den Mächten des Verderbens ringt. Wenn längst das Andenken der Erfinder von Vernichtungswerkzeugen im Strome der Zeit versunken sein wird, dann werden noch immer die Namen der Wohlthäter der Menschheit, wie Galiläi, Newton, Kopernikus , Fulton, Watt und Stephenson in ungeschwächter Klarheit am Ruhmeshimmel glänzen. Dr. M. T.

Der gefangene Riese.

Kein Märchen. Von Rudolf Lavant .

Er rang sich wund an seinen Ketten Verzweiflungsvoll in strenger Haft, Und nimmer hofft er sich zu retten Aus dem Verließ durch eigne Kraft, Und Sonnenlicht und Wellenrinnen Und Finkenschlag und Fichtenduft, Sie wurden seinen trüben Sinnen

Zu Traum und Schaum im Bann der Gruft.

Es starrt sein Blick in öde Weiten Und grau ist alles, todt und kalt. Da sieht er schlüpfen es und gleiten Behend durch jeden Gitterspalt, Und Zwerglein sieht er dann erscheinen In knappen Wämsern, silbergrau, Und all' die fünfundzwanzig Kleinen, Sie nicken tröstend ihm und schlau.

Und emsig trippelnd sieht er eilen Ans Rettungswerk den Zwergenschwarm, Und emsig, unermüdlich feilen Die Fesseln sie von Fuß und Arm. Sie sehn mit ficherndem Gelächter, Wie er die Eisenthür erbricht

Er fällt mit einem Schlag den Wächter Und stürmt empor zu Luft und Licht.

Es fliehn mit schreckensbleichen Wangen, Die lange sicher sich geglaubt, Seit sie den Mächtigen gefangen Und Reich und Freiheit ihm geraubt. Er war im Kerker wohl verdorben, Von wannen teine Wiederkehr, Er war vielleicht bereits gestorben Sie durften schwelgen nach Begehr.

-

-

Nun steht er da sein Auge lodert. Zerstoben ihr gestohlen Glück! Mit drohender Geberde fodert Sein Recht der Schreckliche zurück. Es scheucht der Anblick seiner Züge Den Troß, der lange ihn verlacht, Es flüchtet die entlarvte Lüge Zurück ins Schattenreich der Nacht.

Und Jubel weckt in Feld und Gassen Das Tagen einer bessern Zeit, Und freudig zeigt der Fürst den Massen Die Zwergenschaar, die ihn befreit. Er neigt sich dankend vor den kleinen, Die ihn erlöst aus Kerkerdunst

