mächtigsten Faktoren, denen die Bevölkerung der kleinen Staaten des mittleren Deutschland   es verdankt, ihrer mancherlei tief­fizenden Gebrechen ungeachtet, doch lange durchschnittliche Lebens­dauer aufzuweisen.

Zu Entartung des Volksgeistes und Schädigung der Volks­gesundheit tragen alle jene öffentlichen Belustigungen sehr wesent lich bei, welche die Sinne erregen, den Verstand betäuben, die Leidenschaften in Aufruhr bringen und auf der einen Seite Aus­schweifungen veranlassen, auf der andern den Genuß geistiger Getränke befördern. Alle Bänkelsängereien, unzüchtigen Schau­stellungen und Ballete, Stiergefechte, Hahnenkämpfe, Fahrmarkts­freuden zweideutiger Art gehören in diese Gattung.

Daß die Ausschweifungen, die Erkrankungen des Gehirnes

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und des Herzens, die Todesfälle in den mittleren Lebensjahren, die Wirthshäuser und Bänkelsängereien zunehmen, die Theater sich leeren, das Aechte dem Nachgemachten, das Seelische dem Sinnlichen weicht, das eigentliche Verständniß des Klassischen nicht blos zurückweicht, sondern zur Ausnahme wird, dies alles entspringt aus gemeinsamer Quelle, aus einer Entartung, deren Ursache einerseits die alle Beziehungen des Lebens über­wältigende Selbst- und Genußsucht ist, andrerseits das immer größer werdende Elend, welches durch die von der Beschränktheit für ausreichend befundenen Mittel der Nationalökonomie immer mehr wuchert und den Bestand des gesellschaftlichen Lebens be­droht, aber nur den Mitteln weicht, die aus dem unerschöpflichen Borne der Gerechtigkeit und Nächstenliebe den Ursprung nehmen.

Ueber das Problem des fliegens.

Von Ingenieur. Köhler.

Der Mensch hat in der geschickten Verwendung der Natur­kräfte gradezu Fabelhaftes erreicht. Er jagt auf seiner Lokomotive mit dem Sturmwind um die Wette und mit Hülfe des blitzschnellen elektrischen Stromes forrespondirt er mit seinesgleichen auf der andern Erdhälfte. Die Natur muß ihm mit derselben Genauig­keit die entlegensten Fixsterne auf deren Zusammensetzung analy­siren, mit der sie ihm die mikroskopische Welt aufhellt. Aber auch in anderer Weise hat sich die Befähigung des menschlichen Organismus bewährt. Obgleich von Natur durch eine eigen thümliche Entwicklung unbeholfener, als die meisten Thiere, hat der Mensch mit richtiger Benutzung der gegebenen Verhältnisse so manches an Fertigkeiten sich angeeignet, welches uns wunder bar erschiene, würde es uns zum erstenmal vorgeführt. So lernte er mit dem Velocipede fahren, auf dem Eise tanzen und im Wasser schwimmen, sollte es ihm nicht auch möglich sein, wie die Vögel in der Luft zu fliegen?

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Es ist angesichts der Resultate menschlicher Thätigkeit und Geschicklichkeit begreiflich, daß der Gedanke, die Luft als Medium zur Fortbewegung zu benutzen, trotz der bisherigen notorischen Mißerfolge, immer und immer wieder auftauchen mußte.

Abgesehen von dem mythischen Ikaros des Alterthums, der sich der Sage nach Flügel mit Wachs an die Schultern geklebt hatte, um auf die Sonne zu fliegen, dann aber, bis in die Nähe der Sonne gekommen, mit seinen Flügeln jämmerlich verunglückt sein soll, reichen die ältesten Berichte über Luftschifffahrt bis zum Jahre 1306 zurück, in welchem Jahre in der chinesischen Haupt­stadt Peking   bei Gelegenheit der Thronbesteigung eines Kaisers die Veranstalter der Festlichkeiten einen Luftballon aufsteigen ließen. So berichtet wenigstens der französische   Missionar Bassou im Jahre 1694, also beinahe 400 Jahre darnach, und zwar will er dies aus offiziellen Aktenstücken erfahren haben. Ist die Ge­schichte wahr, so geht daraus mindestens das eine hervor, daß die wahre Kultur von der Priorität der Erfindung von Luft­ballons nicht abhängig ist.

