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nicht über eine peinliche Ungewißheit hinweghelfen, wenn sie ihre ver­trauten Bedarfsgegenstände neu, in Massen, als Waaren, bei beabsich tigtem Einkauf vor sich sehen: ob das darin steckende Material wirklich grade dasjenige und von dem Werthe sei, wie sie es haben wollen! Die Zweifel des Konsumenten, ob er nicht doch getäuscht worden sei oder sich getäuscht habe, werden dann meist erst, und zwar zu spät, durch das Verhalten ihrer eingehandelten Gegenstände beim Verbrauch gelöst. In einem Falle tritt die Gesetzgebung zum Schuße und zur Beruhigung des Käufers mit Vorschriften ein: wer Geräth oder Gefäß von Edelmetall erstehen will, wird über den Feingehalt desselben durch Stempel und Einschränkung der Legirungen auf ganz bestimmte Ver­hältnisse versichert. Den für den allgemeinen Konsum ganz unvergleich­lich wichtigern Webstoffen, seien sie als Leinen-, Baumwoll, Woll- oder Seidenstoffe bezeichnet, ist bei der Fertigkeit, die die Fabrikation in deren gemischter Verarbeitung besitzt und bei der üblichen Appretur und Verschönerung des Aeußeren der Waaren, oft durchaus nicht mit dem bloßen Auge anzusehen, ob dem rein verlangten und als solches vor­gelegten Gewebe nicht doch minderwerthige Fasern, und in welchem Maße? beigemengt seien! Prüfungsmethoden zur Feststellung der Art des Gespinnstfadens, oder der Mengung solcher, sind zahlreiche und auch zuverlässige vorhanden, und da die eine oder die andere auch für den Laien durchführbar und nüßlich sich erweisen dürfte, seien die besseren hier angeführt. Um Leinengewebe auf ihr Freisein von Baumwolle zu prüfen, ist es in allen Fällen angebracht, die sehr reichlich vor­handene Appretur von Kalk und Stärke durch Auswaschen aus der Probe zu entfernen und sie wieder zu trocknen. Nach der Schwefelsäure­probe taucht man das Stückchen Gewebe zur Hälfte in etwas Schwefel­säure von 1,83 spezifischem Gewicht, etwa 1 bis 112 Minute lang; darauf läßt man es eine zeitlang in reinem Wasser liegen und wäscht es darauf aus. Baumwolle wird von dieser Säure rascher zerfressen, als Leinen. Hat also beim Weben eine Mischung beider Arten Garn stattgefunden, so erscheinen nach der angegebenen Prozedur die Baum­wollfäden entfernt und das Gewebe durchlöchert. Sind aber beide Arten von Fasern schon miteinander versponnen worden, so geschieht nur eine Verdünnung eines jeden dieser gemischten Fäden; die Probe ist in diesem Falle etwas unsicher. Noch mehr ist Unsicherheit vor­handen bei der Farbenprobe nach Elsner, wonach das Leinwandstückchen mit einer alkoholischen Lösung des Farbstoffes der Krappwurzel gefärbt wird, die Leinenfäden ungleichförmig orangeroth, die Baumwollfasern aber gleichmäßig gelb gefärbt erscheinen sollen, bei Mischung beider das ganze also gestreift erscheinen muß. Es gehört aber ein geübtes Auge dazu, um die Farbenunterschiede sicher zu erkennen. Ein mit Cochenille gefärbter Baumwollfaden wird von einer schwachen Chlorkalt­lösung rascher entfärbt, als ein ebenso gefärbter leinener. Wenn man also eine mit Cochenilleextrakt gefärbte und getrocknete Gewebsprobe auf der Oberfläche einer filtrirten schwachen Chlorkalklösung schwimmen läßt, so erfolgt die Entfärbung etwa vorhandener Baumwolle binnen einigen Sekunden und läßt die Mischung mit Leinen erkennen. Eine sehr einfache und ziemlich zuverlässige Probe ist die von Frankenstein angegebene Delprobe. Ein Stückchen des zu prüfenden Gewebes, dessen Ränder in diesem, wie in allen Fällen etwa einige Centimeter weit ausgezupft sind, wird in Baumöl oder Rüböl getaucht und das vom Gewebe nicht aufgesogene, überschüssige Del durch gelindes Pressen zwischen Löschpapier entfernt, Der Baumwollfaden bleibt undurchsichtig, während der leinene durchscheinend wird und daher, wenn man das Gewebstückchen auf dunkles Papier legt, dunkler erscheint, als ein daneben befindlicher Baumwollfaden. Ein anderes Prüfungsverfahren ist die Verbrennungsprobe von Stöckhardt. Man muß dazu ein Stückchen Gewebe auszupfen und die Fäden einzeln und zwar sowohl von Kette als Einschlag, an einem Ende anbrennen. Ein Leinenfaden erscheint nach dem Verlöschen der Flamme am angebrannten Ende in glatter, zusammen­hängender Form, verkohlt, während ein Baumwollfaden sich alsdann pinselförmig auseinanderspreizt. Wird ferner ein, wie früher angegeben, vorbereiteter Leinwandstreifen in eine Lösung von Rosolsäure( Korallin) in Alkohol getaucht, darauf in konzentrirte, wässerige Sodalösung ge­bracht und auch in neuen, reinen Portionen von solcher mehrmals ausgewaschen, so wird der Leinenfaden schön rosa gefärbt, während Es sei endlich für Unter­die Baumwollfaser ungefärbt bleibt. scheidung von Baumwolle und Leinen noch die zimmermann'sche Probe angeführt. Es wird das Gewebe acht bis zehn Minuten in ein Gemisch von zwei Theilen Salpeter und drei Theilen englischer Schwefelsäure getaucht, ausgewaschen, getrocknet und mit alkoholhaltigem Aether über­gossen. Beigemischte Baumwolle ist dann in Kollodium umgewandelt, das sich aufgelöst hat, und die Leinenfäden bleiben allein zurück.

