Klassen zu bessern. So findet sich in mehreren Denkschriften vom Jahre 1713 der Gedanke der Errichtung einer Kommission zur Verminderung des Elends und Beschaffung von Nahrung für die Armen." In einer andern Abhandlung macht er es der Obrigkeit zur Pflicht, für lohnende Arbeit zu sorgen. Weiter verlangt er, die Gesellschaft solle Werk­häuser" errichten ,,, worin jeder Arme, Tagelöhner, Handwerksgesell 2c. so lange er will, arbeiten kann und dafür seine Kost und etwas Zehrung zum Weitergehen erhält." Die Handwerker sollen auf Kosten der Gesellschaft in großen Stuben arbeiten ,, bei Gesprächen und Lustig­feit". Man dürfe nicht befürchten, daß die Leute dadurch faul würden, sie würden vielmehr besser arbeiten, weil 1. ohne Nahrungssorgen, 2. gleichmäßiger, da sie nicht das eine mal zu viel, das andere mal zu wenig Arbeit hätten; auch würde dadurch verhindert werden, daß die reichen Kaufleute die Armen mißbrauchen. Derartige Bestre bungen dürften unserer Meinung nach denn doch den Charakter Leibniz' edler und schöner erscheinen lassen, als dies Dühring darzustellen sich die Mühe gibt. Genannter Gelehrter beliebt nicht allein die be­deutendsten philosophischen Leistungen unseres Autors als Plagiate zu bezeichnen, sondern will auch für seine sonstigen Handlungen den schmuzigsten Egoismus als Triebfeder verantwortlich machen. Dabei finden wir in der verhältnißmäßig umfangreichen, in dem bekannten dühring'schen ,, kritischen" Stil abgefaßten Abhandlung über ,, Die Ge­legenheitsphilosopheme Leibnizens" weder irgend einen glaubhaften Beweis für die erhobenen Anschuldigungen und Anklagen, noch irgend welche Aufklärung über die leibniz'schen Lehren selbst. Mag Leibniz   an den Schwächen und Fehlern seiner Zeit gelitten und manchmal mensch­lich gefehlt haben, er war eben auch nur ein Mensch; daß man ihm weder den genialen Geist noch ein für die Interessen der Menschheit schlagendes Herz absprechen kann, wird unsere dürftige Skizze schon Fr. N. zeigen.

-

Johann Joachim Winkelmann.( Schluß.) Etwas wohler wird Winkelmann geworden sein, als er nach zwei Jahren die Universität verließ und als Erzieher für Geschichte und Philosophie des ältesten Sohnes ins grolmann'sche Haus nach Osterburg   berufen wurde. Angenehm war dort der Aufenthalt dies wird auch von andern erzählt durch die geistreiche und liebenswürdige Frau Grolmann, welche in den von dem zahlreichen Adel der Umgegend besuchten Abendzirkeln den Mittelpunkt bildete. Sie sprach das Französische, Italienische und Englische sehr geläufig und war auch in der fran­ zösischen   Literatur gut bewandert. Hier trat Winkelmann auch zum erstenmale französische   Bildung in einer Weise entgegen, daß sich nichts dagegen sagen läßt. Hier mochte er aber auch zum erstenmale fühlen, daß sein Mangel an Kenntniß der neueren Sprachen und Literatur in seinem Wissen eine Lücke sei, die er unbedingt ausfüllen müsse und diese Erkenntniß mag ihn zum Besuch der Universität Jena bestimmt haben, wo er Medizin und in Verbindung mit dieser Mathematik und neuere Sprachen studiren wollte. Nach einjährigem Aufenthalt in Oster­ burg   verließ er diesen Ort in der ersten Hälfte des Jahres 1741. In Jena   mußte er wiederum seine Subsistenzmittel durch Stundengeben erschwingen, hatte also nicht viel Zeit, um Vorlesungen zu hören, er ,, hatte kaum Zeit aufzuathmen". In den neueren Sprachen scheinen sich seine Hoffnungen nicht erfüllt zu haben, denn er lernt erst später mühsam die Aussprache des Englischen   und ist mit den Anfängen des Italienischen   beschäftigt. Dagegen beschäftigt er sich fleißig mit Mathe­matik und auch für die Medizin war ihm durch tüchtige Lehrkräfte Gelegenheit zum Studium gegeben. Die Universität verließ er ohne Disputation, Differtation und ohne einen akademischen Grad erlangt zu haben. Aber eines unternahm er noch, die damals noch übliche akademische Reise. Man ist sich nicht darüber klar, ob er dieselbe 1740, oder wie Paalzow meint, später von Hadmersleben   aus angetreten habe. Justi nimmt an, daß er sich nach der jenaer Studienzeit auf den Weg gemacht. Sicher ist, daß er sich in Halle bereits darauf vor­bereitet; er erschien dort im letzten Winter oft auf dem Rathskeller und ließ sich von vielgereisten Bürgern von ihren Wanderungen er­zählen, zeichnete sich mehrere Routen nach Paris   auf, verkaufte seine Bücher und Sachen und schaffte sich aus dem Erlös einen kapuziner­grauen Rock, gute Stiefeln, Wäsche und den ryssel'schen Katalog, der alle bekannten wissenschaftlichen Werke der bis dahin erschienene Theil umfaßte die Philologie enthielt. Er wollte jeden Abend ein Kloster zu erreichen suchen, wo er freies Quartier zu finden hoffte, vorgebend, daß er, um seine Religion zu ändern, nach Rom   reise. Der eigentliche Zweck seiner Reise war aber die großen Bibliotheken, sowohl unterwegs als in Paris  , tennen zu lernen. Der Plan wurde jedoch dadurch vereitelt, daß man ihn in kein Kloster aufnahm, weil er äußerlich nicht den Eindruck eines Hülfsbedürftigen mache und ihn ferner der Ausbruch des Krieges zwischen Frankreich   und Deutschland  unweit Frankfurt   zur Umkehr zwang. Man erzählt zu dieser Affaire noch eine Anekdote, W. wollte, bevor er in Fulda   eintrat, sich seine Kleider in Ordnung bringen und den Bart scheren. Als er das Messer erhebt, hört er hinter sich einen Schrei und sieht beim Umwenden eine Dame in einem Wagen sigend, ganz erschreckt, weil sie glaubte, er wolle sich das Leben nehmen. Nachdem er ihr jedoch sein Vorhaben und dessen Ende erzählt, nöthigt sie ihm ein Geldgeschenk auf. Ob sich dies in Wirklichkeit so verhält, ist nicht sicher, wahr ist aber jedenfalls, daß unser Held ohne Geld wieder in Halle antam. Hier hat er erst die Absicht, nach Berlin   zu gehen, erhält dann aber eine Stellung als Er­

