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Chlodwig Cannabäus, Magnetiseur

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ein kostbarer Name| Spiritismus darstellen. Aber eine pikante Narrheit erschien mir dieser Magnetismus, und Lust am Pikanten war es zum guten Theile, daß ich, schon als ich die elektrische Klingel durch flüchtigen Druck in Bewegung sezte, so ziemlich fertig war mit dem Entschlusse, hier und nirgendwo anders Quartier zu nehmen. ( Fortsetzung folgt.)

und ein kostbarer Stand. Ich, der ich auch einer von denen war, welche sich mit der ganzen Bildung ihres Jahrhunderts ausgerüstet fühlen, konnte natürlich nur Narrheit oder Betrug suchen und finden in modernen Mysterien, wie sie der thierische Heilmagnetismus und der menschliche oder gar übermenschliche

Heißsporne und Sicherheitskommissarien im Gebiete der Naturwissenschaft.

Von Bruno Geiser.

Jedermann weiß und jeder vernünftige Mensch ist stolz darauf, daß die Wissenschaft von der Natur in ihren Allgemeingrund­säßen sowohl, als in allen ihren Einzelfächern während des lezten Halbjahrhunderts die gewaltigsten Fortschritte gemacht hat, Fortschritte, welche unsre Einsicht in den Bau der Welt erstaun lich erweitert und unsre Fähigkeit, die Naturkräfte zu unserm Vortheile zu verwenden, tief in das Meer des noch bis vor kurzem für unmöglich Gehaltenen hinein erhöht haben.

Nichts ist erklärlicher, als daß der Sturmschritt, welchen die erobernde Wissenschaft in neuester Zeit angenommen hat, bei den einen stürmische Begeisterung, bei den anderen zage Besorgniß

erregt.

Die heißblütigen Geistigstarken und Geistigjungen jubeln; sie fühlen sich fähig, gleichen Schritt zu halten mit der voran stürmenden Erkenntniß, sie möchten alles mit sich fortreißen und schießen in ihrem Feuereifer leicht genug über die Barrikaden der Thatsachen, über das Ziel der Wahrheit hinaus.

Die Geistesschwachen und-Alten schlagen die Hände über dem Kopf zusammen und zetern. Sie fühlen den Boden ihres wohlerworbenen Wissens unter den Füßen weichen und wissen sich selbst nicht start genug, mit dem Erwerben von neuem zu beginnen; sie trauen sich selbst sehr oft nicht die kritische Schärfe, die Urtheilssicherheit zu, welche dazu gehört, um guten Muths an die Prüfung des Neuen, an die Scheidung der spekulativen Spreu von dem Weizen der richtigen Erkenntniß zu gehen.

Mitteninne zwischen jenen, den Stürmern und Drängern, und diesen, den lebendigen Hemmschuhen am Rade des Kultur­fortschritts, stehen die Männer der Vorsicht, die Sicherheits­fommissarien; sie erheben warnend den Finger und die Stimme, deuten auf die Felsen, an denen sich der Pfad der Erkenntniß steil emporwindet und mancher feurige Kopf leicht zu schanden gehen kann, und suchen Angst zu verbreiten vor den Abgründen, welche zur Seite des Pfades sich öffnen.

- Die neueste Geschichte der Naturwissenschaft kennt die Stürmer und Dränger so gut, wie die Hemmschuhe und die Sicherheits kommissarien. Zwischen diesen letzten und jenen ersten haben sich dramatische Szenen und Afte, ja ganze große Schauspiele ab­gespielt, welche in mehr als einer Beziehung werth sind, betrachtet und beleuchtet zu werden.

Solch' ein vielbesprochenes, auch in der ,, Neuen Welt" mehr­fach und von berufenem Munde erwähntes Schauspiel ging in seinem ersten und Hauptakt auf der in den Septembertagen 1877 zu München   abgehaltenen Naturforscherversammlung in Szene. Die Akteure waren Gelehrte von hohem Rang und gutem Namen; als erster Held und Liebhaber trat auf der vielgefeierte Haupt­vertreter des Darwinismus in Deutschland  , der jenenser Professor Ernst Häckel  , und als Charakterdarsteller( mit einem leichten Anflug von Intriguantenthum) stellte sich ihm entgegen der be­rühmte Physiologe und Schöpfer der Cellularpathologie, der berliner Geheimrath Rudolf Virchow  .

Häckel   hatte das Wort ergriffen zu einer wohlvorbereiteten, die Quintessenz seines wissenschaftlichen Strebens und Erkennens enthaltenden Auseinanderseßung über das Verhältniß der heutigen Entwicklungslehre zur Gesammtwissenschaft.

