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1100 Seelen; aber es gibt bei uns kaum 20 Familien, welche nicht Noth leiden. Sind das nicht traurige Zustände? Und bei alledem muß zur Ehre unserer Weber gesagt werden: Zum Betteln sind sie mit nur ganz geringen Ausnahmen zu stolz! Sie hungern lieber und darben mit ihren Familien. Hier wäre ein Gebiet, auf welchem unbedingt Staatshilfe eintreten möchte." Der Habelschwerdter ,, Gebirgsbote" er­zählte u. a. folgendes: ,, Aehnliche Fälle, wie nachstehende kommen öfters bor  : eine blutarme Weberin hatte nach langem, inständigen Bitten endlich einen Fabrikanten bewegt, ihr Garne zu einer Webe Leinwand anzuvertrauen und sich fest verpflichtet, binnen 14 Tagen spätestens die Waare abzuliefern. Es vergingen 8, 10 bis 12 Wochen, aber keine Weberin ließ sich sehen. Endlich stellte es sich heraus, daß die Garne verkauft worden seien, und der Fabrikant strengte gerichtliche Klage an. Die Weberin wurde zum Bezahlen der Garne verurtheilt, und da solche nicht erfolgte, wurde Exekution nachgesucht, welcher der Fabrikant persönlich beiwohnte... Was für ein trauriges Bild präsentirte sich seinen Augen? In einer kahlen Stube auf einem höchst dürftigen Lager lag die Weberin, die einzige Ernährerin der Familie, seit Wochen darnieder. Durch einen unglücklichen Fall hatte sie ein Bein gebrochen und konnte teiner Arbeit vorstehen. Eine blödsinnige Schwester von ihr und fünf nackte Kinder starrten den Eintretenden entgegen und baten um- Brot! Der Hunger thut weh! Und so war nach und nach ein Stück Garn nach dem andern verkauft worden, und Brot dafür angeschafft. Solchem Elend gegenüber wären kalte Vorwürfe nicht angebracht gewesen, und so ging der Fabrikant mit dem Exekutor wieder nach Hause, bezahlte die Gerichtskosten und war tieferschüttert von der traurigen Lage dieser Familie. Bei diesen Betrachtungen drängt sich unwillkürlich die Frage auf, wie ist denn solchen Zuständen abzuhelfen? Alle Sachverständigen sind darüber einig, daß nur einzig und allein die Regierung durch ener­gisches Eingreifen helfen kann. Es sind auch in mehreren Petitionen bei dem Herrn Handelsminister die Mittel und Wege, dieser Noth zu steuern, angegeben worden, allein leider ohne Erfolg."

Noch ein Beispiel von der Art der Erwerbsverhältnisse in Schle­ sien   gestatte ich mir anzuführen. Ich entnehme dasselbe der ,, Schle­sischen Warte" vom 23. Febr. 1878, welche in der bezüglichen Nummer schreibt: Im schlesischen Kreise Habelschwerdt   gehört die Fabrikation von Zündhölzern zu den am meisten gepflegten Industriezweigen. Die Herstellung der Holzschachteln, in welchen die Reibhölzer verkauft wer­den, ist im Habelschwerdter Kreise zumeist Gegenstand der Haus industrie; fast ausschließlich werden Kinder in der elterlichen Wohnung, wenn man den kleinen, dumpfen Raum nicht besser als Schlaf- und Arbeits­stall bezeichnet, mit der Anfertigung dieser Schachteln beschäftigt. Zu einer million schwedischer Reibhölzer sind tausend Schachteln nothwendig. Die kleinen Arbeiter erhalten das Holz- und Papiermaterial fertig ge­schnitten aus der Fabrik. Die Arbeit der Kinder besteht darin, die einzelnen Stücke zusammenzukleben. Um tausend Stück solcher Schach­teln fertig zu stellen, sigen vier Kinder vom frühen Morgen bis zum späten Abend, einen vollen Tag mit vierzehn- bis sechszehnstündiger Arbeitszeit, Kinder im Alter von sechs bis vierzehn Jahren an der Arbeit. Für das tausend solcher Holzschachteln wird ein Arbeitslohn von fünf­undachtzig Pfennigen bezahlt. Ein Kind verdient somit täglich einund­zwanzig Pfennig bei einer Durchschnittsarbeitszeit von fünfzehn Stunden. Was wir hier rein objektiv erzählen, ist, so märchenhaft es klingen mag, kein Märchen, es ist eine Thatsache, von der sich jeder in den Hütten der Dörfer des Kreises Habelschwerdt  , sobald es ihm beliebt, überzeugen kann."