Ja, als Erretter darf erscheinen

-

Dem Menschengeist die Druderkunst.-

14

gebieten der Natur der Sache nach auf diese Art von Industrie ein­zuwirken vermögen. Es ist dies eine so ausgemachte Thatsache, daß hierüber kein Wort verloren zu werden braucht. Immer wieder sind daher in unserm Jahrhundert unter diesen Handwerkern in allen Gegenden bittere Nothstände ausgebrochen, so 1837 und die nächstfolgenden Jahre während der allgemeinen, welterschütternden Handelskrisis, so vor und während der achtundvierziger Revolutionsjahre, wann, wie allbekannt, die Noth in Schlesien in ihrer schrecklichsten Gestalt auftrat, dann Ende der fünfziger Jahre, in denen namentlich das Königreich Sachsen auf das schwerste heimgesucht wurde und( 1858-60) im Erzgebirge der Hungerthyphus wüthete, ferner während und kurz nach dem sechsund­sechziger Krieg und endlich nach dem infolge des deutsch - französischen Kriegs, hereingebrochenen" Milliardensegen, nach den Orgien und Bacha­nalien der Gründer- und Schwindelperiode. Das aber sind, wohlver­standen, nur immer die Zeitpunkte, zu denen die Noth am stärksten hervortrat und in ihrer Schwere zum Bewußtsein der Allgemeinheit gelangte. Wie viel Entbehrung, Mangel und Elend in ganzen Distrikten oder in einzelnen Gemeinden und Familien dazwischen lagen, das kann hier nicht im entferntesten angedeutet, geschweige denn genau erörtert werden. Das Elend mußte in jenen Hungerjahren sich stets mit um so furchtbarerer Gewalt zeigen, je unzulänglicher die vorherige Ernährungs­und Lebensweise, je niedriger und unzureichender die Bildung in den vom Nothstand betroffenen Kreisen gewesen ist*). Hat doch gerade auf diesen letteren Umstand in den offiziellen Berichten selbst ausdrücklich hingewiesen werden müssen, und ist doch die ärmliche Daseinsart der sächsischen Erzgebirgler sprüchwörtlich bekannt! Wer hätte nicht von jenen Dörfern im sächsischen Grenzgebirge gehört, wo die Leute in zerstreut liegenden schindelbedachten Holzhütten familienweise beisammen sind drei bis vier Familien, jede mit einem Herdchen von Kindern, oft 20-24 Personen in einer einzigen Stube, die kaum neun Ellen lang und acht Ellen breit ist, Familien, deren Hauptnahrung Kartoffeln mit Salz sind, bei denen ein Fleischgericht als ein besonderer Leckerbissen nur etwa an Sonn- oder Festtagen auf den Tisch kommt, und deren Lieblings­getränk, der Kaffee aus Cichorien, Möhren, Gerste u. dgl. besteht- dieser Kaffee, der weniger stark, als wie der Erzgebirgler sich aus­drückt recht ,, lang" ist?

-

-

-

Aber und das ist das schlimmste man braucht heute nicht mehr nach diesen elenden Gebirgsdörfern zu gehen, um über die Mög­lichkeit eines solchen Lebens den Kopf zu schütteln,- der Weg zu den Stätten, an denen man derartige Erfahrungen machen kann, führt gegen= wärtig nicht minder über die ausgetretenen Schwellen der niedrigen Wohnungen kleiner Städte, wie über die steinernen Treppen der Häuser­kasernen der Großstadt. Die Berichte über das allgemeine Elend aller Orten predigen es deutlich genug, und doch wie sehr bleiben in manchen Fällen die Schilderungen dieser Berichte noch hinter der grau­samen Wirklichkeit zurück!

-

Der erwähnte Nothstand in Schlesien , der, kaum nachdem im vorigen Jahre die Kunde von dem unsäglichen Elend im Spessart , im Rhön - und Fichtelgebirge etwas vergessen, die allgemeine Aufmerksamkeit und Theilnahme auf sich zog, besteht, gerade wie im sächsischen Erz­ gebirge und an den Abhängen desselben, nicht etwa erst seit Jahresfrist. Er hat schon in den Jahren 1873 und 74 seinen Anfang genommen und seit dieser Zeit nur immer mehr um sich gegriffen und seine jezige schreckliche Höhe erreicht. Schon im Sommer 1877 berichtete man der ,, Sozialforrespondenz" aus Breslau über die Arbeiterverhältnisse in der Grafschaft Glaz u. a.:,,Die meist Weberei treibende Bevölkerung darbt und hungert. Für ein Stück Leinwand, das für Langenbielau gearbeitet wird, gab es in regulären Zeiten 6 Mark und darüber Lohn, heut erhalten die Weber, die oft 3-4 Meilen zur Ablieferungsstelle wandern müssen, 2-22 Mart pro Stück, und dabei wird ihnen noch eine be­stimmte Ablieferungsfrist vorgeschrieben, so daß sie jeßt nur zwei Stück pro Woche liefern dürfen, gegen 3-4 Stück in früherer Zeit." Im März von 1878 war schon der Ausbruch des Flecktyphus in verschie denen Ortschaften Ober- und Niederschlesiens konstatirt. Schon haben in dem einzigen Krankenhause von Waldenburg" schrieb damals der kranke Aufnahme gefunden und die schreckliche Krankheit ist bereits bis Breslau vorgedrungen. Die nächste Ursache der Noth ist entweder der gänzliche Mangel an Gelegenheit zur Beschäftigung oder der unglaublich niedere Arbeitslohn, auf den namentlich die Beschäftigung der Weber

-

Die Herde des Hungers im schlesischen Eulen- und sächsischen Merkur ", dem man keine Nebenabsichten unterschieben wird ,,, 40 Typhus­

Erzgebirge.

