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Kein Wunder, daß sich sofort sämmtliche deutsche Bühnen beeilten, das Werk an sich zu bringen, dem am 20. September 1839,, Caramo, oder das Fischerstechen", und am 23. Juni 1840 zur Vorfeier des Guttenbergfestes seine vierte Oper: Hans Sachs  " folgte. Es drängt mich, hier ein Beispiel anzuführen, wie damals Theaterkritiker und musikalische Referenten heitere Tonwerke mit gleicher Gemüthlichkeit besprachen. So führte der musikkundige Beter Cornelius in der berliner Musikzeitung ,, Echo" den Leser bei Besprechung der leztgenannten lorgingschen Oper nach gemessener Einleitung auf das Rathhaus in Nürn­ berg  , wo Hans Sachs   unter die Meistersinger aufgenommen wird, und sagt: Hörst du sie singen? Das sind Knittelverse. Du schüttelst den Kopf? Es will dir nicht zusagen? Du bist ver­wöhnt durch Geibel und Mendelssohn? Süße Lyrik, zarte Romantik? Hilft dir nichts, wir sind hier in Nürnberg  . Was murmelst du in deinen Bart: Schuster bleib bei deinem Leisten!? Willst du immer Leute, die im schwarzen Frack komponiren, und Dichter, die am feingeschnitten Schreibtisch ruhig zuwarten, bis der heilige Geist über sie kommt ein feines Bouquet vor sich, von schöner, hoher Hand geschickt, von der vielholden Frau, die er, wohin er geht und schaut, viel tausendmal grüßt? Denke dir Lorking und Hans Sachs  - fünfte Etage, Dachstübchen,

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Stiefelleisten, Kindergeschrei, dabei Pech und wieder Pech, und dann denke dir die Muse, die plößlich einmal zur Dachluke hereinlächelt und dem guten lieben Schuh- und Tenormacher­gesellen verstohlen die Hand drückt und sich dann selbst wieder drückt, und dann denke dir ein Lied, wie das Czarenlied, in aller Leute Mund, und wenn so ein guter Familienvater von der Reise heimkehrt, wie dann die Kinder singen: Heil sei dem Tag, an welchem du bei uns erschienen! und wie nach Jahrhunderten vornehme Leute und große Dichter dem Schuster nachsingen und ihm Apotheosen schreiben, siehst du, das ist auch Poesie. Diese Blume wächst überall, wo ein gesundes Herz guten Boden hergibt, und am besten gedeiht, wenn sie mit edlem Wein oder heißen, bitteren Thränen beneßt wird."

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Nun, der bitteren Thränen gab es wohl mehr, als der Tropfen edlen Weines, wenn wir dies Bild hier in dem Lebensbilde festhalten wollen. Die nächstfolgenden, zuerst in Leipzig   auf­geführten Opern des unermüdlich Schaffenden waren: Casanova" ( 31. Dezember 1841), der Wildschütz"( 31. Dezember 1842), Undine"( 4. März 1846), Der Waffenschmied  "( 7. August 1846), Der Großadmiral"( 13. Dezember 1847), Die Rolands­knappen"( 25. Mai 1849) ,,, Die Opernprobe  "( 17. Jan. 1852). ( Schluß folgt.)

Die Ameisenstadt in Pennsylvanien  .

Von Prof. Dr. L. Büchner.

Seit dem Erscheinen des großen Werkes von Forel über die Ameisen der Schweiz   und der populären Schrift des Verfassers über Ameisen und Bienen*) hat sich das allgemeine Interesse noch mehr als früher dem wunderbaren Treiben jener kleinen Geschöpfe zugewendet, welche in ihren staatlichen und gesellschaft­lichen Einrichtungen soviel Verwandtes mit den Einrichtungen der Menschen wahrnehmen lassen. Namentlich haben ein englischer und ein amerikanischer Forscher, Sir John Lubbock  , der Ver-­fasser der ausgezeichneten Schrift über die vorhistorische Zeit, und Reverend Henry C. M'Cook, ein in Philadelphia   wohnender Geistlicher, es nicht unter ihrer Würde gefunden, das Insekt der Insekten, die Ameise, abermals in ihrem merkwürdigen Thun und Treiben eingehend zu belauschen und haben dabei Gelegen heit gefunden, im wesentlichen alles das zu bestätigen und zu erweitern, was schon vor ihnen Forel und sein ausgezeichneter Vorgänger P. Huber gesehen und bekannt gemacht hatten. Namentlich hat der leztgenannte Herr, dessen Würde als Geist licher ihn nicht verhindert, den Werken der Natur als ächter Forscher nachzuspüren, mit unermüdlicher Geduld und Ausdauer die Ameisen seines Heimatlandes Pennsylvanien   studirt und dabei eine Entdeckung gemacht, welche wohl verdient, weiteren Kreisen bekannt zu werden. Uebrigens mag hier sogleich bemerkt werden, daß die Entdeckung des Herrn Cook nicht allein oder vereinzelt dasteht, sondern eigentlich nur eine Wiederholung( wenn auch freilich eine Wiederholung im großartigsten Maßstab) der schon von Forel auf den Bergen bei Genf   gemachten Beobachtungen über organisirte Kolonien einzelner Ameisenarten( Formica ex­secta und F. pressilabris) ist. Eine Kolonie ist nach Forel ein Ameisenhausen, welcher mehrere Nester gleichzeitig vereinigt, und wobei die Insassen an gegenseitiger Freundschaft und wahrschein lich auch in einer Art gegenseitigen Bündnisses leben. Alle Ameisen der Schweiz  , mit wenigen Ausnahmen, bilden zeitweise solche Kolonien, welche allerdings bei den meisten Arten nicht mehr als drei oder vier Nester umfassen. Bei einigen Arten dagegen nehmen die Kolonien einen weit größeren Umfang an, und findet man bisweilen ein in der Mitte gelegenes größeres Nest, welches den Mittelpunkt der Kolonien bildet und zu wel­chem die andern Nester sich wie sogen. Dependenzen oder Filialen zu verhalten scheinen. Die Kolonie hält als ein Ganzes zu fammen und man erlaubt sogar nicht, daß einzelne verlassene Nester derselben von anderen oder fremden Ameisen besetzt werden. Die größte Kolonie fand Forel auf einer Waldlichtung des Mont Tendre am Genfer See  . Sie war von der F. exsecta, einer Art der F. rufa oder Waldameise, errichtet und umfaßte mehr als zweihundert Nester, welche sich auf einem Umfang von

