auch bei diesem doch gewiß nach gewöhnlichen Begriffen nicht staatsgefährlichen Konflikt innehielt, möge der Ausspruch beweisen, welchen in der töberle'schen Angelegenheit ein Staatsanwalt öffentlich zu thun für angemessen hielt: Man brauche gegen Dr. Georg Köberle weder Zeugen noch Beweise, denn seine( dramaturgischen?!) Verbrechen seien so notorisch, daß Thron und Staat in Gefahr fämen, wenn man ihn ungezüchtigt ließe."
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Indessen ist die Züchtigung Köberle's über den Verlust der Bühnen= leitung nicht hinausgegangen, hat ihn vielmehr in eine Stellung gedrängt, in welcher er sich geistig und materiell völlig unabhängig sieht, und von der aus er den begonnenen Kampf gegen die Theatermisère mit schärferen Waffen fortseßen kann, als er ihn begonnen.
Um einem Mißverständnisse zu entgehen, welches für die Beurtheilung seiner Bestrebungen in der That verhängnißvoll werden könnte, fezt Köberle in der Einleitung noch hinzu, daß sein in der ,, Theaterfrisis" enthaltener Vorschlag, die Theater unter die öffentlichen Staatsanstalten aufzunehmen, auf der Vorausseßung beruhte, es sei: 1) der Reichsregierung das Theater etwas höheres und Edleres, als à tout prix nur eine Zerstreuungsstätte für den großen, gedankenlosen Troß; und 2) die Entwicklung des neuen Reiches steure einer freien Staats organisation zu." Eine weitere Beschäftigung mit der Theaterfrage in diesem Sinne erscheint ihm aber jezt selbst als allzu sanguinisch" und ,, unfruchtbar". Er sucht daher das Heil des Theaterwesens nicht mehr bei der Regierung.
Es kann mir natürlich nicht einfallen, den ganzen Inhalt des zwanzig Bogen starten, und überraschend ideenreichen Buches auszugsweise hier wiedergeben zu wollen; vielmehr ist es wohl so ziemlich selbstverständlich, daß ich nichts besseres thun kann, als den Gedankeninhalt einiger nach meiner Ansicht besonders hervorstechenden und für das gesammte Werk vorzugsweise charakteristischen Partieen in thunlichst kondensirter Form zu kennzeichnen. Dabei werde ich vernünftigerweise solche kurze Abschnitte wörtlich wiederzugeben haben, welche, wie mir scheint, sich als Stern- und Knotenpunkte der köberle'schen Entwicklungen darstellen und so gelungen formulirt sind, daß jede Ümschreibung nur eine Abschwächung wäre. Von der zur Belebung der ebenso ausführlichen als tiefbohrenden prinzipiellen Erörterungen thatsächlich auf das vortheilhafteste beitragenden Diskussionsform, wie sie Köberle gewählt hat, kann ich füglich) bei meinem verhältnißmäßig kurzen Referate absehen. Köberle knüpft zunächst an einen Satz Lessings an; wie es ja eben garnicht anders geht, wenn man heutzutage kunsttheoretische Fragen bei ihrer Wurzel angreifen will.
Unfre heutigen Bühnenschriftsteller thun das Gegentheil von dem, was Lessing ihnen vorschrieb. Lessing sagt in der Hamburgischen Dramaturgie ":" Der gute Schriftsteller, er sei von welcher Gattung er wolle, wenn er nicht blos schreibet, seinen Wiz, seine Gelehrsamkeit zu zeigen, hat immer die Erleuchtetsten und Besten*) seiner Zeit in Augen, und nur, was diesen gefallen, was diese rühren kann, würdiget er zu schreiben. Selbst der dramatische, wenn er sich zu dem Pöbel herabläßt, läßt sich nur darum zu ihm herab, um ihn zu erleuchten und zu bessern, nicht aber ihn in seinen Vorurtheilen, ihn in seiner unedlen Denkungsart zu bestärken."
Nach Köberle's Ueberzeugung trifft jedoch die dramatischen Dichter der Vorwurf, diesem lessing'schen Grundgesetz für alles schriftstellerische Produziren zuwiderzuhandeln, nur in demjenigen Theile, welcher von den Bühnenleitungen bevorzugt wird. Es wäre grundfalsch, meint er, einen Schluß auf die ganze Bühnenliteratur der Gegenwart zu ziehen aus dem, was die Bühnenleiter dem Publikum an Novitäten vorzusetzen für passend erachten. Nicht unsre moderne Bühnenliteratur, sondern deren Abschaum wird von den Theatern der Gegenwart fultivirt."
Unfre Bühnenleitung sei- völlig im allgemeinen- so in Grund und Boden hinein verrottet, behauptet Köberle ,,, daß selbst der größte deutsche Dramatiker, Schiller , unsre sämmtlichen Bühnen verschlossen fände, wenn er erst heute als Neuling unter uns erschiene, und nicht, zum großen Aerger so vieler Bühnenchefs, noch als eine theure Erbschaft aus dem vorigen Jahrhundert geduldet werden müßte.""
