auch als trügerisch erwiesen. Die Beobachtung hat ergeben, daß mitunter wohl zwei übereinandergehende Luftströmungen vor- kommen, die in mehr oder weniger entgegengesetzten Richtungen — doch meist in ganz verschiedener Stärke— vor sich gehen; diese Strömungen sind aber doch nur in den seltensten Fällen zu benutzen. Es ist ferner Thatsache, daß man Luftströmungen als entgegengesetzte ansah, die durchaus keine entgegengesetzten, sondern gleichgerichtete waren. Bei einer Ballonfahrt— nähere Angaben sind mir nicht zur Hand, ich glaube, es war in Nord- deutschland—, bei welcher man das vorgeschlagene Mittel zur Auffindung der passenden Windrichtung, nämlich kleine Probeballons nach oben und unten vorauszuschicken, au deren Bewegung man die Strömung der höheren oder tieferen Luftschichten erkennen sollte, angewendet hatte, da geschah es, als die Luftschiffer einen
durch einen Probeballon angezeigten passenden Luftzug zu be- nutzen geglaubt, sie zu ihrem großen Erstaunen grade eine ent- gegengesetzte Reise gemacht hatten. Die Täuschung rührte von der Beobachtung des Probeballons her. Man hatte wahr- genommen, daß sich der höher befindliche Ballon nach und nach in horizontaler Richtung vom Hauptballon entfernte, und schloß daraus, daß der obere Wind entgegengesetzt der Fahrt des Haupt- ballons wehe, während in Wahrheit die obere Strömung dieselbe gewesen war, wie die untere, nur daß sie bedeutend langsamer vor sich ging. In der Richtung ihrer Fahrt änderte sich mithin garnichts, auch als sie in die obere Region aufgestiegen waren. Derartige Täuschungen mögen wohl noch mehr vorgekommen sein.— (Schluß folgt.)
Mein Freunds Eine Spiritistengeschichte aus dem letzten Drit (V. Das Rezept des Klopfgeistes gegen Zahnschmerz.— Die verjüngte Alte.— Zwei selige Geister.— Der Sitzung drastischer Schluß und der erste Gruß meines verstorbenen Baters.) Der Klopfgeist verweilte nicht länger bei mir. Er hatte noch viel zu thun. Zu jedem einzelnen der Anwesenden wendete er sich fragend, Auskunst und Rath ertheilend. Seine Rathschläge waren meist medizinischen und hygienischen Inhalts und erschienen mir ziemlich zutreffend, aber so einfach, daß sie nach den Mit- theilungen, welche die fraglichen Personen über ihre Leiden machten oder schon gemacht haben mochten� jeder beliebige Arzt mindestens ebenso gut ertheilt hätte. Bis zur genauen Angabe ganzer Rezepte ließ sich der Klopfgeist herab; wenigstens ließ er dem einen Mädchen, welches über Zahnschmerzen klagte, plötzlich einen Papierstreifen ins Gesicht flattern, auf dem das angeblich unfehlbar helfende Rezept sich befand. Ob der Klopfgeist merkte, daß ich insgeheim lebhaft bedauerte, um die Kenntniß dieses kost- baren Mittels zu kommen, weiß ich nicht, aber beinahe konnte es so scheinen, denn als das Mädchen noch ganz verzückt auf den aus einer andern Welt heruntergesegelten Papierstreifen hinstarrte, befahl er ihm, das Rezept laut vorzulesen. Drei oder vier aus der Versammlung nahmen höchst eifrig Bleistift und Papier aus der Tasche und schrieben das Rezept nach. Ich folgte diesem Beispiel und schrieb dem langsam vorlesenden Mädchen folgende Worte nach: „Bei Hellem Mondschein und offnem Fenster übergieße 4 Loth feingestoßene spanische Kamillenwurzel mit 32 Loth Lavendelgeist und V? Drachme salzsauren Ammoniak. Lass' dies zwei Tage lang in der Wärme ausziehen, filtrire es dann, wieder nur bei Mondschein und offnem Fenster, tröpfle es auf Baumwolle und lege diese auf den schmerzenden Zahn." Vom Mondschein abgesehen, war das Mittel keineswegs geister- Haft, und Herr Metzig hatte außerdem nicht ganz unrecht, als er mir zuflüsterte: „Wenn einer zu mir kommt, thut's ihm höchstens noch drei Minuten weh, und ich reiß' den Zahn für zwei Gute. So dauern die Schmerzen wenigstens noch zwei Tage— ich danke für das Vergnügen." Das zahnschmerzbehaftete Mädchen mußte aber anders über das Rezept denken. Denn sie strahlte förmlich vor Vergnügen und schob das Geisterpapierchen mit vor Auflegung zitternder Hand tief in den Busen hinein, als fürchte sie, man könne ihr das Kleinod rauben. Was der Klopfgeist sonst noch mit den Leuten redete, schien mir von gar keiner Bedeutung zu sein. Nur bei einer altern Frau fiel mir, oder vielmehr meinem Raseur, noch etwas Beson- deres auf. Als die Gespensterstimme sich au die Frau wendete, welche bisher so fern von uns, als es das Zimmer überhaupt zuließ, und auch inehr im Schatten, als die meisten übrigen ge- sessen hatte, schaute Herr Metzig aufmerksam nach ihr hin, und noch aufmerksamer ward er, als sie antwortete. „Nein, es ist doch wirklich die Menschenmöglichkeit," flüsterte er mir zu.