abschließend. Sie bemerkte, daß Amalie über ihrer Arbeit ein­geschlafen war. Das müde Köpfchen war gegen die Brust geneigt, die Hand, welche die Nadel gehalten, hing schlaff herab, während diese selbst am Faden hin- und herbaumelte. Eine sanfte Röthe war über dem zarten Kindergesichtchen ausgegossen, welches die dunkelblonden Flechten so schön umrahmten. Minna ging auf sie zu und berührte leise ihre Hände, sie fühlten sich eiskalt an. Malchen fuhr auf und die Augen gewaltsam öffnend, suchte sie sich zu fassen und wollte weiter arbeiten, aber Minna führte die Schlaftrunkene zum Bette und löste ihre Kleider. Malchen wehrte sich nicht und als sie bald darauf unter der Decke lag, that sie einen Seufzer tiefinnersten Behagens, und mit einem Blick voll Dankbarkeit sagte sie: ,, Gute Nacht, Minna," dann legte sie sich auf die Seite und in der nächsten Minute hörte man die tiefen gleichmäßigen Athemzüge der wieder Eingeschlafenen.

Minna sezte sich zur Arbeit. Es war nur etwas über neun und sie war gewohnt, bis Mitternacht zu arbeiten. Die Nadel flog flink auf und nieder, bei ihrem jedesmaligen Durchstechen der in den Rahmen gespannten Leinwand ein hartes, prasselndes Geräusch verursachend. Von Zeit zu Zeit, wenn die angestrengten und verweinten Augen zu brennen anfingen, hielt sie einen Augen­blick inne, hauchte in die hohle Hand und legte diese hierauf über die Augen. Man hatte ihr gesagt, daß dies die müden Augennerven wieder beleben solle, sie fand es nicht bestätigt. Dann sah sie wieder einmal auf die eintönig tippende Uhr, die einviertel und dann einhalb schlug. Plößlich fuhr sie in die Höhe, es war ihr, als taste jemand von außen an der Thür herum, und jetzt vernahm sie ein leises, ganz leises Pochen. Wer kann das sein, dachte sie, so spät? Friz hat doch nicht seinen Schlüssel verloren? Sie näherte sich der versperrten Thüre. Wer ist's?" fragte sie mit unterdrückter Stimme, sie wollte Malchen nicht wecken.

-

Eine zarte Flüsterstimme antwortete: ,, Mach' auf, ich bin's, Marie."

Im Augenblick war der Schlüssel umgedreht, die Thür öffnete sich und Marie überschritt die Schwelle.

"

,, Du, und allein!" rief Minna, aufs höchste überrascht. Pst!" machte Marie, den Finger an den Mund legend und einen Blick nach dem Bette werfend, in welchem Malchen, im Schlafe murmelnd, sich soeben umgewendet hatte. Pst, wecke die Kleine nicht; ich wollte nur einige Worte mit dir Minna faßte sie bei der Hand und leise auftretend führte sie sie zum Tische, wo sie ihr einen Stuhl anwies und hierauf selbst so nahe wie möglich an ihrer Seite Platz nahm. Forschend sah sie ihr ins Antlig.

-

Was ist's denn, ist etwas vorgefallen?" ,, Nicht das Geringste," erwiderte ihre Freundin, ihre Stimme herabdämpfend ,,, aber ich wußte, daß die Unruhe, die Sorge um den Bruder dich nicht schlafen läßt und darum" sie hielt einen Augenblick wie verlegen inne, dann, sich noch näher zu ihr hinbiegend, sagte sie hastig, fast ohne Athem: Minna, du weißt garnicht, wie gut ich dir bin, wie alles, was dir wehe thut, auch mich berührt, und wie gern ich in deinem jezigen Kummer" sie stockte.

-

Minna ergriff ihre Hand. Du bist gekommen, um mich zu trösten, du gutes Herz."

,, Ja, aber auch helfen möchte ich dir." " Wieso helfen, Marie?"

" Nun," flüsterte Marie ,,, es muß dir doch alles daran liegen, deinen Bruder wiederzusehen, ich meine selbst, es kann dies nicht rasch genug geschehen, in seinem Zustande- wie sehr bedarf er einer treuergebenen Seele."

Nicht wahr, du fühlst das auch!"

,, Ganz so, wie du, und daß es nicht verschoben werden darf." " Ich will, ich muß gleich morgen, wenn nur-" " Die Tante diese Einsicht hat," fiel Marie in erregtem Tone ein, wobei sich ihre Stimme ein wenig stärker hob; sie bemerkte es, und sich sogleich mäßigend, fuhr sie wieder mit halber Stimme fort: Ich fürchte sehr, sie wird morgen mit noch kälteren Augen die Sache ansehen und dir die Reise erst recht widerrathen; so gut sie auch sonst ist, für solche Leiden hat sie kein Verständniß." Minna drückte die Hände ineinander.