*) ,, Aus dem Geistesleben der Thiere, oder Staaten und Thaten der Kleinen." Von Prof. Büchner. 3. Aufl. Leipzig   1880, Thomas.

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150-200 Meter erstreckten. Die einzelnen Nester selbst hatten bis zu 7-8 Decimeter Höhe und 18 Decimeter Durchmesser an der Grundfläche. Millionen von Ameisen sah man fortwährend zwischen ihnen hin- und herlaufen, aber darunter keine einzige einer fremden Art. Einige am Rande der Kolonie gelegene Nester von Lasius flavus( gelbe Ameise) wurden von der exsecta erobert und in Besitz genommen.

Eine ganz ähnliche, von der mit der F. exsecta nahe ver­wandten F. pressilabris errichtete Kolonie fand Forel auf dem kleinen Salive bei Genf   zwischen Morney und Monnetier. Sie ist fast so groß wie die eben beschriebene; aber die Nester sind. etwas kleiner. Sie offupirt einen von verkrüppelten Stauden, auf welchen die Ameisen ihre Blattläuse erziehen, bewachsenen Plazz. Alle Bewohner der Kolonie sind untereinander Freunde und die Bewohner selbst der von einander am entferntesten ge= legenen Nester erkennen sich sofort gegenseitig, wenn man sie zusammenbringt und helfen einander beim Wiederaufbau der zerstörten Nester. Bringt man eine größere Menge derselben an einen entfernten Play, so beginnen sie alsbald mit Errichtung einer neuen Kolonie. Es begreift sich," sagt Forel ,,, welche Kraft in dieser Vereinigung liegt, und man kann ohne Uebertreibung diese Ver­einigungen, wie dieses bereits Huber gethan hat, den Städten oder Republiken der Menschen vergleichen."- Dieselbe Ameise nun( F. exsecta oder exectoïdes), welche Forel auf dem Mont Tendre antraf, fand Mc. Cook in dem Alleghanygebirge in Penn­sylvanien, wo sie dieselben Kolonien, wie in der Schweiz  , aber, wie bereits gesagt, in einem dem riesigen amerikanischen Konti­nente entsprechenden riesigen Maßstabe errichtet. Ihre Bauten, welche Cook im Sommer 1876 einer genauen Untersuchung unter­warf und über die er in den Verhandlungen der Amerikanischen entomologischen Gesellschaft vom November 1877 einen ausführ­lichen, mit vortrefflichen Abbildungen und photographischen Auf­nahmen ausgestatteten Bericht abgestattet hat, sind, wie der Herr Berichterstatter sagt, allen Bewohnern und Besuchern der pennsyl­vanischen Berge wohlbekannt. Eine ganze Woche verbrachte Cook in Gesellschaft zweier Gefährten auf dem von ihm gewählten Untersuchungsfeld auf dem westlichen Abhang des Bruschgebirges, ungefähr eine englische Meile nordöstlich von der schönen Stadt Hollidaysburg, indem er in einem am Rande des Feldes errich­teten Zelte wohnte und schlief. Die Ameise selbst führt in Penn­sylvanien eben ihrer Bauten wegen den besonderen Namen der hügelbauenden Ameise( Mount- making Ant). Die von Cook untersuchte Kolonie auf dem sogen. Camp- Riddle" nimmt einen Raum von ungefähr fünfzig Acres an dem südwestlichen Fuß des Bruschgebirges ein, und die Menge der von den Ameisen errichteten Hügel oder Wohnungen in dieser ,, Ameisenstadt", wie sie dort allgemein im Munde des Volkes heißt, beträgt nicht weniger als ungefähr 1700 also acht bis neunmal so viel,