moussirende Wein oder Kumys. Dieses Getränk wird bekanntlich schon längst bei den Tataren und verschiedenen nordasiatischen, nomadisiren­den Völkerschaften, denen stärkemehl- oder zuckerhaltige Früchte zur Branntweinbereitung nur in geringem Maße zur Verfügung stehen, aus Stutenmilch bereitet. Bei uns führt es sich, wie im Mittelalter der Alkohol, zunächst als Heilmittel ein. In Anstalten zur Heilung Lungenkranker wird Kumys verabreicht und neuerdings wird derselbe fabrikmäßig bereitet und mit Gebrauchsanweisung für 1.50 Mark pro Flakon in den Zeitungen ausgeboten. Aus lezterer Veranlassung, und da die Bereitung des Getränks so einfach ist, daß sie in jedem Haushalt ausgeführt werden kann, geben wir hier eine genaue Vorschrift dafür nach F. Wilkens.

Gute, frische Kuhmilch, unabgekocht und ohne Wasserzusatz, wird in gereinigte, starke Flaschen( am besten Champagnerflaschen) gefüllt, nachdem ihr pro Liter 3 Neuloth feingestoßener Zucker zugesetzt wurde und derselbe sich gelöst hatte. Von Preßhefe, die aber frisch, nicht sauer sein muß, und die durch Ueberstreuen mit weichem Zucker aus­geweicht wurde, setzt man dann jeder Flasche ein Stückchen an Größe wie zwei Erbsen hinzu. Man verkorkt nun die Flaschen aufs beste mit den schon vorher eingepaßten, sehr gut schließenden Korfen, zwischen welchen und der Oberfläche der Milch eine reichlich zollhohe Luftschicht frei sein muß; der Kork wird mit starkem Bindfaden durch doppelten Champagnerknoten festgebunden. Hat man nur Bierhefe zur Verfügung, so wird davon jeder Flasche ein Theelöffel voll zugesezt. Der Inhalt der Flaschen wird öfters tüchtig umgeschüttelt. Während der ersten zwei Tage läßt man sie am besten im Zimmer stehen, im Winter in einem geheizten; dann werden sie noch drei Tage in den Keller gestellt, anfänglich auch noch umgeschüttelt. Nach fünf Tagen ist der Milch­wein trinkbar und bleibt es bis etwa zum zwanzigsten Tage, wonach dann leicht unerwünschte Zersegungen eintreten. Will man also den Kumys zur Kur immer gut und frisch haben, so bereitet man anfäng­lich sechs Flaschen und seßt für jede täglich ausgetrunkene je eine frische nach Vorschrift an, um die Zahl immer komplet zu haben.

Dieser Kumys moussirt ziemlich stark, worauf beim Eingießen in ein Glas zu achten ist, hat einen geistigen, säuerlich- süßen Geschmack, einen nicht grade unangenehmen Geruch, das Kumysbouquet, und steigt beim Trinken in die Nase, wie Schaumwein.

Derjenige Stoff, welcher die Milch zu einer gährungsfähigen Flüssig keit macht, ist der Milchzucker, eine in seiner elementaren Zusammen­segung mit den andern Zuckerarten übereinkommende, bis jezt aus­schließlich im Thierreich vorgefundene Zuckerart, welche den Molken den schwachsüßlichen Geschmack verleiht. Nach Hefezusaz erleidet der Milchzucker Umwandlung in Laktose, welche in wenig geistiger Gährung Alkohol und Kohlensäure liefert; durch faulende Stoffe aber, nament­lich durch sich zerseßendes Kasein erfährt der Milchzucker die Milch und Buttersäuregährung. Aus letzterm Grunde müssen bei fortgesetter Benußung geleerter Kumysflaschen diese vom Rückstand mit peinlicher Sorgfalt gereinigt werden.

Da, wie erwähnt, in jüngerer Zeit in den Zeitungen im Reklame­stil ,, Liebigs Kumys" als Heilmittel gegen eine ganze Reihe chronischer, besonders auch Hals- und Lungenleiden empfohlen und in Quantitäten von sechs Flakon angeboten wird, so ist nach allen Erfahrungen sehr wahrscheinlich, daß viele Hülfsbedürftige auch nach diesem Mittel mit Eifer langen und den Preis unbesehen darauf geben werden. Eine Berechnung nach obigem Rezept zeigt nun aber, daß selbst bei höchsten Milchpreisen einer Großstadt sich jeder das Getränk für höchstens 50 Pfg. pro richtigen Liter( nicht Flakon!), in kleinen Städten und auf dem Lande aber ganz leicht für 20 Pfg. Herstellen kann. Der Name Liebig" trägt natürlich zur Heilwirkung nichts bei, hat auch mit dem des berühmten Chemikers nichts zu thun, der dies Getränk weder erfunden noch empfohlen hat; die ganz entbehrliche, oder höch stens einmal nöthige Gebrauchsanweisung aber wäre doch mit 10 bis 13 Groschen für jedes Flakon entschieden zu hoch bezahlt! R. L.