„Diese alte Hexe müssen sie in die Altweibermühle gethan haben, die ist ja wenigstens um zwanzig Jahre jünger geworden. Ich sag' Ihnen, Herr Doktor, schon � vor drei Jahren
der Klopfgeist. ?l des neunzehnten Jahrhunderts. Von K.&. sah sie aus wie der leibhaftige Tod, ging krumm wie'n Fiedel- bogen, hustete unaufhörlich und krächzte nur noch so, dabei war sie zaundürr und wie von altem Leder überzogen und jetzt—" Er kam nicht weiter. Der Klopfgeist, welcher der Frau eben die jedenfalls nicht unangenehme Mittheilung gemacht hatte, sie werde noch lange leben, wenn sie eine so gläubige Anhängerin „unsrer andern Welt" bleibe, machte eine Pause, und alles schaute wieder auf meinen Raseur, dessen Flüsterlaute in allen Ecken ge- hört, wenn auch nicht verstanden werden konnten. Zeit, ihren Ingrimm zu äußern, hatten die Herrschaften aber nicht. Mit einem Schlage wurde es wieder stockpechftnstere Nacht und der Höllenspektakel von vorhin feierte eine neue Orgie. Bald hatte der Tumult seinen Gipfelpunkt erreicht, und nun dämpften sich die Töne ab, der ohrenzerreißende Spektakel verwandelte sich in leis verklingende und verschwimmende, seelenberauschende Sphärenmusik und gleichzeitig— mitten zwischen Decke und Fuß- boden, da, wo die Fenster in den Garten hinausgingen— ballte 'es sich zusammen, wie zu einem Nebelknoten— erst in mattem, kaum wahrnehmbaren, durchsichtigen Grau, dann immer heller und dichter, endlich fast blendend hell, wie ein riesiger, durch dichte, weiße Schleier verhüllter Lichtball. Dieser wuchs mehr und mehr und wurde beim Wachsen wieder matter und dunkler, an seiner Stelle verbreitete sich ein tiefdunkles Roth, über dem weißen Nebel hin und her schwankend,— dann zeigte es sich in dem dunkelrothen Hintergrunde, in unsicheren, verschwommenen Umrissen, wie eine gewalttge Gestalt, die aber rasch kleiner wurde, sich in einen größeren und einen kleineren Theit auflöste, um allmälich in festeren Konturen das Schattenbild einer weiblichen Person und das eines kleinen Thieres erkennen zu lassen. Ein leises, aus tiesstem Herzen aufsteigendes feierliches Ah! ging über die ganze Versammlung. Die Gestalten kamen näher und waren schließlich völlig deutlich zu sehen; die Frau war alt, ihre Züge und Körperformen ließen jedoch für einen Geist merkwürdig viel Farbe und Fülle wahrnehmen. Das Thier präsentirte sich als einer jener Hundebastarde, Mischling von Pinscher und Spitz, wie man sie heutzutage auf jeder Straße todtzutreten in Gefahr kommt. Von einem seligen Geiste hatte es auch nicht das min- deste an sich; dafür aber— beim Himmel!— hingen dem gefühl- vollen Thierchen dicke Thränen unter den Augenrändern. Alles wartete offenbar in fieberhafter Spannung auf die ersten Worte, respektive das erste Bellen, aus dem Munde der beiden Seligen; aber statt dessen ertönte auf einmal ein arges Poltern, wie wenn wieder ein schwerer Manneskörper auf den Fußboden stürzte. Unmittelbar darauf klatschte es, als ob einem dicken Winterrocke mit einer Klopfpeitsche die Motten ausgetrieben werden sollten, ein derber Fluch antwortete auf das Klatschen, die Ge- spenster verschwanden spurlos und sofort wurde es auch wieder hell im Zimmer. Was sich da unseren Augen darstellte, erregte von neuem allgemeine Sensation. Der noch junge, robust aussehende Mann, deni ich auf den ersten Blick den bemittelten Handwerkerstand angesehen hatte, raffte sich eben, kirschroth im Gesicht und mit wuthentflammter, aber gleichzeitig verdutzter Miene, von dem Fuß- boden auf. Weit von ihm entfernt, hinter dem Stuhle, auf dem es mehr gelegen, als gesessen hatte, lag das Medium gleichfalls