Wenn man die Höhe des Nothstandes, welche derselbe obigen Be­richten zufolge bereits in den Jahren 1877 und 1878 erreicht hatte, auch nur oberflächlich erwägt und sich vergegenwärtigt, daß der Staat sich seither irgendwelche Mittel dagegen in Anwendung zu bringen nicht genöthigt sah, so wird man sich gar nicht wundern, daß derselbe, durch die legtjährigen Mißernten und Ueberschwemmungen noch wesentlich gefördert, gegenwärtig einen so furchtbar ernsten Charakter angenommen, der ihn selbst in den Augen der Behörden fast nicht minder groß als den des Jahres 1847 erscheinen läßt*). ( Schluß folgt.)

Schürzen und meistens einen ganz geringen Futterstoff, welcher lettere unter dem Namen Schimmel   bekannt ist und dessen Verkaufspreis circa 20 Pf. pro Meter beträgt. Die­jenigen Weber, welche Züchen und Schürzen fertigen, verdienen täglich circa 60-70 f., resp. 90 Pf. bis 1 M. 20 Bf., und können noch allenfalls ihre Familien mit diesem Verdienst, wenn nicht Krankheitsfälle und infolge dessen Arbeitsunfähigkeit eintritt, noth­dürftig unterhalten. Diejenigen Weber aber, welche den geringen Futterstoff verfertigen oder wegen Mangels an anderer Arbeit verfertigen müssen, verdienen täglich nur 30 bis höchstens 40 Pfennige, und sollen von diesem so sehr geringen Verdienst für sich und ihre oft starken Familien(, die Bevölkerung in Oberschlesien   vermehre sich ganz über die Gebühr, sagte Dr. Birchow im preußischen Abgeordnetenhause!) Miethe zahlen, sowie Kleidung, Lebensmittel und Feuerungsmaterial verschaffen!! Für einen in die Verhältnisse uneingeweihten erscheint diese Angabe unglaublich, sie ist aber wahr, und nur der Augenschein kann das elende Leben dieser unglücklichen Weber dokumentiren, welche gern arbeiten, aber bei dem sehr geringen Verdienst, dem Mangel des Haupt­nahrungsmittels, nämlich der Kartoffel, infolge der Mißernte in hiesiger, vom Bahn­verkehr abgeschlossenen Gegend und bei dem ſtrengen Winter im hiesigen Gebirge thatsächlich mit ihren Familien darben müssen. Die Zahl derjenigen Weberfamilien, welche den obigen geringen Verdienst von täglich nur 30-40 Bf. haben, beträgt in hiesiger Stadt über 70; hierzu treten noch ca. 30 Taglöhnerfamilien, welche vollständig arbeitslos find, sodaß die Zahl der hierorts nothleidenden Familien 100 beträgt( die Stadt Lewin hat im ganzen eine Einwohnerschaft von 1670 Seelen!)." D. Verf.

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*) In einer am 15. Dezember v. J. zu Ratibor   abgehaltenen Nothstandskonferenz erklärte der tgl. Landrath Pohl u. a., daß die Verhältnisse des Kreises Ratibor   faktisch so lägen, daß die Arbeiterbevölkerung aus Mangel an schüßender Kleidung zuhause hinter dem Ofen sizen müsse und daß sie ihre einzigen Lebensmittel, bestehend in schlechten, wässerigen Kartoffeln, bereits aufgezehrt habe. Der dadurch hervorgerufene

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Arabesken zur Judenhat.

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An die frommen Judenhasser: ,, Jemand lieb' ich, das ist nöthig; Niemand hass' ich; soll ich hassen, Auch dazu bin ich erbötig, Hasse gleich in ganzen Massen."- ( Aus Ludwig Börnes Tagebuch.)

