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Verehrer und Förderer der griechischen Sprache und Literatur war. Damm stand außerdem im Rufe der Freigeisterei und mag auch als solcher auf W. von Einfluß gewesen sein. Er hört Vorlesungen an der Akademie der Künste und Wissenschaften" und benüßt, da die Bibliothek des Gymnasiums nichts taugt, die königliche. Daß im übrigen die erste Großstadt, welche W. sah, nicht ohne Eindruck auf ihn war, ist selbstverständlich. 1736 fommt er nach Stendal zurück und geht noch in demselben Jahre nach Salzwedel , von wo aus er dann wahrscheinlich die Universität Halle bezog. Von Salzwedel *) machte er auch 1738 die Reise nach Hamburg , um sich aus der damals zur Versteigerung kommenden großen Bibliothek des Dr. Fabricius einige der schönsten Ausgaben griechischer Schriftsteller zu erwerben. Da es ihm an Reisegeld und an Mittel zum Kaufen fehlte, so nahm er zu der üblichen Sitte Zuflucht, unterwegs als fahrender Schüler bei Adligen und Predigern anzuklopfen und um einen Zehrpfennig zu bitten und zwar unter dem Vorgeben, daß er wegen seiner Größe nicht unter dem Militär gebraucht werden könne und als Offiziersbedienter nicht angesetzt werden möchte, weshalb er sich genöthigt sehe, dem aus dem Wege zu gehen**). Am 4. April 1738 schrieb er sich in Halle ins Immatrikulationsbuch ein, nachdem er Ende März in dieser Stadt an­gekommen. Daß er auch hier wieder Noth hatte, um den so noth­wendigen Lebensunterhalt, liegt nahe. Wie der oben genannte Baalzow erzählt, hatte er sich ein kleines Stipendium verschafft, dann gaben die theologischen Fakultäten auch den ärmeren Studenten die Kollegien frei. Winkelmann hielt ,, von einem weichlichen, wollüstigen und ge­müthlichen Leben nichts, sondern er war gewohnt, sich alle Tage mit talter Küche zu behelfen und auch mit der schlechtesten Kost vorlieb zu nehmen". Seine überall bekannte Ehrlichkeit und unverstellte Rechtlich­teit, wie auch seine gute Schreibart verschaffte ihm Gönner und Freunde. Er griff zu dem gebräuchlichen Mittel des Famulirens bei reichen Studenten. Er ging mit seinen Landsleuten auf die Dörfer"( die Stätten studentischer Ausschweisungen); allwo er, ohne an ihren un­erlaubten Zerstreuungen theilzunehmen, sich in einen Winkel setzte und den Aristophanes las." Als Student der Theologie mag er sich wohl hauptsächlich nur deshalb gerirt haben, weil er dadurch manche Erleichterungen in finanzieller Beziehung erwarten konnte. Vorlesungen soll er wenig besucht haben, er hielt fast kein Kolleg ganz aus, ihm blieb, nach seinem eigenen Geständniß ,,, die akademische Speise zwischen den Zähnen hängen". Besuchte er die Vorträge, so that er es, um seine Kenntnisse der Literatur und Sprachen zu fördern. Desto häufiger war er auf den Bibliotheken und um so fleißiger daheim mit dem Studium der zusammengeborgten Bücher beschäftigt. Von den Alter­thumswissenschaften in Halle war W. keineswegs befriedigt, am meisten besuchte er aber die Vorlesungen A. G. Baumgartens, der zuerst die Aesthetik in einem Werke systematisch behandelte. Endlich bezeichnete er sich noch selbst als den fleißigsten Zuhörer Gottfr. Sells, welcher in Halle als Professor der Rechte fungirte, aber außer seiner Fachwissen­schaft noch über Kosmographie, Naturhistorie und Experimentalphysik vortrug. Warum er diesen mit Vorliebe besuchte, zeigt aber deutlich eine Aeußerung: Ich kenne die große Geschicklichkeit dieses Mannes und in seine Buche De teredine marina, welches im schönsten Latein geschrieben ist und eine Kenntniß der Alten zeigt, die so wohl ange­bracht, als unvermuthet in dergleichen ist." Von großer Bedeutung ist jedenfalls auf ihn gewesen der Kanzler von Ludewig, dem er durch dessen große Bibliothek bekannt und außerdem noch empfohlen wurde, um genannte Bibliothek zu ordnen. Hier studirte W. das Privat- und Staatsrecht und außerdem wurde er aber auf das Studium der Ge­schichte hingewiesen, was für seine spätere Thätigkeit von großer Be­deutung war. Besondern Respekt scheinen ihm die Gelehrten der Uni­versität nicht eingeflößt zu haben, denn er äußert sich in Briefen ſpä­terer Zeit feineswegs schmeichelhaft. So hält er die Gelehrten auch nicht für fähig, an seinen Büchern Geschmack zu finden, denn ,, es ist eine Arbeit nicht für Gelehrte, sondern für Leute, welche Empfindungen haben und denken"; für Personen ,,, die gewisse, nicht Universitätskennt­nisse haben". Die Vernunft hat nach ihm einen viel edleren Zweck, als sie bis ins Alter fast blos mit Dingen zu beschäftigen, die nur das Gedächtniß in Bewegung setzen". Er verspottet die gelehrten Streitigkeiten der eselhaften deutschen Professoren, die sich dem Teufel und seiner Großmutter ergeben über ein Wort mit oder ohne H****). Damals mögen derartige Aeußerungen noch mehr Berechtigung ge habt haben, obgleich sie auch heute noch vielfach am Plaz sind, aber erklärlich werden sie uns erst aus dem ganz anders, genaturten" W., dessen rein menschliches Wesen ihn eben später auf die sonnigen Höhen der Kunst führte. ( Schluß folgt.)