Karl Lebrecht Immermann.  ( Porträt Seite 44.) Unser Bild stellt den hervorragendsten Epigonen der Romantik, Karl Lebrecht Immermann  ( 1796-1840), dar, der auch als Mensch in unserer Achtung eine hervorragende Stelle einnimmt, weil er in den Zeiten der franzö­ sischen   Unterjochung und der Freiheitskriege" weder der Macht noch der Menge schmeicheln mochte. Die seltsame Disharmonie der Seele, welche ihn an der vollen Entwicklung seines grof en Talents gehindert, verdankt er seinem väterlichen Erzieher, einemisten, ja selbst harten Mann. Von diesem Standpunkte müssen wir ach sein ,, Reisejournal" und seine ,, Memorabilien" betrachten, worin er eine gallige Verstimmung an der Zeit und den Zeitgenossen ausgelassen hat. Daß Immermann  troß seiner Produktivität über den romantischen Zauberkreis nie hinaus­kam, hat die damalige politische Atmosphäre verschuldet, in deren dun­stiger Schwüle sich nur Schriftsteller wie Kotzebue   und Raupach wohl fühlen fonnten. Seine dramatischen Erstlinge, die Tragödien ,, Ronceval", ,, Edwin" ,,, Cardenio und Celinde", sowie die Komödien Das Auge der Liebe" und Prinz von Syrakus" sind Nachahmungen Shakespeare's  , Gryphius  ', Apels und anderer. Erst im Trauerspiel in Tyrol" steht Immermann   auf eigenen Füßen. Leider ist der Stoff verfehlt. So hochherzig der Aufstand der Tyroler war, so großen Muth sie in den schwierigsten Lagen entwickelten, so fehlte ihnen doch das Bewußtsein eines freien, selbständigen Volkes, welches für seine Freiheit Gut und