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Wollte man alles, was contra Judaeos( wider das Judenthum) geschrieben worden, in einen Band vereinigen, es läge vielleicht ein Werf im Umfange einiger fünfzig Druckbogen vor uns, das nach der löblichen Mode unserer Zeit irgend ein unternehmungsfreudiger Ver­leger illustriren und auf jeder Seite mit Arabesten zieren zu lassen, in dem uneigennüßigen Gedanken, der deutschen   Welt ein Nationalpracht­werk zu schenken, keinen Anstoß nehmen würde. Nun, sehr geehrter Herr Verleger, hier einige Stilmuster für den künstlerischen Schmuck Ihres Buches! Der ehrsame deutsche Kaiser Wenzel erließ dereinst eine Erklärung, daß alle Schuldforderungen der Juden an die Christen getilgt seien, wenn diese Im ihm 15 Prozent dafür entrichteten. Jahre 1261 ließ Erzbischof Rupert von Magdeburg die daselbst zum Laubhüttenfeste versammelten reichen Juden gefangen sezen, ihre Buden erbrechen und das vorgefundene Gold und Silber wegnehmen, nur Als im gegen Zahlung von 100 000 Mark wollte er sie freilassen. Jahre 1347 in Deutschland   eine furchtbare Pest ausbrach, deren Opfer die Zeitgenossen auf die Hälfte des menschlichen Geschlechtes angeben, war es das Wert fanatischer Priester, daß die Ursache dieser Epidemie den Juden in die Schuhe geschoben wurde; sie sollten, so hieß es, die Brunnen vergiftet haben. In Folge dessen brach in fast ganz Deutsch­ land  , zumeist in den größeren Städten, eine Judenverfolgung aus, die an Schrecknissen reich, wohl keine zweite nur annähernd ähnliche hat. Von der Donau   und den Quellen des Rheins hinauf bis zur Ostsee  griff der Pöbel die Unglücklichen mit einer unsagbaren Wuth an, viele tausend wurden unter den schauderhaftesten Szenen gemordet. Ihre Wohnungen wurden verbrannt. Sie selbst", so schreibt Rotteck ,,, zünde­ten dieselben an, stürzten ihre Kinder in die Flammen, sich selbst in Dolch und Schwert." Bekannter ist, daß von den kirchlichen Behör­den in Deutschland   den Juden verboten war: Christliche Ammen(!) zu halten( der Jude, der eine Christin verführte, wurde verbrannt); an christlichen Sonn- und Festtagen zu arbeiten oder ihre Buden zu öffnen; dieselben offen zu halten, wenn das ,, heilige Sakrament" vorbeikam; während der Charwoche auszugehen; an Fasttagen Fleisch zu kaufen und anderes Aehnliche mehr. Es wurden ihnen zum Deftern ihre Kinder weggenommen und gegen ihre Einwilligung getauft. Als 1241 zu Frankfurt   sich die Juden dagegen widerseßten, wurden ihrer 180 erschlagen; die übriggebliebenen 24 wurden getauft; das Erbe der Er­schlagenen zog Heinrich IV.   als ,, herrenloses Gut" ein. Wer freiwillig getauft war und dennoch zurücktrat, erlitt bisweilen die Todesstrafe. Nicht minder und oft noch schrecklicher erging es den Juden in Frank­ reich   und England. Aus der Menge der verbürgten Beispiele sind wenige hinreichend, die Lage der Unglücklichen auch in's einzelne zu charakterisiren. Im Jahre 1180 ließ Konig August von Frankreich   die Juden im größten Theile seines Reiches an demselben Tage festsetzen, ihr Ver­weil sie ein Christenkind in die Loire   geworfen hätten, und In Avignon   mußten sie( ebenso wie die lieder­mögen einziehen. berührt hatten. lichen Dirnen) alles taufen, was sie erließ Ludwig IX.   die Vorschrift: es soll gegen den, der einen Juden. erschlug, keine Klage erhoben werden. An Geld und einzelne am Leben bestraft, wurde die Gesammtheit der Juden bald ganz verbannt, bald wieder zurückgerufen, dann aber, nachdem sich ihre Taschen wieder gefüllt, ihr Vermögen eingezogen, sie selbst entweder gemordet oder des Landes von neuem verwiesen. Sie wurden also gleichsam als Geldsauger von den Fürsten   an's Volf gesetzt und hatten sie sich recht voll gesogen, von diesen selbst wieder ausgepreßt. In England war es nicht anders bestellt. Im Jahre 1210 ließ König Johann alle Juden einfangen, damit sie sich mit Geldern lösten. Einem, welcher sich weigerte, das Verlangte zu geben, wurde täglich ein Backenzahn ausgezogen; zu wankelmüthig und durch Schmerzen erschöpft, zahlte er beim Verluste des achten Zahnes. 1239 mußten die Juden wegen angeblichen Christenmordes den dritten Theil ihrer Einkünfte abliefern; zwei Jahre später zahlten sie bei Strafe der Verweisung oder lebensläng­lichen Gefängnisses 200 000 Mark; 1243, also wieder zwei Jahre darauf, nahm Heinrich III.   von den nochmals Besteuerten das Gold eigen­nur das Silber! Nach händig in Empfang, seine Beamten diesen Beispielen wird es den Leser nicht wundern, wenn wir die Behaup­tung aufstellen, daß den egoistischen Interessen der Fürsten   die religiösen Motive, aus welchen früher vielleicht der Kampf geführt sein mochte, gewichen waren. Vielleicht die einzigen, die den Religionsunter­schied nicht ganz außer acht lassen wollten, waren die römischen Päpste und die Schriftsteller der katholischen Kirchengeschichte. Sie nannten als leitende Gedanken des Kampfes die schädlichen Lehren des Talmuds und anderer jüdischer Schriften. Gregor IX.   und Innocenz IV. befahlen in Folge dessen, daß ihnen alle diese gefährlichen" Bücher verbrannt werden sollten. Daß es aber mit ihren Lehrbüchern feine ,, gefährliche" Bewandtniß gehabt zu haben scheint, geht schon aus folgenden Sprüchen Nothstand sei nicht nur schon im vollsten Maße vorhanden, sondern sei auch durch den bedenklichen Gesundheitszustand der nothleidenden Bevölkerung ,, sichtbar nicht mehr fern D. Verf. von dem des Jahres 1847".

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