nächsten Nachfolgern und den wissenschaftlichen Thaten unseres Jahr­hunderts weit übertroffen worden, und die Frage hat jest sogar für die, welche das psychische Wesen des Menschen nie anders als in Ver­bindung mit dem physischen zu betrachten sich gewöhnt haben, völlig befriedigende Lösung gefunden. Der Hauptwerth auch des Phädon" liegt wieder in der Klarheit und Schönheit des Ausdrucks, dem der Verfasser seinen erhabenen und erhebenden Gedanken gibt, in der meister­haften Art, wie er selbst das schwierigste Thema für das Verständniß nicht philosophisch gebildeter Leser ansprechend und anregend zu behan­deln weiß, ein seltenes Vermögen, das Kant in dem Ausspruch wür digte: Es ist nur ein Mendelssohn." Diesen Vorzügen wird es das Werk verdanken, wenn es, gleich dem Phädon" des hellenischen Philosophen, gelesen und bewundert werden wird, so lange die Menschen­natur in ihrer Endlichkeit in eine räthselhafte, dunkele Zukunft, die angeblich für jedes Individuum jenseits des Grabes liegt, hinausfragt und hinausforscht und sich in einen Himmel voller Glück und gemein­schaftlicher Seligkeit, den sie im irdischen Leben nicht finden zu können meint, hinüberträumt....

Einen großen Theil seiner Zeit widmete Mendelssohn   auch dem Briefwechsel mit den namhaftesten Gelehrten, die damals lebten( seit 1766 auch mit Immanuel Kant  ), und den wissenschaftlichen Unterhaltungen mit geiftvollen Männern, die sich in seiner bescheidenen Wohnung in der Spandauerstraße zusammenfanden. Unter diesen Männern nahm natürlich Lessing   die erste Stelle ein; als merkwürdigste Persönlichkeit aber gesellte sich zu ihnen Johann Kaspar Lavater  , der im Jahre 1763 als junger Theologe von Zürich   nach Berlin   reiste, um die dortige gelehrte Welt kennen zu lernen und neue Nahrung für seinen lebhaften, dem Mystischen und Wunderbaren zugeneigten Geist zu suchen. Bei einem einfachen Mahle oder bei einer Schachpartie entfaltete dann Mendelssohn   im Gespräch wie spielend den ganzen Reichthum seines Geistes und Gemüths, und nichts war natürlicher, als daß der schwär­merische Lavater bald enthusiastische Bewunderung für den jüdischen Weisen mit den tiefen, dunklen Augen und der hochgewölbten, leuchten den Stirn empfand. Den Juden Moses  , den Verfasser der philosophi­schen Briefe über die Empfindungen,"- schreibt er einem Bekannten in Zürich   fanden wir in seinem Komptoir mit Seide beschäftigt. Eine leutselige, leuchtende Seele im durchdringendem Auge und einer äsopischen Hülle; schnell in der Aussprache, doch plößlich durch ein Band der Natur im Lauf gehemmt. Ein Mann von scharfen Einsichten, feinem Geschmack und ausgebreiteter Wissenschaft. Ein großer Ver­ehrer denkender Genies und selbst ein metaphysischer Kopf; ein un­parteiischer Beurtheiler der Werke des Geistes und Geschmacks; vertrau­lich und offenherzig im Umgange, bescheidener in seinen Reden als in seinen Schriften und beim Lobe unverändert, ungezwungen in seinen Geberden, entfernt von ruhmbegierigen Kunstgriffen niederträchtiger Seelen, freigebig, dienstfertig; ein Bruder seiner Brüder, der Juden, gefällig und ehrerbietig gegen sie, auch von ihnen geehrt und ge­liebt." ( Schluß folgt.)

