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erhebend, aber wenn seine Seele so tief getroffen ist, kann da nicht Ueberdruß des Lebens die letzten Worte seines Briefes, sie lassen mich das Schlimmste vermuthen."
Luise winkte sie mit einer Geberde zu sich. Minna ließ sich vor ihr auf das Knie nieder und Luise zog mitleidig den Kopf des Mädchens in ihren Schoß. Du armes Kind, beruhige dich doch," sagte sie, ihr mit der Hand das Haar zurückstreichend. ,, Der Brief hat dich ganz übermäßig aufgeregt."
" Ich werde ruhiger werden, sobald ich weiß, daß es mir möglich sein wird, zu ihm zu eilen. Luise, liebe gute Luise, gib mir das Geld, ich bitte dich darum."
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,, Das Geld würde ich dir wohl geben," Minna hob in rascher Freude den Kopf,- ,, aber," fuhr Luise fort, deinen Entschluß kann ich durchaus nicht billigen. Nun, wir wollen darüber schlafen; fomm morgen zu mir, wir wollen dann zusammen berathen, was wohl das Beste wäre."
,, Aber ich muß heute Nacht reisen, sonst könnte es zu spät sein." ,, Minna," rief Luise, und es lag unwillige Strenge im Ton und Blick ,,, du siehst in deinem Bruder immer noch den schwachen, weichherzigen Jüngling, denke, er ist ein Mann geworden, der schon manches im Leben durchgekämpft hat, und so wird er männ lich auch seinen Zorn und seine verletzte Eitelkeit bekämpfen, denn das ist's doch hauptsächlich, was ihm zu schaffen macht; wäre er aber wirklich aus so weichem, empfindlichen Stoff gemacht, wie du befürchtest, und vermag er einem Verlust, der ihn unverschuldet trifft und nur ihn allein trifft, nicht die Stirn zu bieten, so wird ihn deine Gegenwart auch nicht kräftiger und lebensfähiger machen, und wenn du ihn jetzt auch verhindern magst, eine Feigheit zu begehen, wenn du ihn auch dies einemal vor ihm selbst rettest, so wird das nächste Mißgeschick ihn nicht davor bewahren."
,, Wie hart du urtheilst," sagte Minna mit bebenden Lippen. " Ja, du bist zu hart, Tante," bestätigte Marie. ,, Mag sein," erwiderte Luise, aber wahrlich, ich verüble es ihm, daß er seine Schwestern mit seinen Liebesschmerzen behelligt und ihnen so unnüßen Kummer verursacht.".
,, Er hat keine andere Seele, die Antheil an ihm nähme, von uns weiß er, daß wir ihn lieben."
,, Grade deshalb hätte er dies pathetische Gewinsel, daß er sterben wolle, vermeiden sollen."
Minna erhob sich erregt. Jetzt bist du ungerecht, du beurtheilst ihn ganz falsch, weil du ihn nicht verstehst."
Ich kann ihn eben nur nach seinem Verhalten euch gegenüber beurtheilen," erwiderte Luise, deren sonst so ruhiger Ton jezt etwas gereizt klang; und mir gefällt es nicht, daß er seine jungen Schwestern nach dem Tode der Mutter sich selbst überLassen hat und nicht einmal fragt: Könnt ihr auch leben? Reichen eure schwachen Kräfte hin, euch zu ernähren, euch zu kleiden? Wie stellt ihr es an, um durchzukommen?"
Minna, die während dieser Rede im Zimmer auf- und abgegangen war, setzte sich auf ihren früheren Platz, grade Luisen gegenüber, und sie sah ihr ernst und fest ins Auge.
,, Weißt du, warum er es gethan hat? Weil ich es so wollte, weil ich ihn dazu gezwungen habe. Ich war neunzehn Jahre alt, als die Mutter starb, ich war kein Kind mehr, ich war gesund
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und stark und bin's geblieben. Ich konnte für mich sorgen und auch für meine Schwester. Der Bruder aber stand im Anfange seiner Studien, die ihm, dem Berufenen, eine schöne, glückliche Zukunft verhießen, sollte er diese unterbrechen, sein Glück zerstören? Ein Wort von mir, und es wäre geschehen, ein Wort, und gut und liebevoll, wie er ist, wäre er herbeigeeilt, er hätte seiner Kunst entsagt und wäre ein simpler Arbeiter geworden um unsertwillen. Ich habe dieses Wort nicht gesprochen. Bei Gott, ich hätte es nie verantworten können. Und es macht mich nun glücklich und stolz, daß ich kräftig genug war, die Laufbahn meines Bruders zu fördern, statt mich ihr engherzig entgegenzusetzen."
Es lag etwas Gewinnendes, wahrhaft Edles in diesen Worten. Sie kamen aus der Seele, und sie klangen darum schön, fast gewählt. Alle empfanden dies.