Von Dr. Mar Vogler.

Die Ursachen des allgemein herrschenden wirthschaftlichen Noth­stands sind mannigfacher Art; in den neuestens davon am schwersten heimgesuchten obengenannten Distrikten sind sie eine Folge des in den daselbst vertretenen Industrien eingeführten und immer mehr um sich greifenden Maschinenbetriebs. So sehr die Einführung der Maschinen in die Industrie einen fraglos großen Fortschritt nicht allein für dieſe, sondern für die gesammte menschheitliche Entwicklung bedeutet, eine so große Beschränktheit in der Auffassung der wirthschaftlichen Verhältnisse und des gesammten Kulturlebens die namentlich in kleinbürgerlichen Kreisen, mehr als man gemeinhin glaubt, noch gegen dieselben bestehenden Vorurtheile an den Tag legen- ebenso sehr springt die Thatsache in die Augen, daß seit dem Ueberhandnehmen des Maschinenbetriebs die Hausindustrie, in unserm Falle die Handspinnerei und Handweberei also, einen immer härter gewordenen Kampf um's Dasein, heute geradezu den Todeskampf kämpft, und daß namentlich die Lage der Handweber eine um so unsichrere und schlechtere iſt, je mehr die allgemeinen Welt­begebenheiten und selbst die Zustände und Ereignisse in fernen Länder­

-

*) Der ,, Oberschlesische Wanderer" schrieb: ,, Der wahre Grund, weshalb bisher die Wiederkehr von Rothständen in den untersten Schichten der oberschlesischen Bevölkerung immer noch möglich war, ist einfach der, daß die Lebensbedürfnisse dieser Schichten selbst in normalen und guten Zeiten auf ein solches Minimum herabgedrückt sind, daß sie nicht um den kleinsten Theil mehr verringert werden können, ohne die Fortexistenz der ein­zelnen Individuen auf das äußerste zu gefährden. Tritt in solchen Zuständen nur irgend ein an sich und unter anderen Verhältnissen durchaus nicht so schädlicher unglücklicher Bufall, Mißernte oder Theurung oder auch nur ein vorübergehender Mangel an Arbeit in der Land- und Forstwirthschaft ein, so muß der oberschlesische Arbeiter sofort immer wieder von neuem der Gefahr des Untergangs ausgefeßt sein, denn von dem Wenigen, auf welches er seine Lebensbedürfnisse bereits reduzirt hat, kann er absolut nichts weiter entbehren. Auch müßte der Staat auf seinen Gruben, in seinen Forsten und auf seinen Domänen mit der Gewährung höherer Tagelöhne, als die bisherigen es waren, voran­gehen, um den Arbeitern und deren Familien ein menschenwürdiges Dasein zu ermög lichen." Wie unzulänglich für die allgemeine Voltsbildung in dem nothleidenden Distritte gesorgt ist, dürfte aus dem Zugeständniß des preußischen Kultusministers von Buttkamer( in der Sigung des Abgeordnetenhauses vom 12. Januar d. J.), daß die Bahl der im Regierungsbezirk Oppeln fehlenden Lehrer sich auf 250 beläuft, hervor gehen. Auf das massenhafte Busammenwohnen des größten Theils der Nothleidenden in ganz engen, ungesunden Räumen" und die dadurch begünstigte Verbreitung ansteckender Krankheiten ist in vielen Berathungen und Berichten hingewiesen worden. D. Verf.

-

-

1