,, Nein, sie hat kein Verständniß," wiederholte sie bestimmt ,, aber was soll ich thun? Ich müßte-"

43

unter dem umgeworfenen Mantel hervor,- ,, nimm und ver= kaufe dies, es wird die Reise decken." Minna nahm es überrascht entgegen und es vor sich auf den Tisch stellend, öffnete sie dasselbe.

"

"

Eine Münze von Gold!" rief sie.

Pst, nicht so laut," mahnte Marie, die sich erhoben und ihr über die Schulter sah. Es ist mein Eigenthum, ein Geschenk, glaube ich, meines Pathen, ich habe es unbenugt im Kasten liegen; es soll zehn Dukaten schwer sein, soviel mußt du wenigstens da= für erhalten."

Minna schüttelte den Kopf.

Das kann ich nicht nehmen."

Marie sah sie mit großen Augen an.

,, Nicht?" fragte sie mit einiger Heftigkeit. Aber es handelt sich um deinen Bruder; es gilt vielleicht ein Unglück zu ver­hüten, und du weisest dies zurück, du spielst die Empfindliche mir gegenüber? Aber dann ist dir dieser Bruder nicht so theuer, als du sagst, dann liebst du ihn nicht."

Minna nickte ihr zu: ,, D, du hast recht, wie könnt' ich zaudern, ich nehms von dir und danke dir dafür aus ganzer Seele, und Alfred selbst, wenn er erfahren wird, was für ein gutes, edles Herz für ihn-"

Marie unterbrach sie erschreckt.

Für ihn, sagst du? Onein, ich thue das nicht für ihn, das darfst du nicht glauben, das ist nicht wahr, ich thu' es für dich, weil ich's nicht ansehen kann, wie du dich härmst-"

Sie hielt in lieblicher Verwirrung inne, als sie das kleine, schalkhafte Lächeln bemerkte, das Minna's Lippen fräuselte und in ihren Augen sich aussprach. Diese nahm sie um den Hals und flüsterte ihr ins Ohr:

,, Doch auch für ihn, ein wenig, ein ganz klein wenig, wie? Was thut's, du bist ja keine alte Tante, die für solche Fälle kein Verständniß hat, du hast's, du hast's, gesteh's."

-

Marie senkte die Augen. Nun ja, man hat doch Mitgefühl für alle guten Menschen, aber" ihr Ton wurde ernst und dringlich ,, du darfst ihm das nie und nimmermehr verrathen." ,, Wenn's aber nur allgemeine Menschenliebe--"

" Einerlei, er darf es nicht erfahren, daß ich dir das gegeben habe, es ist nur unbedeutend, freilich, und dennoch will ich's nicht, du darfst's ihm nicht erzählen und niemanden; versprich es mir, versprich mir's feierlich."

Sie hielt ihr die Hand hin, Minna erhob mit schalkhaft über­triebener Wichtigkeit die ihre.

Ich verspreche es feierlich." Ein kräftiger Handschlag be­siegelte dies Uebereinkommen, dann küßte Marie ihre Freundin. ,, Und nun leb' wohl."

,, Du gehst schon?"

,, Muß ich denn nicht? Ich bin fortgegangen, ohne es zu sagen, ich habe den Augenblick benutzt, als Elvira sich zum Piano setzte und Mama auf dem Sopha eingenickt war. Ich bin ge­laufen, so schnell ich konnte, aber nun muß ich auch zurück, Adieu!"

-

Du wagst dich so heraus in Nacht und Sturm,

vorsichtig."

Das thut mir nichts."

,, Und nur um meinetwillen?"

" Nur um deinetwillen, du wirst es doch glauben, halte mich nicht länger auf."

1

wie un­

-

und jetzt

Auf den Zehenspizen schritt sie der Thür zu. In dem Augen­blick vernahm man rasche, kräftige Fußtritte, die über den Korridor tamen und sich der Thür näherten; gleich darauf ertönte ein starkes Klopfen. Die beiden Mädchen schreckten zusammen und wechselten einen Blick, der ebensoviel Ueberraschung als Beklem­mung ausdrückte.

Was ist's?" rief Malchen, die, unsanft aus dem Schlafe geweckt, sich hastig aufsetzte und sich in angstvoller Verstörtheit die Augen rieb.

Ist's Berger?" flüsterte Marie, ihre Freundin vorwurfsvoll anblickend.

Diese trat einen Schritt zurück, indeß ein schamhaftes Roth auf ihren Wangen aufloderte.

,, Wie kannst du das glauben, Marie, Friz Berger kommt nie des Abends zu uns, und in dieser Weise würde er es niemals wagen." Aber dann

-

,, Beruhige dich, ich bin gekommen, dir zu sagen, daß nichts wer kann das sein? Und dich zurückhalten darf, du reisest jedenfalls, und wenn dir die die Thür ist nicht einmal verschlossen." Tante das Geld nicht gibt, so". sie zog in Hast ein Etui

-

( Fortsetzung folgt.)

-

ach Gott