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aufgeregten Morgenroth an. Er schüttelte mit dem Kopfe und glaubte in ihm einen Frren zu sehen! Ich komme von Baum berg . Muß um 6 Uhr in L.. sein,' hatte er gesagt.-, Und wann gingen Sie von Baumberg fort?, Um 25 Uhr, gab er mechanisch zurück. Dann kommen Sie zu spät. Es ist eben 1/26 Uhr. Statt jeder Antwort lachte er laut auf, blickte zu den Wolken, die gewitterschwanger über seinem Haupte hingen und

eilte weiter.

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Bliz auf Blizz zuckte hernieder; Donner auf Donner durch­tönte die Flur dann regnete es in Strömen! Das alles kümmerte den auf das äußerste erregten Morgenroth nicht.- Er wischte sich mit dem schon nassen Taschentuche den Regen aus dem Gesichte, knöpfte seinen Rockfragen hoch und setzte seine Hetz­jagd fort. Die Stimme des Orkans begleitete er mit seinen Monologen und oft unterbrach er sich mit dem Ausrufe:, Alles verloren, alles verloren!'

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Fünf Minuten vor 6 Uhr kam er in 2. an. Gleich darauf Gleich darauf brauste der Zug heran. Ein jeder blickte verwundert auf den Erhizten und Sinnzerstörten. Der Zugführer erbarmte sich seiner. Er geleitete ihn mitleidig zu einem gutverschließbaren Coupé. Woher kommen Sie? fragte er ihn. Zu Fuß von Baum berg , antwortete Morgenroth. In welcher Zeit?" Ich weiß nicht. Doch in 1 Stunden, mein Herr. Alle Teufel, so schnell fährt ja kaum ein Wagen! Damit schloß der Führer die Thür und verpflichtete den Kondukteur für das Wohl des sonderbaren Insassen. Aber es geschah diesem nichts. Er fand glücklich seine Wohnung, zur großen Verwunderung der Wirthin, die ihn zur schnellen Entkleidung und zum sofortigen Schlafengehen zwang. Er zitterte am ganzen Leibe. Den Thee nahm er mit gierigen Zügen ein. Nicht wahr, Sie sorgen für mich? hatte er leise geflüstert.-, Gewiß, theurer Herr Morgen­roth, erwiderte die Wirthin; ich werde während der Nacht nach Ihnen sehen. Dann schlief er ein.- Während der Nacht saß die Frau an Morgenroths Bett. Sie fühlte dann und wann nach seinem Puls und schüttelte immer bedenklicher mit dem Kopfe. Am Morgen mußte man einen Arzt holen. Nervenfieber und wer weiß was noch außerdem,' hatte dieser gesagt., Stedte schon lange in ihm. Nun ist es plötzlich und schrecklich aus­gebrochen. Der arme Mensch! Man telegraphire den Eltern.' In einem lichten Augenblick gegen Mittag hatte Morgenroth plötzlich die Wirthin zu sich gewinkt., Sagen Sie nichts zu Freimann und Liebers. Ich bin nicht zuhause, flüsterte er kaum hörbar. Ich will es. Ich kam zur rechten Zeit. Die Wirthin war in großen Aengsten. Ich sandte sogleich Brief schaften ab, suchte den Arzt auf und verabredete mit ihm, daß wir den Kranken am besten nach einem Hospital schafften. Mit der größten Vorsicht geschah der Wechsel. Morgenroth ließ alles geduldig über sich ergehen. Ich danke, sagte er einmal leise, und dann streckte er seine matte Hand uns entgegen, aber sie senkte sich auf das Kissen, bevor die unsrige sie erreicht hatte.- Die Wirthin siedelte, so wünschte es Morgenroth, mit nach dem Hospital über. Als alles geordnet und erledigt war, suchte ich mit traurigen Empfindungen meine Wohnung auf, unfähig, irgendwelche Nahrung zu mir nehmen zu können. Das plößlich über Morgenroth hereingebrochene Unheil hatte mich zu sehr

erschüttert.

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Was inzwischen in Baumberg vorgegangen? Man vermißte sehr bald den Entflohenen. Alles Suchen nach ihm war ver­gebens. Elisabeths Unruhe wuchs von Stunde zu Stunde. Sie pornte die Umgebung an, die Spur des Freundes zu entdecken, sie selbst machte sich auf den Weg. Vergeblich! Wer sie sah, hatte seine besonderen Gedanken über Elisabeths Bestürzung, aber niemand wagte, etwas zu sagen. Verstand ja doch niemand, in ihrer Seele zu lesen. Morgenroths spöttische Klage über die Feigheit der weiblichen Natur hatte ihre halb erloschenen Lebens­geister, ihren zu Boden gedrückten Willen wieder zur Thätigkeit angefacht. Sie war dann, als er die Worte fallen ließ: Was der Mann dem Weibe aufdrängt, solle diese nicht länger ertragen, als es ihre Natur verträgt, von einem mächtigen Entschluß er­faßt, und, war sie solange auch willenlos den Anordnungen des Freundes in ächt weiblichem Gefühl, aus tiefer, unergründ­licher, unfaßlicher Liebe, deren Aeußerungen nicht mit dem Sezir­messer und der Lupe betrachtet werden können, gefolgt, so war sie doch jetzt von dem Gefühl der unbedingten Folgsamkeit erlöst; fie merkte, daß ihre Liebe ungleich größer sei, wenn sie auf ihre Weise selbständig handelte-wenn sie selbst das erlösende, sie am meisten zierende Wort ohne Rücksicht auf Folgen spräche.-

