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großer jüdischer Gelehrten der damaligen Zeit hervor, und wenn diese Männer Aussprüche wie die folgenden in einer Zeit der größten Erniedrigung für sie thun können, wer wollte dann noch an einen Talmud- Juden im schlimmsten Sinne des Wortes glauben? ,, Auch der Frömmste", so sagt der große Jehuda ,,, hat keinen Anspruch auf göttliche Belohnung, und er fann in tausenden von Jahren nicht die kleinste der empfangenen Wohlthaten vergelten." ,, Bei allem, was du thust, bei jedem Vorsay, den du fassest, vergiß nicht, daß du vor Gott stehest."( Moses von Evreux.) ,, Diejenigen", spricht Moses von Couch ,,, die lügenhaft sind gegen Nichtjuden und sie bestehlen, entweihen den Namen Gottes." Es waren, so darf man freimüthig sagen, ihre Verfolgungen schlimmere, als die, unter welchen die ersten Christen zu dulden hatten, nicht, als wenn sie blutiger, systematischer oder grausamer in der Wahl des Martyriums gewesen wären, nein, aber während dort die Christen als staatsfeindliche Helden neuer Ideen in einen Tod geschickt wurden, dessen die Sache werth war, für die man focht, der die Dulder in den höchsten Grad der Begeisterung zu sehen vermochte, als eine Marter für eine große und schöne Sache, wenigstens für ein bestimmes Ziel, werden hier die Juden gemartert ohne einen großen Zweck, ohne eine Staatsoder Religionsidee. Denn wer möchte noch des Glaubens sein, daß es im Kampf des Christenthums und des Judenthums gewesen sei, daß überhaupt kulturhistorische oder religiöse Beweggründe obwalteten? Kein Christ konnte im Schoße einer überall anerkannten, in ihren absolutistisch- despotischen Gesezesausführungen unangefochtenen Kirche an eine gefährliche Gegnerschaft des Judenthums glauben; die ganze Verdie ganze Verfolgung ward immer mehr eine niedere Leidenschaft, über die sich der einzelne nicht mehr Rechenschaft geben konnte; was Jude war, war nun einmal ungeschützt vor der gesetzlichen Willkür; was Jude war, galt stillschweigend Generationen hindurch für ein Opfer, das hinzuschlachten, wenn auch gerade keine Pflicht, so doch keine Unehre war. M. B.
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Ein Opfer der See.( Bild Seite 20-21.) Wie eine Schaar Küchlein an die Henne schmiegt sich die Gruppe der nordfriesischen Inseln 17 an der Zahl an die Westküste Schleswigs . Die größte unter ihnen ist Sylt, der nördliche Nachbar Föhrs. Jede einzelne von ihnen bietet in ihrer Küstenentwicklung die trefflichste Gelegenheit zu Seebädern, aber auch zum Anprall der unaufhörlich nagenden Flut, und in der That sind die Nordseebäder der nordfriesischen Inseln ebenso altberühmt wie die zähe Ausdauer ihrer Bewohner im Kampfe mit den Elementen. Unser Bild führt uns nach dem großen, schönen Dorfe Nieblum auf Föhr . Offen, gerade gegen Westen gekehrt, liegt hier in meilenlanger Ausdehnung der Strand mit seinen Dünen, hinter denen die Wohnungen stehen, bei Sturm mit Wogen kämpfend, die sich aufrechtstellen und überstürzen. Ist es ein Wunder, daß die wetterharten Männer, die Zeit ihres Lebens mit der tüdischen Salzflut fämpfen, wortfarg und verschlossen sind? Und doch sind aufrichtigere Menschen, wie diese Inselfriesen, schwerlich anderswo zu finden. Die Frauen und Töchter des Hauses gehen ganz in der Sorge für die Männer auf und haben auch noch eine andere, nicht zu unterschäßende Eigenschaft, nämlich die, ebensowenig Worte wie ihre Männer zu machen. Der Bewohner des stattlichsten Hauses von Nieblum , dessen Pforte zwei Buchen beschatten, hieß Jochen Lahrsen und war ein grimmer Seebär, der, nachdem er seine Jugend auf den Schiffen fast aller