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Blut aufzuopfern bereit ist. Die Kämpfer waren Fanatiker und ihre Führer, der tüchtige Hofer nicht ausgenommen, von der wiener Cama­rilla geleitete Marionetten. Das historische Drama ,, Kaiser Friedrich", die Trilogie Alexis" und die für das Theater bearbeitete Mythe Merlin" bezeichnen den Höhepunkt seiner Schöpfungskraft. Troß des romantischen Rebels, in welchem die Umrisse des Reinmenschlichen un­deutlich verschwimmen, zählt Johannes Scherr   das Vorspiel zu ,, Merlin" zu dem Großartigsten, was je gedacht und gedichtet worden, während Heinrich Kurz in seiner Geschichte der deutschen Literatur" Immer­manns Erzählergabe über seine dramatische Gestaltungskraft stellt. ,, Münchhausen" ist eine ,, Geschichte in Arabesken", in welcher er die Falschheit und Heuchelei der modernen Bildung bei den höheren Klassen im Gegensatz zu dem kräftigen, treuen Wesen des noch an der alten Biederkeit hängenden Bauernstandes darstellt. Der Dichter, welcher das westphälische Volksleben aus eigner Anschauung gekannt und ohne romantische Brille beobachtet hat, persiflirt in der Titelfigur des Ro­mans ,, Münchhausen" das verkommene Junkerthum, das sich durch Geschäftemachen" aus der Versunkenheit retten will. Im Hofschulzen und seiner Umgebung ist das kräftige, an Zukunft reiche Volksleben geschildert. Leider ist sein zweiter Roman Die Epigonen" nur eine schwache Nachbildung von Goethe's ,, Wilhelm Meister  ", worin nur die geistreichen, aber den Aufbau des Romans verunstaltenden Bemerkungen über den Kampf der alten und neuen Zeit während der Jahre vor der pariser Julirevolution unbedingtes Lob verdienen. Immermanns So­nette, Elegien, Balladen und Xenien( gegen Platen gerichtet) beurkunden gleich seinen Dramen und Romanen poetisches Talent, lassen aber zu­weilen das Streben durchblicken, dem an sich unbedeutenden durch einen gewissen, dem Olympier Goethe   abgelauschten Ton Bedeutung zu geben. Der Inhalt des Heldengedichtes ,, Tulifäntchen", worin der Satyriker Immermann seinen Gegenfüßler und Todfeind, den Dichter Platen, als Däumling hinstellt, entzieht sich der öffentlichen Beurtheilung, weil es nur persönliche Beziehungen behandelt. Der Romanzenkranz ,, Tristan und Isolde", nach Gottfried von Straßburg  , ist leider unvollendet ge­blieben. Das Gedicht ist voll lebenswarmer Phantasie und zeichnet sich insbesondere durch die herrlichsten Schilderungen aus, in denen Immer­ mann   eine seltene Fülle von Beobachtungen und unübertreffliche An­schaulichkeit entfaltet. Wir wollen nicht in der Art verzopfter Kriftifer mit ihm darüber rechten, ob die epische Bewegung des Originals durch seine Zuthaten beschleunigt oder verlangsamt wurde, können aber kon­statiren, daß Gottfried von Straßburg   mit der Neubelebung durch Immermann   zufrieden sein kann. Wenn wir Immermanns schon ein­gangs erwähnten polemischen Tagebücher ,, Reisejournal" und Memo­rabilien" anführen, so haben wir seine literarische Thätigkeit erschöpft und bleibt uns nach diesen Proben seines Bildungsganges nur noch die Schilderung seines Lebenslaufes übrig. Wie bei andern die Heiter­keit des Lebens, so lockte bei ihm das Herbe desselben sein angeborenes Dichtertalent schon im 12. Jahre und zwar in der Gestalt eines Ge­burtstagsgedichtes hervor, im 16. Jahre schrieb er ein Drama Pro­metheus" und eine poetische Verherrlichung auf den Tod des unglück­lichen Heinrich von Kleist  . Nach Absolvirung des Gymnasiums seiner Vaterstadt Magdeburg   bezog er die Universität Halle, um nach seines Vaters Willen die Rechte zu studiren, und zog zwei Jahre später in den Krieg. Nach dem Frieden kehrte er zu seinen Büchern nach Halle zurück. Hier gerieth er in einen Konflikt mit den Trägern der damals herrschenden Deutschthümelei, als dessen Folge die Verbrennung seiner Schrift ,, Ueber die Streitigkeiten der Studierenden in Halle  " bei dem Wartburgsfest anzusehen ist. Nach vollendeten Studien zog er in die Tretmühle der Beamtenkarrière. Nachdem es der Jünger der gestrengen Frau Themis bis zum Landgerichtsrath gebracht hatte, wurde er ihr plötzlich untreu und schwur zu Thalia's Fahne, d. h. in Prosa aus­gedrückt, er wurde Theaterdirektor und bekundete als solcher ein Erziehungstalent wie unser Zeitgenosse Dr. Heinrich Laube  . Ueber­haupt bietet die Leistungsfähigkeit dieser beiden herben, aber kernigen Männer manche Berührungspunkte. Immermanns tüchtige Leitung erhob Düsseldorfs   Bühne troß der geringen Mittel, die ihm zu Gebote standen, zu einer Musteranſtalt. Nach einer zweijährigen, dornenvollen Theater­laufbahn kehrte er zu Frau Themis zurück, um zwei Jahre später auch den Staatsdienst zu verlassen, und ganz der Poesie zu leben, leider nicht lange genug, um sein legtes und bestes Werk ,, Tristan und Isolde  " durch Ueberarbeitung zu dem befriedigendsten Produkte der episch- romantischen Dichtung zu gestalten. Gerade in der letzten Periode seines Lebens regte sich der Geist des streitlustigen Sängers frei und gesund. In vollster Thätigkeit raffte ihn am 25. August 1840 ein plößlicher Schlag­fluß hinweg. Nur der Tod hat die Reife seines Talentes gehindert. Wäre ihm ein längeres Leben gegönnt gewesen, so hätte er unzweifel­haft nicht nur im Epos, sondern auch im Drama jene Eigenthümlich­feit bekundet, die wir bei seinen Nachbildungen von Shakespeare  , Goethe und Calderon vermissen, wir meinen die Selbständigkeit des künstleri­schen Schaffens, ein charakteristisches Gepräge, das nur ein Original aufweisen kann.

Dr. M. T.

Exorzismus.( Illustr. Seite 45.) Das Christenthum hat die Vielgötterei nicht abzuschaffen vermocht. Wenn man die Poltergeister oder vierdimensionalen Wesen, wie man sie getauft, um den Dingern einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben, und jeden Teufelsspuk in Betracht zieht, so könnte es fast scheinen, als seien die Götter oder Gespenster  , an die der eine glaubt, die der andere verehrt oder fürchtet, zahlreicher