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Sie war dann einen Augenblick bereit, ihn mit einigen Worten auf den Grund ihrer Seele blicken zu lassen aber, wir wissen es schon sie schwieg vor ihm.... Du sollst dich nicht in mir täuschen!' rief es halb jauchzend, halb energisch in ihrem Herzen. Und nun nun, war er nicht da war fort. Es war ihm vielleicht ein Unglück zugestoßen; er hatte vielleicht selbst den Tod gesucht. Das Blut erstarrte fast bei diesen Gedanken in ihren Adern und unruhig, fiebernd, mit gerötheten Wangen lief sie im Dorfe umher. Marianne suchte sie zu trösten. Er hat sich kein Leid angethan, tröstete sie die Freundin;, dazu ist er zu klug, zu gesund. Er ist ein ganzer Mann, hat ihn auch augenblicklich eine Mißstimmung ergriffen.' ,, ich kenne ihn, gab Elisabeth zurück, seine Empfindung geht tief, er ist sehr unglücklich. Ich weiß es. Und ich bin schuld daran, wenn ihm etwas zugestoßen ist; denn ich habe nicht gesprochen, wie es sich ziemte. Und in tausend Variationen fuhr Elisabeth fort, sich mit Selbstvorwürfen zu belasten.- Es be­durfte des vollen Einflusses von Marianne, daß die Unglückliche nicht öffentlich mit ihren Gefühlen losplatte und sich solcherweise auf immer blosstellte; erst, als man ihr versprach, sogleich zu Hause anzufragen, ob der Freund sich dort schon befinde erst dann legte sie die äußere Erregung ab. Innerlich setzte sich aber der Kampf fort. Sie weinte nicht mit den Augen, sie weinte mit dem Herzen. Zum erstenmale brach ihr Liebes­gefühl wie die himmelauflodernde Flamme aus einem Krater an das Tageslicht und erst jetzt in dieser verzweifelten Situation verstand sie das Gefühl der mächtigsten Leidenschaft des Men­schen! Spät am Abend kam ein Landmann, in der Nähe Baumbergs wohnhaft, in das Dorf., Er habe so erzählte er,, einen irren Menschen gesehen, der, wie vom Satan besessen, mitten durch den Regenguß, wohin, wisse er nicht, feld­ein gerannt sei. Er habe ihm nachgerufen, nachgeschrien, aber je mehr er seine Lungen angestrengt, je wilder und schneller wäre jener gelaufen.' Er mußte diese Erzählung in Marianne's Hause wiederholen. Elisabeth fragte ihn nach allen Einzelheiten, nach dem Aussehen Morgenroths, nach seinen Geberden, kurzum sie inquirirte den Bauer wie ein Untersuchungsrichter!-- Als endlich nichts mehr aus dem Bauer herauszuholen war und er immer nur dasselbe wiederholte, ließ sie ab; aber sie war so durch Aufregung und Angst erschöpft, daß sie plötzlich ohn­mächtig in Marianne's Arme sant.-, Der Teufel verstehe die Frauen, meinte Marianne's Vater und die Mutter schalt auf Morgenroth, daß er die liebe gute Elisabeth so schrecklich geäng­stigt habe. So sind die Männer, sagte sie und der Vater sagte:, So sind die Frauen.'- Marianne indeß bemühte sich schwesterlich um Elisabeth und als diese sich später etwas erholt hatte, sprach sie das Verlangen aus, am nächsten Tage nach Hause zurückzukehren. Sie reiste auch wirklich am folgenden Tage nachmittags ab, besonders, da von den Aeltern keine Nach­richt über Morgenroth eingelaufen war.-

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Ich fahre nach einem langen Athemzuge wieder fort in meiner schlichten Erzählung, es der Phantasie des Lesers überlassend, die fehlenden Striche in diesem tragischen Gemälde sich selbst zu zeichnen, den Seelenkampf Elisabeths sich nach Muße und Ge­fallen auszumalen.

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Bei Liebers war infolge schlechter Postverbindung die An­frage über Morgenroth erst am nächsten Mittag eingelaufen. Eine Erkundigung in seiner Wohnung war fruchtlos, da man niemand vorfand. Ein Bettel vor der Thür besagte, daß, Herr Morgenroth verreist sei. Die Nachbarschaft wußte auch keine Die alten Leute in ihrer Bestürzung Auskunft zu geben. waren rathlos und noch zu keinem Entschlusse gekommen, als , Wo ist plötzlich Elisabeth die Schwelle der Thür übertrat. Morgenroth? glitt es hastig von den Lippen des jungen Mädchens zu den Aeltern hinüber. Wo ist Morgenroth? Die alten Leute blickten erschreckt in das blaffe, abgehärmte, ver­zweifelte Gesicht der Tochter. Um himmelswillen, schrie die Elisabeth hielt sich an der Mutter ,, was ist denn geschehen?" Lehne eines Stuhles fest, sie zitterte heftig. Der Vater bat sie, sich zu fassen und Rede zu stehen. In abgerissenen Säßen that fie es. Dann weinte sie und sank auf den Stuhl hernieder. War Freimann nicht da?" fragte sie darauf, sich aufraffend. , Er soll überall Wir haben soeben nach ihm geschickt." herumfragen, auf dem Bahnhof, bei den anderen Bekannten,' rief Sie fie., Oder ich gehe selbst, mich zu erkundigen!" schickte sich zum Fortgehen an, die Aeltern hielten sie indessen zurück.

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