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Trotz der Morgenkühle traten dicke Schweißtropfen auf seine rothe Stirn, aber das Werk gelang. Der Kahn bewegte sich vorwärts, und als er erst zu zwei Dritttheilen auf dem Wasser war, dedurfte es blos noch eines kräftigen Ruckes, um ihn flott zu machen.
Herr Hampel wischte sich mit einem kolossalen rothgeblümten Taschentuche den Schweiß von der Stirn und schaute sich um, wohin der Strom des Wassers ginge. Dann gab er dem Kahn nach der wahrgenommenen Richtung hin noch einen Stoß mit aller Kraft seiner Arme, und hatte das Vergnügen, zu sehen, wie derselbe sich ziemlich rasch und in stetig fortschreitender Bewegung von der Uferstelle des so plößlich entstandenen Sees, wo er sich eben befand, mitten in die Wasserwüste hinein, entfernte.
" Bravo , Hampel," belobte sich der dunkle Ehrenmann selbst. „ Das hast du gut gemacht. Demi Kollegen Lauter hast mit zwei Minuten Arbeiten wahrscheinlich einen ganzen Tag lang Mühe erspart. Und nun wollen wir sehen, ob wir dem liebenswürdigen Herrn nicht noch die angenehme Bekanntschaft meiner hochberger Freunde verschaffen können. Insbesondere dürft' es sich der gute, lange Joseph zur riesigen Ehre schätzen hä, hädas wird ein Hauptspaß werden
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Herr Hampel rieb sich die Hände und setzte sich in einen gelinden Hundetrab, seinen Weg auf Unterwaltersdorf zu nehmend.
Frizz Lauter war währenddem zum Ruheort seiner Gefährten zurückgelangt und hatte dieselben im Begriffe gefunden, sich zu erheben. Nachdem sie alle, so gut es eben gehen wollte, ihre Kleider in Ordnung gebracht und sich zu neuer Ausfahrt und Arbeit zurecht gemacht hatten, schauten sie nach Klinke aus, dessen Einfall, für sie alle irgend eine Art Frühstück zu verschaffen,
Bäume, die in den Himmel wachsen wollten. Ein zeitgemäß' Wörtlein in der Blüthenepoche des Größenwahns. Von Theodor Probisch. ( Schluß.)
Betrachten wir nun einen zweiten Baum im Walde der deutschen Literatur, welcher auch in den Himmel wachsen will.
Wenn Xenophon sagt: Ehrliebende Gemüther werden durch Lob geschärft; es hungert einige Seelen nach Lob, gerade wie andere nach Speise und Trant," so ist an der Wahrheit dieser Worte nicht zu zwei felt. Nur darf der Hunger nach Lob nicht zur Gier werden, wo die Fütterung nicht wie in Menagerien Abends um sechs Uhr, sondern zu jeder Zeit stattfindet.
Berthold Auerbach ! Auch du, mein Brutus?" Ja, der;, Gevattersmann", der Verfasser der Schwarzwälder Dorfgeschichten, der seine literarische Laufbahn mit den Romanen ,, Spinoza " und Dichter und Raufmann" begann, Werke, welche von der philosophischen Durchbildung seines Geistes zeugen. Zwei Romane, worinnen man neben philosophischen Ansprüchen über die höchsten Interessen der Menschheit treffliche Schilderungen und ergreifende Situationen findet.
Leider ist Bescheidenheit auch bei ihm ein weißer Rabe. Wäre jeder Mensch so zufrieden mit seinem Schicksal, wie Herr Berthold Auerbach mit seinen literarischen Arbeiten, die Welt wäre mm 1200 millionen glücklicher Fipse reicher.
Aus seinem Selbstgefälligkeits- Gummi elasticum fkönnte er einen Erdgürtel für die Weltausstellung machen, und wenn er sich nach seinem eingebildeten Werth selbst abschäßen soute, würden die bekannten fünf Milliarden unbedingt noch einmal herhalten müssen.
Schon Blumenthal theilt uns in seinen humoristischen Schriften einige Strullen von ihm mit. So gibt der Selbstgefällige z. B. kleinern Kirbern, mit denen er sich zu Berlin im Thiergarten freundlich mutexjulten, die Mahnung auf den Weg: ,, Sagt daheim den Eltern, Berthold Auerbach habe mit euch gesprochen!"
Dem kleinen Vizlipuzli eines seiner Freunde, den er bei seinem Besuch nicht antraf, ertheilte er die Weisung: ,, Sage deinem Vater, der Dichter des, Barfüßele sei dagewesen!"
Einen ungleich größern Bug machte er einmal auf dem Schachbrette seines Dünkels, als er sich auf einer Reise nach Gießen befand, wo unterwegs zufällig sich der Banquier Kaskel aus Dresden im Eisenbahnwaggon zu ihm gesellte.
Beide kannten sich. Als sie im Bahnhof zu Gießen ankamen, bemerkten sie mehrere Studenten, welche sich um einen großen runden Tisch gruppirt hatten und Bier tranken.
Bassen Sie auf," sagt Auerbach zu Kaskel ,,, wie die Burschen dort aufspringen werden, wenn sie mich erblicken!"
Allen sichtbar, stellt er sich mit verschränkten Armen in ihre Nähe und mit Spannung erwartet sein Reisegenosse den großen Moment, wo der Huldigungsakt von Seiten der gießener Studenten vor sich gehen soll.
allgemeine Anerkennung fand. Bald meldete ein anderer der Wärter, Klinke käme und brächte offenbar einen ganzen Arm voll Fourage mit.