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Die einander sehr ähnlichen Fasern von Hanf und Flachs sind auf chemischem Wege auch nur schwierig zu unterscheiden. Das einzige Reagens ist Salpetersäure, welche in sie während einiger Sekunden

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eingetauchte Flachs-( Leinen-) faser nicht färbt, während Hanf eine blaß­gelbe Färbung annimmt. Mittels desselben Verfahrens läßt sich gleich­zeitig die bedeutend geringwerthigere Faser des neuseeländischen Flachses ( von Phormium tenax) erkennen, die durch Salpetersäure sich blutroth färbt. Die vegetabilische Faser( von Hanf, Flachs, Baumwolle) unter­scheidet sich von der thierischen( Seide, Wolle, Alpaka, Kämelgarn u. a.) sehr einfach durch das Verhalten beim Verbrennen. Ein Wollfaden entwickelt beim Verbrennen einen Geruch nach verbranntem Horn oder Federn; er erlischt von selbst nach dem Entfernen aus der Lichtflamme, an der man ihn entzündet hatte, und es bleibt an dem angebrannten Ende eine kohlige, schwarze Masse, welche dicker ist als der Faden. Gradeso verhält sich ein Seidenfaden, nur ist der Geruch etwas weniger penetrant. Die vegetabilischen Fasern dagegen brennen ohne unangenehmen Geruch nach Entfernen aus der Flamme weiter fort. Ferner bleiben die Pflanzenfasern beim Kochen in Kalilauge unzerstört, während Seide und Wolle sich darin auflösen. Diese letteren Fäden nehmen, wenn sie einige Minuten in eine verdünnte Lösung von Pifrin­säure eingetaucht und dann gut ausgewaschen werden, eine ächt gelbe Färbung an, während Leinen und Baumwolle unverändert bleiben. Dies Verfahren ist auch anwendbar, wenn diese verschiedenen Fasern schon im Gemisch versponnen sind. In salpetersaurem Quecksilberoxydoxydul nehmen nur die thierischen Gewebsfasern eine intensiv rothe Färbung an, die bei Zusaz von Schwefelleber in Schwarz übergeht; vegetabilische bleiben unverändert. Um Seide und Wolle zu unterscheiden, sowie auch um in seidenen Geweben eine Beimengung von Woll- und Baum­wolfaser festzustellen, bedient man sich des Kupferoxydammoniaks, das Ammoniak im Ueberschuß enthält. Dieses löst am raschesten die Seide, langsamer Baumwolle auf und läßt Wolle ganz unzerstört. des Mikroskops lassen sich nach kurzer Uebung sämmtliche Arten von Gespinnstfasern gut und zuverlässig unterscheiden. Man erkennt darin die Baumwollfaser als lange, schwach verdickte und bandartig platte Zellen, die unter Wasser gesehen, pfropfenartig gewunden erscheinen. Die Leinfaser erscheint dagegen mehr steif und grade, niemals platt, sondern walzenförmig und unter Wasser nicht gedreht; sie läßt ferner eine schmale, oft nur als Längslinie erscheinende Innenhöhlung er­kennen. Die Schafwollfaser ist stielrund, ungleichmäßig dick, man unter­scheidet auf ihrer Oberfläche die dachziegelartig angeordneten Oberhaut­schuppen; dabei ist sie die dickste aller Fasern. Im Gegensatz zu ihr ist der Seidenfaden der dünnste von allen; vollkommen und gleichmäßig rund, ganz glatt und ohne Innenhöhlung. All' diese Prüfungs­methoden für Gewebsfasern, grade von gesteigerter Wichtigkeit für die­jenigen, welche seltener in den Fall kommen, Gewebe beurtheilen und tariren zu sollen, finden verschiedentlich im Verkehr Verwerthung: wenn es sich um Verzollung von Gewebstoffen handelt, werden dieselben mit diesen Mitteln genauestens fontrolirt. Sollte nicht durch eine genaue Bezeichnung der Reinheit oder des Mischungsgrades der Gewebstoffe den alle Bevölkerungsschichten umfassenden Konsumenten dieser Bedarfs­artikel ebenso eine Sicherheit verschafft werden können, als sie der R.-L. Feingehaltsstempel dem Edelmetallkonsumenten bietet?