seefahrenden Nationen verbracht, im Alter wohlbestallter Lootse seiner Heimatsinsel wurde. Troß dem Haufen blanker Thaler in seinem Spinde ist er nicht glück lich, weil ihn sein Weib nur mit einem Töchterchen, der schmucken, blonden Tine beschenkt hatte. Deshalb beneidet der alte Griesgram seinen lustigen Nachbar, den Krämer Jansen, nicht etwa um seine gute die er doch nicht zu schäzen wüßte nein, um seinen Sohn Jan. Obzwar der forsche Junge ein ebenso schneidiger Seemann zu werden versprach, wie es einst der alte Lahrsen gewesen, war er diesem ein Dorn im Auge. Daß Tine und Jan unzertrennliche Spielgefährten waren, blieb Lahrsens größter Kummer und mehrte täglich seinen Groll für alles, was Jansen hieß. Als der Krämer zur Verwunderung von Nieblums Insassen, die sammt und sonders seit Menschengedenken nur die Dorfschule absolvirt haben, seinen Sohn auf die Handelsschule nach Hamburg schickte, da lachte Lahrsen verstohlen ins Fäustchen, aber Tine und Jan vergossen reichliche Thränen und schwuren sich ewige Treue. Auch das bewährte Mittel zur Linderung der Liebesschmerzen, der Briefwechsel, wurde in Anwendung gebracht, und man muß es zu ihrer Ehre gestehen, daß er in ungeschwächter Lebhaftigkeit, dem alten Lahrsen zum Troß, fünf volle Jahre währte. Als nach dieser Zeit Jan Jansen als ausgelernter Kaufmann mit einer Anstellung in der Tasche nach Nieblum zurückkehrte und um Tine's Hand anhielt, schlug fie ihm Lahrsen mit dem Bedeuten ab, kein Federfuchser, nur ein Seemann
Laune
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solle seine Tochter zum Altare führen. Tine's Thränen schnitten dem jungen Kaufmann ins Herz, doch lähmender Kummer ist nicht Friesensache. Er machte kurzen Prozeß, zog die blaue Seemannsjacke an, bestand sein Steuermannsexamen und ging zur See, von Tine's Segenswünschen begleitet. Der harte Vater hatte die Hochzeit auf noch weitere drei Jahre hinausgeschoben und Tine's einziges Vergnügen während dieser Frist bestand darin, so oft sie konnte, an den Strand zu wandern, um dem Meere ihre Sehnsucht nach dem geliebten Jan zu ver
trauen.
über das trügerische Element, das sich das arme Mädchen zum Vertrauten erforen! Am Morgen liegt es da, sanft schimmernd, glatt und friedlich im Sonnenscheine, und am Abend, wenn der Nordweststurm pfeift und salzige Schaumflocken mit scharfem Flugsand weit über das Gestade schleudert, schlägt es donnernd gegen den Strand. Einige Tage vor Ablauf der Prüfungszeit gab der Sturm ein Extrakonzert. Die beutegierige Flut drohte das nebelumhüllte Eiland zu verschlingen und die großen Strandvögel stimmten in kurzem Klagelaut sein Todtenlied an. Trog Ungemach, Sturm und Kälte eilte Tine an den Strand. In dem aufgeweichten Marschboden, worin ihre Füße bis an die Knöchel einsanken, ging es viel zu langsam für ihre Sehnsucht vorwärts, desto schneller aber auf dem graugelbem Sandboden der Dünen. Als sie den höchsten jener wandelnden Hügel erklomm, dessen Sandmassen der Sturm morgen vielleicht auf der entgegengesezten Seite der Insel aufhäufen wird, zog sie einen Brief heraus und durchlas zum, der Himmel weiß, wie vieltenmale seinen Inhalt. Jan berichtete ihr seine Fahrt von Christiania nach Hamburg , es sollte seine letzte sein, denn nach der Verheiratung mit Tine wollte er die Lootsenstelle des alternden Schwiegervaters übernehmen. Er gab ihr genau Tag und Stunde seiner Vorbeifahrt an den Watten zwischen Sylt und Amrum an. Freilich gehörten die Augen einer Friesin dazu, das dunkelbordige Schiff zwischen den sturmaufgewühlten Wogen in meilenweiter Entfernung zu erkennen, aber was hofft der Liebende nicht alles, und was er