bisher stets in der Majorität und was das schlimmste ist theilten| sich in die Herrschaft. Berge von Vorurtheilen, aus der herrschenden Beschränkung erwachsen, sind es, die das Genie erst zu beseitigen hat, bevor es seine menschenbefreiende Bahn ungestörter wandeln kann. Elend, Noth, und zwar die gemeinste materielle, ist es, die den dem Strom entgegen Ringenden oft zu Grunde richtet oder doch zum min desten seine besten Kräfte frühzeitig verzehrt. Schlimmer noch, wenn das bleiche Gespenst bereits an seiner Wiege gestanden, um ihm wäh­rend der schönsten Jahre seines Lebens Gesellschaft zu leisten, wie bei Winkelmann, der wie keiner den Kampf ums Dasein gekämpft, der aber auch mit bewundernswerther Energie an die vierzig Jahre lang alle Hemmnisse auf der rauhen Lebensbahn überstiegen, um schließlich von der gesammten gebildeten Welt gefeiert zu werden. Der Begründer der modernen Archäologie, der Bahnbrecher des schönen Geschmacks, wurde am 9. Dzbr. 1717 zu Stendal in der Altmark geboren. Sein Vater, Schlesier von Geburt, war ein Schuhflicker und wollte auch den Sohn zu seinem Beruf heranbilden. Erklärt sich dies aus dem Um­stande, daß Eltern mit Vorliebe ihre Kinder ihr eignes Metier erlernen lassen, so außerdem aus der Armuth der Eltern unseres Helden. Sie bewohnten eine kleine, strohbedeckte Hütte, deren einziger Raum Schuh­macherwerkstatt, Schlafkammer, Wohn- und Eßzimmer war, in welcher das Himmelslicht sich durch ein paar trübe, runde, in Blei gefaßte Scheiben seine Bahn brach. Großer Komfort mag wohl damals in Stendal überhaupt nicht geherrscht haben die Stadt hatte durch den 30 jährigen Krieg gelitten denn wie man erzählt, wohnten die Lehrer der Lateinschule in Häusern, die einzustürzen drohten. Welch greller Kontrast zwischen der ersten Umgebung und dem letzten Theil des Lebens des Mannes, welcher in den großen Sammlungen der ewigen Roma, inmitten der aufgehäuften Meisterwerke des klassischen Hellenen­thums wandelnd, uns in nicht minder klassischer Weise die Geheimnisse griechischer Kunst, wie der Kunst überhaupt in seinen Werken zu ent­räthseln sucht! Aber er hat nicht nur nicht Lust, seinem Vater im Handwerk zu folgen, sondern findet schon frühzeitig den Unterricht in der gewöhnlichen Schule ungenügend und bringt es durch längeres Bitten dahin, daß ihn seine Eltern, in der Voraussicht, ihr Söhnlein werde sich später der Theologie widmen, auf die Lateinschule schicken. Hier hat großen Einfluß auf seine Weiterbildung der damals diese Schule leitende Tappert; dieser nimmt ihn auch, nachdem er erblindet zum Amanuensis, wofür er freie Wohnung erhielt. Wegen der Ar­muth seiner Eltern muß sich W. frühzeitig nach Freitischen umsehen und jüngeren Kindern Unterricht geben. Außerdem läßt er sich bei den Korrendeschülern aufnehmen, um sich zur Bestreitung der Schulkosten, Kleider, Brot und Bücher das nöthige Geld zu verdienen. Er unter­stützt selbst seine Eltern, und vorausbemerkt, als sie später in großer Armuth starben er stand erst an der Schwelle seines Ruhms, als sein Vater starb, seine Mutter war