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Weitere Mittheilungen.
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Als wir Morgenroth im Spital in Ruhe und Sicherheit wußten, überlegte ich, was zu thun sei. Des Kranken Wunsch, Freimann und Lieber nicht Nachricht zu geben, hielt ich nicht für räthlich, zu erfüllen. Ich setzte mich vielmehr sogleich hin und schrieb ein kurzes Billet an Freimann, das ich durch einen Extraboten befördern ließ. Ich fügte hinzu, daß ich ihm Mittheilung machen werde, wenn ein Besuch beim Kranken erlaubt sei, da vorläufig der Arzt jede Störung verboten. Der Bote brachte mir zurück, daß er Freimann getroffen, und daß jenen die Kunde aufs äußerste erschreckt und angegriffen habe. Er komme im Laufe des Tages selbst, mir zu danken. Gegen Abend kamen Freimann und Elisabeth zu mir. Ich berichtete alles. Elisabeth war etwas gefaßt; Freimann still und traurig. In einem günstigen Augenblick raunte ich ihr heimlich zu, daß dem Kranken Freimanns Besuch sehr gefährlich sein könne. Jener dürfe also auf keinen Fall das Hospital besuchen. Ihr jedoch würde ich melden, wenn sie zu dem Kranken vorgelassen werden dürfe. Als Antwort drückte sie mir zärtlich die Hand und schenkte mir einen so dankbaren, liebevollen, trotz aller Wehmuth unendlich bezaubernden Blick, daß ich ihn nimmer vergessen werde. Was inzwischen zwischen ihr und Freimann vorgegangen war, habe ich nie erfahren
tönnen.
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Einige Zeit später. ,, Morgenroth erholte sich nicht wieder von der zehrenden Glut des Fiebers, trotzdem der Arzt die größte Sorgfalt auf den Kranken verwendete und seine Wissenschaft in der Bekämpfung der Krankheit erschöpfte. Nur manchmal, wenn Elisabeth, die Tag und Nacht nicht von dem Lager wich, mit ihrer weichen Hand über die glühende Stirn des Geliebten strich, schienen sich seine wilden Phantasien zu lindern und das Bewußtsein däm merte kurze Augenblicke auf. Ein zärtlicher Händedruck verrieth, daß der Gequälte die Nähe der Geliebten empfand! Noch später.
,, Elisabeth und Freimann standen noch schluchzend am frischen bekränzten Grabhügel, während der lange Zug des Trauergefolges Morgenroths letzter Ruhestätte schon den Rücken ge wendet hatte. Sie konnten sich noch nicht losreißen, die beiden bleichen Gestalten! Als endlich Freimann so viel Fassung ge wonnen, Elisabeth an den Heimweg zu mahnen und diese sich zum Gehen anschickte, verließen das arme abgezehrte Mädchen die Kräfte, und einer Ohnmacht nahe, sank sie in die Arme des Freundes. Zärtlich sprach ihr Freimann Trost zu, herzlich sagte er:, Elisabeth fasse dich, theures Mädchen, sieh, ich will ja deine Stüße sein durch die Schmerzen des Lebens! Nicht so, Frei mann, erwiderte sie hastig, sich entschlossen aufrichtend ,, den Freund will ich schäßen, aber der Todte scheidet, was der Lebende aus hoher Tugend einen wollte.
Eine Nacht in der Payerhütte auf dem Drtler.
Von Dr. J. E. W.
Der Ortler , die Höchstspiz"( 3905 m) der gesammten deut schen Alpen, also mit Ausnahme des Montblanc , Monte- Rosa , der Jungfrau und weniger anderen Bergspitzen der höchste Berg Europas , wird seit dem durch Joh. Pinggera 1867 von Sulden ( St. Gertrud) aus entdeckten Aufstiege jährlich öfter und öfter, im ganzen aber doch noch immer ziemlich selten, bestiegen. Berichterstatter war am 25. und 26. August dieses Jahres so glücklich, sich diesen Hochgenuß leisten zu können.