-

-

635

zieher beim Oberamtmann des magdeburgischen Domkapitels zu Had­ mersleben   bei Halberstadt  . Zwischen ihm und seinem Zögling, dem jungen Lamprecht, bildete sich sehr bald ein enges freundschaftliches Verhältniß, welches Winkelmann so fesselte, daß er selbst bessere Stellen ausschlug. Dann lernte er hier auch einen Herrn von Hanses, früheren dänischen Gesandtschaftssekretär zu Paris  , kennen und schäßen. Von besonderm Werth für ihn war jedenfalls dessen große französische   Biblio­thet, welche namentlich historische Werke umfaßte, was zur Folge hatte, daß W. sich mit großem Eifer dem Studium der modernen Ge­schichte hingibt. Oft reiste er auch zu Fuß nach Halle hinüber, um irgend eine Stelle in einem gelehrten Werke nachzuschlagen. Unter­dessen hatte er jedoch einen einflußreichen und edlen Freund gefunden, der sich seine Zukunft angelegen sein ließ. Es war dies Fr. Rud. Nolte, seit 1740 Generalsuperintendent der Altmark  . Bei seinem Weg­gange nach Sachsen   stellte ihm dieser das Zeugniß aus ,,, daß man ihm in diesem Lande( Preußen) den seiner mehr als gemeinen Kenntnisse würdigen Lohn nicht habe bieten können". Jetzt hatte er ihm zuerst eine Stelle in dem unweit Stendal   liegenden Arneburg   zugedacht. W. soll dort jedoch schulmeistern, Orgel spielen, vorsingen und predigen. Er dachte jedoch viel zu bescheiden von sich, als daß er sich der dazu gehörigen Kräfte bewußt gewesen wäre und lehnte ab. 1741 hatte man ihm bereits die Stelle als Konrektor in Seehausen   vergeblich angeboten, jest war sie wieder unbesetzt, er bewirbt sich darum und erhält sie auch, nachdem seine Gönner, darunter auch Boysen, der bis dahin die Stelle versehen hatte, für ihn gesprochen haben. Letzterer schildert den Zustand W.'s in feineswegs glänzender Weise; schlecht gekleidet, von Kummer gebeugt u. dgl. Genug, 1743 tritt er seine Stelle an und damit zugleich eine Periode seines Lebens, welche er die dunkelste nannte. Eine ausführliche Darstellung des nun folgenden Theiles von W.s Leben behalten wir uns, um den uns zugemessenen Raum nicht allzu­sehr zu überschreiten, für später vor. W. starb durch Meuchelmord am Fr. N. 8. Juni 1768.