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Mittels

Noch ein Gesundheitspaß. Dem Gesundheitspaß in Nr. 49 fügen wir einen solchen aus dem Anfang des vorigen Jahrhunderts hinzu, und bemerken, daß nur das hier Fettgedruckte in das poetisch gehaltene Paßformular schriftlich eingefügt ist.

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Johann Christoph von Reichenau Der reiset heute nach Zittau  , Seines Alters 46 Jahr

Trägt eine Paruque von braunen Haar. Dazu einen gelben Oberrock

Er geht in Degen und den Stock. Nachdem es jedermann bekannt, Daß, Gott sei Dank, im ganzen Land Gar fein Catagion grassirt,

Auch sonst dergleichen man nicht spührt, Dazu die Luft auch weit und breit Von aller Pest und Gicht befreit; So wird auch freundlich gebethen hier Respection nach Standes- Gebühr. Bassiren lasse hin und her,

Damit der Paß auch habe Kraft, Jst hier des Richters sein Petschaft Sein Nahm und Unterschrift dabei, Daß es der Wahrheit ähnlich sei; Gegeben da noch ein Tag fehlt Bis man 1710 zählt.

Christoph Helwig Ortsrichter zu Reichenau  .

Ueber die Lösung eines zweihundertjährigen physikalischen Problems, von Inhalt. Jdealisten, von Rudolf Lavant  ( Fortsetzung). Dem Schicksal Rothberg- Lindener( Schluß). Irrfahrten, von 2. Rosenberg( Fortsetzung). Von Hallstadt   bis Salzburg  , von G. Dahlte. ( Fortseßung). abgerungen, Novelle von Rudolph von B.. Rebe und Rose, Gedicht von Leop  . Jacoby. Moses Mendelssohn  ( mit Leinen oder Baumwolle? Wolle oder Seide? Noch ein Gesundheitspaß. Porträt). Antilopenjagd mit Leoparden( mit Illustration).

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Verantwortlicher Redakteur: Bruno Geiser   in Leipzig  ( Südstraße 5). Expedition: Färberstraße 12. II. in Leipzig  . Druck und Verlag von W. Fink in Leipzig  .