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Antilopenjagd mit Leoparden.  ( Bild Seite 593.) Die span nende Szene unserer Abbildung führt uns in den ostindischen Bezirk Gudscherat der Präsidentschaft Bombay   und zwar in die prächtigen Haine am Viswamintri, in welch' letzteren der Guicowar von Baroda  , ein Vasallenfürst der Engländer, die friedlich grasenden Antilopen von gehezten Leoparden erwürgen läßt, ein grausames Vergnügen, welches zu den unumgänglichen Zerstreuungen der orientalischen Fürsten gehört. Der deutsche Ostindienforscher Schaumburg  , auf unserem Bilde der Reiter mit dem Korkhelm, dessen Aufzeichnungen wir bei Abfassung der vorliegenden Skizze folgen, berichtet gradezu Erstaunliches über die Pracht und sinnlose Verschwendung, die selbst bei den allergewöhnlichsten Jagdausflügen entfaltet wird. Wir fuhren, erzählt er, von der an­sehnlichen Handelsstadt Baroda  , deren 150 000 Einwohner sich zur Hälfte mit Baumwoll- und Seidenspinnereien und Webereien beschäf­tigen, mit einem Extrazuge nach Ahmedabad  . Hier erwarteten den Guicowar so auffallend schöne Pferde, wie ich sie nicht einmal in Ara­ bien   gesehen hatte. Als sich die Kavalkade in Bewegung gesetzt hatte, äußerte ich zu dem neben mir reitenden englischen Residenten mein Er­staunen darüber, daß keiner der Theilnehmer an der geplanten Jagd bewaffnet war. Er wies auf zwei von je vier Männern getragene Palatins, worin die Leoparden aufbewahrt waren, die man zur Anti­Topenheße abgerichtet hat und bemerkte zugleich, daß unbewaffnete Men­schen sich bis in die unmittelbare Nähe der grasenden Antilopen wagen können, ohne selbe zu verscheuchen, nur müssen sie mit den Palaktins unter dem Winde" bleiben, denn wittern die Antilopen den Leopard, so ergreifen sie früher die Flucht, bevor sie umstellt sind. Eine Schil­derung der Antilopenfamilie hat die ,, N. W." im verflossenen Jahre in dem Artikel ,, Nilgauantilopen" gebracht. Der Leopard gehört zur Raubthiergruppe aus der Gattung Kaze. Er vereinigt in sich gewisser­maßen die Vorzüge aller Kazen; er ist eben so schön wie gewandt, fräftig wie fühn, klug und liftig; er bewohnt in verhältnißmäßig großer Zahl den alten und den neuen Kontinent und die subtropischen Inseln des Atlantischen, Stillen und Indischen Ozeans  , streift, wie seine Ver­wandten, der Tiger und Löwe, weit umher, lebt ebensoviel auf Bäumen wie im Busch, läuft nicht schnell, macht aber gewaltige Sprünge; auch schwimmt er gut und berückt selbst ein so flüchtiges Wild wie die Anti­lope. Er ist wild, raub- und mordlustig; er mordet alle Geschöpfe,