Die Entwicklungslehre, die ihre siegreiche Verbreitung in erster Linie Charles Darwin   verdankt so führte er sein Thema aus-, greift tiefer als jede andere Lehre in unsre wichtigsten Ueberzeugungen ein, sie allein löst die Frage aller Fragen, die von der Stellung des Menschen in der Natur. Die Entwicklungs­lehre ist die Grundlage der organischen Formenlehre oder Morpho­logie geworden, indem sie den ungeheuer belangreichen Saz auf stellte und, wie die Darwinianer wollen, bewies, daß die Geschichte des Keimes ein Auszug der Geschichte des Stammes ist, welchem

der Keim entsproß, bedingt durch die Gesetze der Vererbung; ein Saz, welchen Häckel   schärfer und nach einer bestimmten Richtung hin einschränkend folgendermaßen faßt: Die Keimesentwicklung ( Ontogenesis) ist eine gedrängte und abgekürzte Wiederholung der Stammesentwicklung( Phylogenesis); und zwar ist diese Wieder­holung umso vollständiger, je mehr durch beständige Vererbung die ursprüngliche Auszugsentwicklung( Palingenesis) beibehalten wird; hingegen ist die Wiederholung umso unvollständiger, je mehr durch wechselnde Anpassung die spätere Fälschungsentwicklung ( Cenogenesis) eingeführt wird." Nach diesem Lehrsaße sind die Formwandlungen, welche der Keim, z. B. der Menschenembryo oder das Hühnerei u. s. w., in kürzester Zeit durchläuft, eine gedrängte und abgekürzte Wiederholung der Formwandlungen, welchen die Vorfahren des betreffenden Organismus, z. B. die des Menschen oder des Huhns, im Laufe vieler millionen Jahre unterlagen.

Wenn wir heute ein Hühnerei in die Brütmaschine legen," sagte Häckel   ,,, und in 21 Tagen daraus ein Küchlein ausschlüpfen sehen, so staunen wir nicht mehr stumm die wundervollen Ver­wandlungen an, welche von der einfachen Eizelle zur zwei­blättrigen Gastrulla( Keiniblase), von dieser zum wurmähnlichen und schädellosen Keime und von da zu weiteren Keimformen führen, die im wesentlichen die Organisation eines Fisches, eines Amphibiums, eines Reptils und zuletzt erst des Vogels zeigen. Vielmehr schließen wir daraus auf die entsprechende Formenreihe der Vorfahren, welche von der einzelligen Amöbe zur Stamm­form der Gasträa, und weiterhin durch die Klasse der Würmer, Schädellosen, Fische, Amphibien, Reptilien bis zu den Vögeln geführt haben. Die Reihe der Keimformen des Hühnchens gibt uns so ein skizzenhaftes Bild von seiner wirklichen Ahnenreihe."

nur

Mit der Entwicklungslehre ist neben andern in der That auch die uralte Frage nach der Herkunft des Menschengeschlechts gelöst. Der Mensch ist nicht allein ein Thier, wie andre Thiere die uns bekannte höchste Stufe einnehmend-, sondern er gehört zu einem wohlbekannten und weitverzweigten, von mehreren Klassen und vielen Arten repräsentirten Thierstamme, dem der Wirbelthiere, zu der Klasse der Säugethiere und deren Unterklasse der Placentalthiere und der Ordnung der Affen, ist also von Linné gerechtfertigterweise mit Affen und Fleder­mäusen in eine und dieselbe Ordnung gestellt worden.

Aber der Mensch ist nicht nur ein Thier, dessen nächste Ver­wandte heute noch in voller Thierheit auf den Bäumen herum­Kletternd oder in den Lüften fliegend ihre Existenz finden, sondern hängt auch über die ganze Stufenleiter der sogenannt organischen Wesen hinab in allem, was sein ist, auf das innigste mit dem anscheinend und vermeintlich Leblosen zusammen.

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Mit und in allem, was er hat und ist, auch in den sublimsten Aeußerungen seines geistigen Vermögens, denn fährt Häckel  fort, gleichviel, wie man sich auch den Zusammenhang von Seele und Leib, von Geist und Materie vorstellt, so geht soviel aus der heutigen Entwicklungslehre mit voller Klarheit hervor, daß mindestens alle organische wenn nicht überhaupt alle Materie in gewissem Sinne beseelt ist. Zunächst hat uns die fortgeschrittene mikroskopische Untersuchung gelehrt, daß die anatomischen Elementartheile der Organismen, die Zellen, allgemein ein individuelles Seelenleben befizen. Seit­dem Schleiden   vor vierzig Jahren in Jena   die bedeutungsvolle Zellentheorie für das Pflanzenreich begründete und Schwann gleich darnach sie auf das Thierreich übertrug, schreiben wir diesen mikroskopischen Lebewesen allgemein ein individuelles, selb­ständiges Leben zu; sie sind die wahren, Individuen erster Ordnung, die, Elementarorganismen nach Brücke.  - Diese Auffassung wird endgiltig begründet durch das Studium der