Die meisten Ideen und Erfindungen im Fache der Luftschiff­fahrt und des Fliegens wurden jedenfalls angeregt durch den Flug der Vögel, jener allbekannten Bewegungsart, die aber jeder zeit das Interesse und die Bewunderung denkender Menschen in Anspruch nehmen wird. Die ältesten der zu unserer Kenntniß gelangten Versuche liesen auch in der That darauf hinaus, den Vögelflug einfach nachzuahmen, zu welchem Zweck man ver­schiedene Flugapparate vorschlug und theils auch ausführte. Der erste allgemein bekannt gewordene Vorschlag zu einer Flug­maschine ging von dem Franzosen Laurent um das Jahr 1709 aus. Ein vogelartig gebautes größeres Gestelle mit Räumen zur Aufnahme von Personen sollte an den Seiten mit Flügeln versehen werden; betreffs der Hauptsache, wie nämlich die Be­wegung der Flügel bewirkt werden sollte, darüber fehlen jedoch weitere Nachrichten. Im ferneren Verlaufe des 18. Jahrhunderts tauchten noch verschiedene Entwürfe und auch Ausführungen von Fliegapparaten auf, ohne daß etwas erreicht worden wäre. Alle ausgeführten Apparate hatten den einen Fehler, daß sie eben zum Fliegen so gut wie garnichts taugten. Man erzählt, man habe die betrübende Wahrnehmung machen müssen, daß die Muskelkraft des Menschen nicht ausreiche, den eigenen Körper in der Luft emporzuheben und dauernd in der Höhe zu erhalten;

von Weiterfliegen sei daher erst recht keine Rede. Ich will diese Frage nachher noch etwas näher beleuchten.

Jene ersten Erfahrungen haben wohl auch dazu beigetragen, daß man sich später in größerem Maße mit jenen Hülfsmitteln beschäftigte, welche das Schweben mit Hülfe rein physikalischer Wirkungen ermöglichen sollten; ich meine die Luftballons. Be­kanntlich ist das Prinzip der lezteren dasselbe, wie das der Schwimmblasen: ein Beutel oder Behälter ist mit einem Stoff angefüllt, der leichter ist, als der außen befindliche, den Behälter oder Beutel umschließende. Die Gewichtsdifferenz bringt den bekannten Auftrieb hervor, der als ein eigenes Bestreben des Ballons erscheint, während in Wirklichkeit das Emporsteigen durch die schwereren äußeren Stoffe veranlaßt wird.

Mit der Idee des Luftballons trat in Europa   zuerst der Jesuit Lana um das Jahr 1680 auf. Lana's Ballon sollte von sehr dünnem Kupferblech gefertigt und die Erleichterung des Ballons durch Auspumpen der Luft mit der, dreißig Jahre vor­her von Otto v. Guericke   in Magdeburg   erfundenen Luftpumpe bewerkstelligt werden. Seitens mancher ,, Gelehrten" hat man sich später über diese Idee lustig gemacht; man meinte, der äußere Luftdruck würde bei der Ausfüllung eines derartigen Ballons nicht ein Emporsteigen desselben, wohl aber ein unerwünschtes Zusammenklappen der Kupferhülle zur Folge gehabt haben. Dem wäre nun aber sehr leicht abzuhelfen gewesen: ein solcher Ballon hätte nur gehörig innen versteift werden müssen.

Zur wirklichen Ausführung einer Art Luftballon kam es indeß erst im Jahre 1736. Vermittels eines ballonartigen, hölzernen, mit Papier überzogenen Gestelles, dessen Hohlraum durch Feuer erwärmt wurde, gedachte der portugiesische Physiker Don Guzman dem Könige Johann V.   vor dessen Palaste das noch nie gesehene Schauspiel einer Luftfahrt vorzuführen; der Ballon verunglückte aber durch Anstoßen an dem Gesims des Palastes, Don Guzman ließ sich herab, ohne weiteren Schaden zu nehmen. Die In­ quisition  , welche sich ins Mittel legte, verhinderte weitere Ver­suche dadurch, daß sie Don Guzman einsperrte und zum Feuertode wegen Zauberei verurtheilte. Nur dem energischen Einschreiten des Königs Johann V.   gelang es noch rechtzeitig, den Physiker von dem bekannten, in der guten alten Zeit" nicht ungewöhn­lichen Loose der Forscher und Erfinder, eben dem Lebendig­verbranntwerden, zu retten.

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Als die eigentlichen Erfinder des Luftballons werden drei Franzosen, die Brüder Montgolfier und der Professor Charles betrachtet. Die ersteren traten in ihrem Heimatstädtchen Annonay  im Jahre 1783 mit einem ganz ähnlichen Apparate in die Deffent­lichkeit, als 47 Jahre vorher der Portugiese; mit einem Ballon, der mit erwärmter Luft gefüllt und mit einem Feuerbrande aus­gerüstet war, nachdem sie vielerlei Versuche und Experimente angestellt hatten. Das Aufsteigen des( unbeladen en) Ballons wurde am 4. Juni 1783 unter ungeheurem Zulauf in Annonay  in Szene gesezt und hatte den Erfolg, daß sich bald alle Welt mit der neuen Erfindung beschäftigte.

In demselben Jahre noch führte Professor Charles in Gemein­schaft mit zwei Mechanikern, den Gebrüdern Robert in Paris  , im Auftrage eines Comité's, welches sich bald nach Bekannt­werden der montgolfier'schen Erfolge zum Zweck der Herstellung eines Luftballons gebildet hatte, einen solchen aus, den ersten