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Am 25. v. M. brachen wir, eine kleine, aber bunt zusammengewürfelte Gesellschaft, nach trostlosesten Regentagen an einem strahlend reinen Tage ganz wie Julius Payer 1864 um 3 Uhr nachmittags auf, um für diesen Tag die über 10000 Fuß hoch gelegene Payerhütte zu erreichen. In meiner Gesellschaft befand sich ein wind- und wettergehärteter pensionirter preußischer Kapitän zur See, ein sehr liebenswürdiger, gebildeter Mann, der sich zwar durchweg recht wacker hielt, aber gerade an den schwierigsten Punkten eine etwas zu ängstliche Gesprächigkeit zeigte, welches ,, ewige Plauschen" meinem Führer gar nicht recht war. Als das gefährlichste erschien mir der Anstieg auf der Tabarettawand, einem senkrechten Felsengeklüft, über 1000 Fuß hoch. Man begreift, da sich der oft kaum fußbreite, zudem häufig schräge und geröllbedeckte Steig dem Auge aus einiger Entfernung völlig entzieht, zunächst schlechterdings nicht, wie man da hinaufkommen soll. Ich will nicht sagen auf Schritt und Tritt, wohl aber vielhundertmal ist man vom Tode bedroht, ein falscher Tritt und Zudem ist das zeitweilige Rollen von Steinblöcken aus einer steilen Moräne keineswegs angenehm. Hier war es, wo mein Führer, Alois Pichler, der wegen seiner Riesenkraft, seiner gemsenartigen Geschicklichkeit und biedern Kernnatur jedem Ortlerbesteiger von Sulden aus aufs wärmste empfohlen zu werden verdient, eine glänzende Probe seiner Führerbefähigung ablegte. Als nämlich gerade wieder Steine zu rollen begannen, sprang er( mit dem Gepäck im Rucksacke!) in langen Galoppsägen auf dem ganz schmalen Pfade dahin, mich mit rückwärts gestreckter Hand nachziehend, bis wir hinter einem Felsenvorsprunge gedeckt waren, wo wir das gänzliche Aufhören des Steinregens abwarteten. Nach dreistündigem Steigen und Klettern man rechnet gewöhnlich 4 Stunden war die Payerhütte erreicht. Diese Unterkunftshütte mißt etwa 10 Schritt der Länge und 6 der Breite nach. Die schmalere Längshälfte dieses Raumes enthält die Matraßenpritschenlager für die gesetzlich erlaubte Anzahl von 10 Personen. Die andere einen Kochherd, drei Tische und einige Bänke. Ein Wandschrank birgt allerlei Küchen- und andere Utensilien. Bedenkt man, daß die
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selben, insbesondere jedes Stück Nuß- und Brennholz auf dem angedeuteten Wege hinaufgeschafft werden müssen, so wird man der Einrichtung seine Anerkennung, ja sogar Respekt nicht zu versagen vermögen, so primitiv dieselbe auch immer unter andern Verhältnissen erscheinen mag. Oben angekommen, traf noch weitere Gesellschaft von Trafoi aus ein. Alsbald wurde unter ge waltiger Rauchentwicklung ans Kochen geschritten. Aber der Herd ist klein und da heißt's eben: Wer zuerst kommt" triagt 3'erscht a Suppen". Denn mächtige Töpfe dieses mittels Konserven bereiteten Geschlürfs werden vor allem geleert, ein zelne Führer mit ihren Herren aus einer Schüssel löffelnd, andere draußen, hart an Abgrunds Rand gelagert, desgleichen thuend. Jezt schmecken Speck, Käse, Eier, faltes Fleisch ganz vortrefflich und dann erst mundet uns ein Becher vorzüglichen tyroler Rothweins, der in litergroßen Blechflaschen mitgenommen worden. Der Platz ist so kostbar, daß man, sowie dies geschehen, von seinem Führer ersucht wird, denselben zu räumen und andern Stärkungsbedürftigen zu überlassen. Wir waren im ganzen 25 Mann 13 Touristen, darunter eine 23jährige englische Miß und 12 Führer und da so ziemlich alles zu rauchen anfing, der Herd dies aber schon längst that, so erhob sich in besorgten Gemüthern die Frage, wie viele wohl nächstens des Erstickungstodes sterben dürften. Die ganze Situation ist so ungewöhnlich, hat einen so ausschließlichen Charakter, daß alle normal Veranlagten, die sich unter gewöhnlichen Lebensverhält nissen vielleicht ewig fremd blieben, alsbald gut bekannt sind, ja daß man mit Menschen, die einem sympathisch sind, geradezu innig zusammengeschweißt wird. Ich und mein Kapitän wurden, obwohl wir vorher ein bischen auf gespanntem Fuße gestanden hatten, zuletzt ganz rührend zärtlich miteinander. Wie immer bei solchen Touren, gingen auch wir sehr zeitig kurz nach 8 Uhr zu Bette. Ich sage zu Bette", beileibe nicht ,, schla fen". Denn dieses Kunststück kann nur eben ein ausgepichter Spißenfresser"( die Gebirgsreisenden werden in„ Spißenfresser", dann in Jochfinken"," Thalkrabbler" und Chausseehengste" eingetheilt) fertigbringen. Mann an Mann gereiht, ohne die Mög lichkeit des Umdrehens will man nicht auf den Nebenmann zu liegen kommen in vollen Kleidern( nur der Beschuhung entledigt) mit seinem Nachbar buchstäblich unter einer Decke lie gend, dabei alsbald von einer Legion gewisser sprungkräftigster kleinen Braunen heimgesucht, wird das einem gewöhnlichen Sterblichen trotz aller Müdigkeit nicht so leicht. Es schliefen nur zwei Wiener, die kurz vorher den Großglockner gefressen" hatten. Da lagen wir neun Mann und die englische Miß, durch ihren
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