schon früher dahingegangen ließ er sie auf seine Kosten beerdigen. Sein Lerneifer ging schon wäh­rend jener Zeit des Studiums so weit, daß er bei den Spielen und Eispromenaden seiner Schulfameraden, von welchen er sich nicht aus­schließen konnte, ein Buch in die Tasche steckte, um sich heimlich an ein stilles Pläßchen zu setzen und zu lesen. Die größte Vorliebe hatte er für die alten Klassiker, namentlich soll es Cicero gewesen sein, der ihn besonders anzog. Unterstützt wurde er in seinem Eifer dadurch, daß er die kleine Schulbibliothek zu verwalten hatte. Die Theologie scheint ihn schon damals nicht angesprochen zu haben, denn ein Zeitgenosse von ihm, der Rektor Paalzow, schreibt, nachdem er ihn sonst gelobt: In keiner Stunde aber war er ein unaufmerksamerer Zuhörer, als in den theologischen Stunden. Denn es war nichts seltsames, daß Herr W. fich gemeiniglich mit einem alten Schriftsteller heimlich beschäftigte und aus demselben Redensarten auszog, woran er mehr Geschmack fand, als an allen Definitionen. Sein alter Lehrer merkte das an ihm und bestrafte ihn darüber mit allem Ernst; aber er konnte sich hierin nicht ändern." Diese Abneigung gegen den Religionsunterricht mag seinen Grund mit in der damaligen Lehrmethode haben, sicher ist, daß es die Winkelmann eigne Natur, der Heide ", ist, welche von vornherein keinen Geschmack am Dogmen- und Katechismuskram finden konnte. Wir werden ihn nach dieser Richtung antreffen. Mehr Ge­schmack fand er an den alten Urnen, welche er aus den Sandbergen vor den Thoren Stendals hervorsuchte, denn ,, er verwahrte sie wie ein Heiligthum aufs sorgfältigste." Anfangs Winter 1735 tommt er mit Empfehlungen seines blinden Lehrers an Bake, Rektor des Kölnischen Gymnasiums, zu Berlin an, um diese Lehranstalt zu besuchen. Gegen freie Kost und Wohnung erhielt er die Aufsicht über dessen Kinder. Ein gastfreies Haus fand er außerdem noch bei seinem Landsmann, dem Pastor Kühz. Hatte er sich bis dahin in erster Linie mit den lateinischen Klassikern beschäftigt, so hier mit dem Griechischen, worin er bedeutend gefördert wurde durch Chr. Tobias Damm, der ein großer

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*) Also nicht von Berlin aus, wie vielfach angenommen wird. Siehe Karl Justi : Winkelmann. Sein Leben, seine Werke und seine Zeitgenossen. I, 43. **) K. Juſti a. a. D.***) K. Juſti a. a. D.

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Inhalt. Idealisten, von Rudolf Lavant ( Fortsetzung).- Irrfahrten, von 2. Rosenberg( Fortseßung). Tanz und Religion. Kulturgeschichtliche Stizze von Friedr. Volkmar. Dem Schicksal abgerungen, Novelle von Rudolph von B......( Fortsetzung). Von der Gewerbeausstellung in Düsseldorf , von Ingenieur W. H. Fabian. Moses Mendelssohn ( Schluß). Am Henkersteg zu Nürnberg ( mit Illustration). Johann Joachim Winkelmann( mit Illustration).

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Verantwortlicher Redakteur: Bruno Geiser in Leipzig ( Südstraße 5). Expedition: Färberstraße 12. II. in Leipzig .

Druck und Verlag von W. Fink in Leipzig .