen, mit denen jeder Theilnehmer der im Kloster Althaus ausgerüsteten Expedition auf Anordnung des Direktors von Steinach ausgestattet war, und nöthigten die Weberfamilie, die immer noch bebenden Lippen zu netzen. Der Mann, die Frau und das älteste Mädchen nahmen einen tiefen Schluck, die kleinen, obgleich ihre Glieder ebenso vor Frost, als infolge des kaum überstandenen Schreckens klapperten, wagten kaum zu nippen. Alle aber fühlten sich gestärkt durch die wenigen Tropfen des für die Begriffe dieser armen Menschen so überaus kostbaren Getränks über das vergrämte Gesicht des frühgealterten Mannes legte es sich gar wie ein Schimmer des Glücks Hoffnung , die ewig- junge, wohlthätig- trügerische Trösterin mochte wieder ihm in die Brust einziehen. Stimme klang ziemlich fest, als er auf die Fragen Fritz Lauters, wo wohl noch am ehesten Rettung möglich und nöthig, und ob er meine, daß der Ueberschwemmung in Unterwaltersdorf schon Menschenleben zum Opfer gefallen seien, antwortete:
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Seine
,, Das letzte kann ich nun freilich nicht sagen. Möglich ist's schon schon wären Sie eine halbe Stunde später gekommen, dann hätten Sie uns fünf auch nicht mehr lebendig gefunden. Freilich ist meine Hütte eine der schlechtesten im Dorfe und liegt auch wohl am allertiefsten drinn grade hier, wo die Perle so nah am Dorf vorbeigeht; aber dort nach der bergendorfer Straße zu gibt's auch noch Häuser, die nicht um zwei Fuß höher und nicht für einen Pfennig besser sind als meins, und darüber schoß das Wasser förmlich, als es vorhin ankam in so erschrecklichen Massen Es strengte den Mann doch das Sprechen an, er mußte Athem schöpfen. Ohne ein Kommando abzuwarten, hatten die Ruderer
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