Er hatte es augenscheinlich recht eilig gehabt, der Klinke. Im Laufschritt kam er an und mußte erst ein wenig verschnaufen, ehe er reden konnte, so sehr hatte er sich angestrengt. Inzwischen hatten die andern seine Beute untersucht.
In einer großen, forbumgebenen Flasche brachte er vier oder fünf Liter starken Kornschnapses und in einem Handkorbe hatte er ein halbes Dußend großer Käse, ferner ein paar mächtige Würste und zwei große Leibe Brot.
Zunächst erquickte sich jeder mit einem Schnapse; die Wärter nahmen sich garnicht Zeit, die Trinkbecher an ihren Feldflaschen zu füllen, sondern tranken gleich aus der großen Flasche. Friz Lauter und der Arzt gossen sich einen Schluck in die Becher und griffen dann gleich den andern nach Käse und Brot.
In einer Viertelstunde, meine ich, können wir aufbrechen. Bis dahin kann sich jeder hinlänglich gestärkt haben," sagte Doktor Wendelin. Je eher wir mit dem Inspektor und seiner Kolonne an der Fabrik zusammentreffen, desto besser." " So schnell soll's gehen?" fragte Klinke. Warum nicht?"
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„ Na, mir ist's schon recht, ich traf aber in der Nähe von Unterwaltersdorf einen Herrn, der mir sagte, er wäre ein Freund und Kollege von unserm Herrn Lauter und wollte hier mit noch ein paar Leuten sich uns anschließen; er hätte auch gestern den ganzen Tag gerettet, und wenn wir höchstens' ne Stunde warten wollten, wär' er hier."
„ Wer ist denn das?" fragte der Arzt. ( Fortsetzung folgt.)
Welche Täuschung. Nicht einer der Musensöhne rührt sich; nicht einer naht sich dem Gevattersmann", um sein Haupt zu entblößen, wie man es erwartet.
Da beschließt der Dichter des ,, Varfüßele" einen Trumpf auszuspielen, einen Schlag zu machen, der sofort Del geben soll.
Mit imperatorischer Hoheit tritt er in den Kreis der Akademiker und sagt:„ Ich bin Berthold Auerbach !"
,, Auerbach ?" Einige der Musensöhne blinzeln mit den Augen, suchen in den Ecken ihres Gedächtnißkastens und wissen sich diese Ueberrumpelung nicht zu deuten. Entweder war ihnen der Mann wirklich fremd oder sie waren verdußt über die Worte, welche gleichsam eine Aufforderung zu einer sofortigen Respekterweisung waren.
Das ging ihm doch über die Puppen, wie man so zu sagen pflegt. Sein Gemüth erhitzte sich, als wenn es mit Kellerhals und spanischem Pfeffer traktirt worden wäre.
Er wendete sich zu seinem Begleiter, murmelte zu seiner Rechtfertigung etwas von ,, dummen Kerlen" und ging mit ihm des Weges weiter.
Jedenfalls wollte er noch einen Widerschein von dem Triumphzug haben, den er einst durch die Gauen Deutschlands vollbracht, als viele für seine Dorfgeschichten schwärmten und ganz Ohr waren, wenn er eine derselben in geweihtem Kreise vorzulesen sich gemüßigt fand. Welche Schwäche von einem sonst so gescheidten Kopf!
Wir könnten noch ähnliche Geschichtchen von Schriftstellern und Dichtern mittheilen, wenn sie das straffe Seil ihrer Selbsterhebung betraten, um darauf ihre Sprünge zu machen, und sich von der Hand der Eitelkeit ihre Sohlen mit doppelter Kreide einschmieren ließen.
Es stehen aber noch ein paar Schauspieler im Hintergrunde, welche wir aus der großen Masse der Selbstlinge auswählen wollen. Voran Moritz Rott , der einst gefeierte Mime an der berliner Hofbühne.
Als er noch am leipziger Stadttheater engagirt war und in der Fleischergasse beim Böttchermeister Förster wohnte, zürnte er oft über das Publikum, namentlich über das akademische Parterre, wenn ihm nach der Darstellung einer großen Rolle nicht genug Applaus und Hervorruf gespendet worden war.
In solchen Momenten mußte ihm seine erste Gattin Ersatz bieten, wie ich dies aus bester Quelle und theils als Augenzeuge erfahren habe. So hatte er an einem heißen Sommertag den König Lear gespielt, das Haus war nur mittelmäßig besetzt und die Garben des Beifalls waren ihm nicht mit vollem Sichelschlag zu theil geworden.
Mißmuthig hatte nicht nur er, sondern dies auch seine Gattin bemerkt. Lettere eilt nach dem Fallen des Vorhanges sofort nach Hause, um das nachzuholen, was das undankbare Publikum versäumt hatte.
Auf den gedeckten, zum Abendessen bereit gehaltenen Tisch setzt sie zwei silberne Ärmleuchter mit vier angezündeten Wachskerzen und erwartet den großen Verkannten, der ja gleich kommen muß.
Die Hausthür öffnet sich; Tragödienschritt, er ist's. Mit dem Leuchter in der linken und einem frischen Lorbeerkranz in der rechten Hand, eilt ihm die Gattin entgegen. Worte der Tröstung entquellen ihren Lippen. ,, Großer Meister, unsterblicher Künstler, wie hat man