hofft, das glaubt er. Vorderhand hinderte ein bleigrauer Nebelvorhang jegliche Aussicht, aber mit den launenhaften Sprüngen des Wetters jener Küstengegenden bekannt, hoffte Tine noch immer auf einen freien Ausblick. Das wetterfeste Mädchen, das Zeit ihres Lebens den kraftvollen, salzdurchtränkten Meeresathem eingesogen, war auch an die Schrecknisse des Meeres gewöhnt; aber heute beängstigte sie der ungewöhnlich brüllende Wogendrang. Kälte und Nässe machten sie erschauern. Immer und immer wieder, wenn ihre Augen den Nebelvorhang nach der angedeuteten Richtung zu durchdringen suchten, beschlich sie Todesahnung. Plötzlich zerriß die scheidende Sonne den Nebelvorhang und trat zugleich rothglühend aus dem Wettergewölk, daß ihr Abbild, in purpurnen Feßen und Funken zerrissen, aus der dunkelwogenden Flut aufspiegelte. Die Thurmuhr von Nieblum schlug sieben. Das war die im Briefe Jans angegebene Stunde der Vorbeifahrt. Tine strengte ihre Augen an, um auf dem für einen Augenblick glänzenden Wasserspiegel Jans Schiff zu erspähen. Jetzt hält sie den Athem Von dem goldumränderten Wolfenzug am Rande des Horizontes hebt sich ein schwarzer Punkt ab und gleitet mit der Flut zum Strand. st es eine Schiffsplante, ein Seehund oder ein Mensch? Tine muß Gewißheit haben. Als echte Friesin entledigt sie sich, ohne sich lange zu bedenken, ihrer Schuhe und läuft die Düne herab durch große und kleine Tümpel der Stelle zu, wo der Gegenstand landen muß. Jezt stößt er auf den Sand. Bei seinem Anblick entringt sich ein Schrei es ist die Leiche ihres Bräutigams. des Entsetzens ihrer Brust mit letter Kraftanstrengung zieht sie den Ertrunkenen auf den Strand Unser Bild stellt den und stürzt neben ihm ohnmächtig zusammen. Moment dar, wie Onkel Andersen, der Tine mit dem Leichnam am Strande gefunden und beide nach Nieblum zurückgebracht hat, das entseßliche Unglück dem alten Lahrsen und dem schmerzgebeugten Jansen erzählt. Jans Mütterchen humpelt am Stocke herbei und die Nachbaren strömen in der Lootsenstube zusammen. Weder ihr Klagen, noch Tine's Verzweiflung kann den Todten zum Leben erwecken. Die Opfer der See, Jans Gefährten, elf an der Zahl, die zwischen Amrum und Sylt gestrandet und als Leichen auf Föhr gelandet waren, wurden am andern Tage mit Jan zur ewigen Ruhe bestattet. An dem offenen Grabe war Tinen der Trost der Thränen versagt, weil der Kummer ihren Born erschöpft hatte, dafür raubte ihr das gütige Geschick das volle Bewußtsein des unerseßlichen Verlustes. Von Wahnsinn umnachtet, wähnte sie den Bräutigam schlafend und unterbrach die Grabrede des Pastors mit dem Ausrufe:„ Es kann nicht sein, nein, es kann nicht sein!" Aber der Tod hat eine stärkere Ueberredungsgabe als der Pastor, denn als die Erdschollen auf dem Sargdeckel wie Hammerschläge dröhnten, zerriß der Schleier des Wahns, der ihr die traurige Wahrheit verhüllte, und im vollen Bewußtsein ihres unsagbaren Jammers starb sie am gebrochenen Herzen. Dr. M. T.
an.
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Inhalt. Die Schwestern, Roman von M. Kautsky( Fortsetzung).-Albert Lorging. Eine Künstlerbiographie von Th. Drobisch ( Schluß). Wasserversorgung und Wasserreinigung, von Rothberg- Lindener. Heißsporne und Sicherheitskommissarien im Gebiete der Naturwissenschaft, von Bruno Geiser. Mein Freund, der Klopfgeist. Eine Spiritistengeschichte aus dem leßten Drittel des 19. Jahrhunderts, von H. E.( II.)- Die Herde des Hungers im schlesischen Eulen- und sächsischen Erzgebirge , von Dr. Max Vogler( Fortsetzung).- Arabesken zur Judenhaß. Ein Opfer der See( mit Illustration).
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