Marie nahm sie um den Hals und küßte sie. Du bist gut, du bist tapfer, Minna!" rief sie mit einer Art von Entzücken. Ja, tapfer war ich," entgegnete diese, und über das frische Gesicht mit den zarten Zügen flog ein freudiges Lächeln. Ich denke, ich habe mich tapfer gehalten. Ich habe der kleinen Amelie die Mutter, die sie so früh verloren hat, ersetzen müssen, ich habe sie zu einem guten, arbeitsamen Mädchen herangezogen, und wir beide bringen uns rechtschaffen durch. D, wir können uns schon selbst durch die Welt helfen, nicht wahr, Malchen?"
Die Angeredete nickte und sah mit einem Blick dankbarer Verehrung zu ihrer Schwester auf.
,, Du hättest dich weit besser durchbringen können ohne mich," entgegnete sie mit ihrer dünnen, etwas belegten Stimme, die noch wie die eines Kindes klang;„ du hast was gelernt, du hättest als Lehrerin eine Stelle finden können, aber da hätten wir uns trennen müssen; du hast das nicht gewollt und ich auch nicht, denn dann wäre ich gewiß gestorben. Und so bist du Handstickerin geworden und ich auch, nur daß du viel mehr arbeitest als ich, und dabei noch die größeren Entbehrungen trägst."
Minna warf ihr einen verweisenden Blick zu, ihr zugleich Schweigen auferlegend.
,, Das ist auch ganz in der Ordnung," erklärte sie dann ,,, ich fann eher einen Buff aushalten; ich glaube, ich würde fast zu dick und vollblütig werden, wenn ich nicht hie und da so ein bischen um das liebe Brot zu sorgen hätte." Unwillkürlich stieß sie ein kurzes, fröhliches Lachen aus. Sie war eine so durchaus sanguinische Natur, diese Minna.
Luise hatte längst ihren strengen Blick verloren, sie betrachtete vielmehr das Mädchen mit wirklicher Zärtlichkeit. Jetzt reichte sie ihr die Hand über den Tisch.
,, Du bist mein wackeres Mädchen, so muthig und tüchtig, wie nur eine; aber das hindert dich nicht, eine Menge Thorheiten und Unbesonnenheiten zu begehen, die eben nur ein Ergebniß dieser gänzlichen Verwaisung, dieser gänzlichen Selbstüberlassenheit sind. Du bist tugendhaft und rein, aber der Schein ist gegen dich und man tadelt dein Verhalten."
Minna senkte rasch, wie schuldbewußt, den Kopf. Ein dunkler Purpur schoß in ihre Wangen und ihre Brust hob und senkte sich merklicher. ( Fortsetzung folgt.)
Albert Lorking.
Eine Künstlerbiographie von Theodor Drobisch. ( Schluß.)
Vielfache Kritiken sind im Lauf der Jahre über die Werke und die Fähigkeiten des Komponisten erschienen, der zwar nicht zu den Heroen der Toukunst gehörte, aber mit seiner derben Komik und seiner gemüthlichen Weichheit den glücklichen Versuch machte: die Oper als Dichter und Musiker dem Volke näher zu bringen, ohne schädlich auf den Geschmack desselben einzuwirken. Der treffliche Kunstkritiker W. H. Riehl sagt in seinem Skizzenbuch: ,, Musikalische Charakterköpfe" von Lorging:„ Sein ganzes Naturell machte ihn zum gebornen Widersacher jener überwürzten, reflektirten Tendenzmusik der französischen Neuromantiker, welche die deutsche Oper so lange beherrschte. Lorging griff das deutsche Volkslied auf und wob es in mannichfacher Veränderung als den köstlichen Schmuck in seine Opern ein. Dieser glückliche Gedanke, die volksthümliche deutsche Liedesform aus der Posse
auch in die höhere komische Oper zu verpflanzen, hat ihn zum berühmten Komponisten gemacht."
Für die erste Oper zahlte ihm Ringelhardt kein Honorar, und was das Geld für„ Czar und Zimmermann" anbelangt, davon schweigt des Sängers Höflichkeit. Viel über acht Friedrichsd'or wird's nicht gewesen sein. Lorging war ja schon zufrieden, daß sein Bühnenchef die erste Aufführung riskirte, vorausgesetzt, daß die Oper feine Ausstattungskosten beanspruche. So erzählte mir der Inspizient Barthels nach der ersten Aufführung des ,, Wildschütz", daß die ganze Ausstattung mit achtundzwanzig Silbergroschen abgemacht worden sei, was die bunten Bänder gekostet, womit man einige der dörflichen Schulmädchen und die zwei auf Stangen gesteckten Kränze geschmückt habe.
Und nun die Honorare überhaupt. Von allen diesen Opern,