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welche er bewältigen kann, und richtet unter den Heerden oft ein furcht­bares Blutbad an. Unverschämt kommt er bis in die Dörfer und raubt selbst am hellerlichten Tage aus bewohnten Hütten. Den er­wachsenen Menschen greift er in der Regel nicht an, aber verwundet stürzt er sich auf ihn und bringt ihm furchtbare Wunden bei. Kinder raubt er, wo er kann. Und doch läßt sich dieser gefährliche Nimmer­satt zähmen. Die Römer richteten ihn zu ihren Kampfspielen ab und nannten ihn deshalb leopardus, weil sie glaubten, daß er ein Bastard von Löwe und Panther sei. Der Leopard, der im Hintergrunde unseres Bildes seine Beute anschleicht, gehört zu den auserlesenen Exemplaren, welche an den Höfen der indischen Fürsten gezüchtet werden. Ohne ihre Blutgier einzubüßen, folgen sie auf den Wink ihres Wärters. Das Leopardenmännchen ist 1,60 Meter lang, mit 0,8 Meter langem Schwanz. Etwas schwerfälliger gebant als der Tiger und mit verhält­nißmäßig kürzeren Gliedmaßen, hat er einen kurzen, dichten, weichen Pelz, am Hals, an der Brust und Unterseite verlängertes Haar, ist auf röthlich- gelber Grundfarbe theils mit runden oder unregelmäßigen schwarzen Flecken, theils mit gelblichrothen, schwarzumrandeten Ringen, die in der Mitte einen oder zwei schwarze Punkte tragen, gezeichnet. Im Innern des Ohrs, an der untern Schnauze, der Kehle, der Unter­und Innenseite der Beine herrscht Weiß vor. Es gibt auch schwarze Spielarten, doch sind sie selten. Wie der Löwe, springt der Leopard nicht zum zweitenmal auf dieselbe Beute und kann durch unverwandtes Anschauen verjagt werden. Zur Paarungszeit kämpfen die Männchen grimmig untereinander und der Sieger lebt einige Wochen mit dem Weibchen zusammen, welches 2-3 Junge wirft. Während man gegen den wilden Leopard überall einen Vernichtungskrieg führt und ihn auf die verschiedenste Weise jagt und in Fallen fängt, um sich seines kostbaren Fells zu bemächtigen, werden die gezähmten und gelehrigen Bestien auf den indischen Fürstenhöfen wie Kleinodien gehegt und ge­pflegt. Die Art und Weise der Antilopenheze durch Leoparden erinnert an die im Mittelalter auch in Europa   übliche Falkenbeize. Wie diese ehemals kostspieligen, weil mit großer Mühe abgerichteten Raubvögel, hat auch der Leopard eine Lederkappe, die ihn am Sehen verhindert und ihm seinen raublustigen Muthwillen benimmt, sodaß er sich wäh­rend des Transportes und bei der Ankunft auf dem zur Heßiagd be­stimmten Landstrich im Palankin vollständig ruhig verhält. Als wir uns in der oben erwähnten Weise unter dem Winde, erzählt Schaum­ burg  , einem Antilopenrudel bis auf 300 Schritt genähert hatten, postir­ten wir uns hinter einem Tamarindengebüsch. Es war rührend, wie treuherzig uns die Antilopen, die in ihrem Leben noch nie einen Flintenschuß gehört haben, ansahen, und doch war man bemüht, so ge­räuschlos wie möglich den Käfig ihres Würgers zu öffnen. Der Leo­pard stiert, nachdem man ihm die Lederkappe abgenommen, eine zeit­lang unverwandt vor sich hin, wahrscheinlich nm sich an das Tageslicht zu gewöhnen, dann schlüpft er mit der allen Kazen eigenthümlichen Bedächtigkeit aus dem Palankin und visirt die Antilopen, als ob er die Entfernung zwischen sich und der Beute schäßen wollte. Jm nächsten Augenblick kriecht er fast auf dem Bauche, jede Deckung sorgfältig be­nußend, an die Beute heran und hält erst dann inne, wenn er sprung­fertig ist. Mit einem Saze schwingt er sich auf sein Opfer und reißt mit den Zähnen und Vordertagen in das Genick des zusammenbrechen­den Thieres eine unfehlbar tödtliche Wunde. Im Nu ist einer der Diener des Guicowar bei der Hand, um dem schwelgenden Bluttrinker die Lederkappe über die Augen und Ohren zu ziehen. Ein anderer Diener steckt ihm die Schnauze in ein bereitgehaltenes Gefäß mit Anti­lopenblut und der Leopard läßt brummend von dem verendenden Thiere ab. Die Antilopen suchen die Hecke der Treiber zu durch­brechen, kehren jedoch um, von ihrem Geschrei erschreckt, und der Leo­pard, dem man mittlerweile die Kappe abgenommen, stürzt sich auf einen frischen Todeskandidaten. Sonderbar, daß er sich niemals an Antilopenweibchen oder ihren Jungen vergreift, sondern immer nur an den Männchen, die er an ihrem schwarzen Rückenstrich selbst dann erkennt und herausfindet, wenn in einer zahlreichen Heerde nur ein männliches Exemplar sich vorfindet. Nach vollbrachter Blutarbeit fehrt er gutwillig in den Palankin zurück. Anders gestaltet sich die Sache, wenn ein besonders kräftiges, altes Antilopenmännchen, von dem auffallend breiten schwarzen Rückenstreifen der schwarze Bock ge= nannt, den Kampf mit dem Leopard aufnimmt. Es gehört nicht zu den Seltenheiten, daß der schwarze Bock den stets flinken Springer ebenso flint unterläuft und ihm mit seinen gewaltigen Hörnern den Bauch aufschlißt, so daß dieser mit hervorquellendem Gedärm die Wahl­statt deckt. Wie sich der Kampf auf unserem Bilde gestalten wird, muß die nächste Minute künden, denn schon krümmt sich der Leopard zum verderblichen Sprunge und eins der Antilopenmännchen reckt das Ge­hörn zur Abwehr. Doch selbst diese Minute ist dem Guicowar von Baroda  , der seiner Gefolgschaft vorangeritten ist, zu lang. Wie die römischen Cäsaren, unseligen Andenkens, kann er sich nicht des Lebens freuen, wenn er nicht andere morden sieht.

Dr. M. T.

Leinen oder Baumwolle? Wolle oder Seide? Ueber den Werth solcher Gebrauchsgegenstände, welche die meisten Leute beständig oder doch häufig in Händen und vor Augen haben, glauben sie mit Sicherheit urtheilen zu können. Aber auch den mit einem erfahrenen, praktischen Blick in solchen Sachen Versehenen kann derselbe doch häufig