Am Henkersteg zu Nürnberg.  ( Schluß.) Nürnberg   ist aber auch mit seinen Unterrichtsanstalten schon vor der Reformation anderen deutschen   Städten von Bedeutung vorangeschritten. Melanchton  errichtete hier im Jahre 1526 ein Gymnasium und 49 Jahre später entstand hier die erste protestantische Universität für Süddeutschland  , die unter andern das Recht besaß, Dichter zu krönen. Aber nicht allein den Wissenschaften opferte die strebsame Stadt, auch dem Schönen huldigte sie und denen, die es schufen. Unmittelbar in die Zeit der Reformation fällt die höchste Entwicklung der Nürnberger  , und damit wohl auch der deutschen   Kunstblüthe, in Italien Cinquecento, in Frankreich  Renaissance genannt. Der Maler Albrecht Dürer   und sein Lehrer M. Wohlgemuth  , der Erzgießer Peter Vischer   und seine Söhne, Laben­wolf, der Bildhauer Adam Kraft  , der Bildschniger Veit Stoß  , der fast alle waren Zeit- und Kunst­Goldschmied Wenzel Jamnizer genossen einer Stadt, die weder einen fürstlichen, noch einen bischöflichen Hof besaß, ein Beweis, daß der Genius der Künstler zum Schaffen weder der Gunst des Szepters, noch der des Krummstabs bedarf. Der 30jährige Krieg, für Deutschland   eine Kette von Leiden, deren Nachwehen bis auf unsere Tage herauf geblieben sind, führte Nürn­ bergs   Verfall herbei. Von 1599 bis 1699 fiel die Bewohnerzahl von 100000 auf 20000 herab. Auch durch die folgenden Jahrhunderte zehrte die Stadt von dem Ruhme der Vergangenheit und fristete ein fümmerliches Dasein. Der Senat spreizte sich im lächerlichen Ueber­muth und das Volk äffte französische Manieren nach. Dazu kam, daß jeder vorbeiziehende Heerführer der alternden Schönen einen Aderlaß in Gestalt einer Kriegsentschädigung verschrieb, so z. B. der französische  General Jourdon 1,529,651 Gulden. Ein österreichischer General leerte die Beughäuser und andere plünderten die Kirchen, öffentliche Kunst­schäße, ja sogar Stiftungen mit Wittwen- und Waisengeldern. Das waren die Segnungen des Erbfolgekrieges, welche der Herrlichkeit der alten Noris den Garaus machten. Der Senat wollte die Selbständig­keit der Stadt um jeden Preis los werden und bot sie dem Könige von Preußen an, aber dieser lehnte das bedenkliche Anerbieten, welches seinen Haushalt mit 10 millionen Gulden Schulden belastet hätte, ab. Im Jahre 1806 übernahm Bayern   das Danaergeschenk und hat sein Redliches gethan, die schönste Perle" effektvoll in die Wittelsbacher  Krone zu fassen. Der goldene Hauch der Kunst, der sonst Nürnberg  und das, was in ihm hervorgebracht wurde, mit seinem veredelnden Schimmer überzog, ist zwar längst von dem Qualm der Fabrikessen ver­dunkelt, aber dafür wurde das moderne Nürnberg   ein Knotenpunkt der Dampfverkehrswege, der neuerdings seine hunderttausend Bewohner Da die alten malerischen Befestigungswerke Nürn­beherbergt. bergs der Zerstörungswuth der Neuzeit bald zum Opfer fallen werden, so beeilen wir uns, ein Prachtstück der Ringmauer, welche noch heute den Umfang der alten Stadt bezeichnet, im Bilde den Lesern vorzu­führen, bevor sie von dem Schicksal ereilt wird. Zum Unterschied der äußeren Umwallung, die im 14. Jahrhundert errichtet wurde und bis zum Jahr 1866 als Festungswerk im modernen Sinne galt, gibt es noch ansehnliche Reſte einer inneren Ummauerung, die im 12. Jahr­hundert angelegt wurde. Die beigegebene Abbildung zeigt einen solchen Rest dieser älteren Befestigung Nürnbergs  , und zwar den Theil am Ausfluß des Pegnitzflusses. Von den ursprünglich vorhandenen drei Thürmen, deren mittelster auf einer Insel steht, haben sich nur noch zwei erhalten. Die Dächer derselben sind nicht mehr die ursprünglichen.

-