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Glorifikation der augenblicklich fungirenden Leiter der Staatsmaschine" diene und ob ,, die Helden, falls sie ihre Handlungen unter uns in der prosaischen Wirklichkeit verübten, als loyale Unterthanen gelten" würden. Solcher Tendenz gegenüber wäre Schiller, wenn er nicht schon längst unwiderruflich zum wirklichen ewigen Leben eingegangen wäre, freilich ein todter Mann. Köberle schildert ergöglichst, wie es Schiller ergehen würde, wenn er das Unglück hätte, im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts statt im letzten Drittel des 18. an die Thüren der Bühnenvorstände pochen zu müssen:
,,, Die Räuber? Hinaus mit dem Rebellen Karl, der unsre gesittete Weltordnung in ein Chaos zurückschleudern möchte, auf die Gefahr hin, daß sodann zum zweitenmale ein Schöpfer den Ruf: Es werde Licht! erschallen lasse. Fiesco ' und, Tell? Jns Zuchthaus mit dem starrköpfigen Republikaner Verrina und mit den republikanischen Hirten, die nicht einsehen wollen, daß das einzige Heil in der Welt von der Monarchie kommt!, Kabale und Liebe '? Zum Teufel mit der Verleumdung, daß an den Höfen nicht alles in paradiesischer Unschuld zugehe! Don Carlos ', Maria Stuart ' und Braut von Messina? Einen Strick für den Autor, der von schwarzen Thaten fürstlicher Häuser zu sprechen wagt!, Wallenstein ' und, Jungfrau von Orleans'? Auf die Festung mit dem utopischen Schwärmer, der uns einen kaiserlichen General als Hochverräther vorzuführen und ein Loblied auf das Land der Revanche anzustimmen wagt!" hiermit fährt Köberle fortwären denn die neun Originalmeisterwerke unsres größten Dramatikers auf das bequemste beseitigt, und auch mit Schiller , dem Bearbeiter von Dramen aus fremden Sprachen, würde man um so leichter fertig, als zuverlässig irgendein ordenslustiger Hofdramaturg sich die Entdeckung nicht entgehen ließe, daß das prächtige Diplomatenpärchen Tartaglia und Pantalon in der chinesischen, Turandot eigentlich eine Satire auf das Kabinet des gnädigsten Herrn sei, und daß es sich überdies für den Bühnenverein nicht schicke, dem beleidigenden Verfasser der zwei Abhandlungen, Ueber das gegenwärtige Theater' und, Die Bühne als moralische Anstalt betrachtet noch Chancen in der Bretterwelt offen zu halten."
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Aus der Tendenz, welche bei der Auswahl der dramatischen Novitäten maßgebend ist, folgt für Köberle mittelbar auch die zunehmende Verschlechterung der schauspielerischen Leistungen. Mit vollem Recht und tiefem Verständnisse weist er darauf hin, daß jeder Schauspieler mit der Größe der ihm gestellten Aufgabe wächst und mit der Kleinheit derselben in seiner Leistungsfähigkeit sinkt. Da die bei unseren Theatern ,, für zulässig befundenen Novitäten höheren Genres weit weniger menschliche Charaktere enthalten, als vielmehr Marionetten und Typen ohne psychologische Vertiefung und ohne Konsequenz, die, wie Figuren auf dem Schachbrette, nur da sind, um ohne individuelles Leben der Verwirklichung eines für den gesammten dramatischen Bereich einförmig oftroyirten konventionellen Zweckes zu dienen, so muß nothwendig auch das darstellende Personal mehr und mehr verflachen und sich endlich einen Schlendrian angewöhnen, der es zur Lösung höherer unstaufgaben unfähig macht". ( Fortsetzung folgt.)
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Am Schuylkill.( Bild Seite 56.) Römer und Griechen, obschon in der Schifffahrt wohlbewandert, waren keine eigentlich seefahrenden Nationen; sie befuhren nur Binnenmeere und erforschten die Küsten benachbarter oder doch nicht allzuweit entlegener Länder auf die Weltmeere, wie es doch die Phönizier schon gethan, wagten sie sich nicht hinaus. Zwar sagt schon der römische Schriftsteller Seneca : ,, Nicht der Länder letztes ist Thule," allein diese Aeußerung beruhte mehr auf Vermuthung, denn auf positiver Kenntniß. Den romanischen und germanischen Völkerschaften war es vorbehalten, die unendliche Wasserwüste nach neuen Welttheilen zu durchforschen. Mit der Entdeckung Südamerikas ( 1498) begann leider auch die Bertilgung seiner Eingebornen, doch auch Nordamerika sollte dieses blutige Schauspiel nicht erspart werden. Nachdem die weltliche Macht Cromwells in England gebrochen war und seine Anhänger sich allenthalben gedrückt und verfolgt sahen, entschloß sich im Jahre 1681 eine kleine Gemeinde von Puritanern zur Uebersiedlung nach Nordamerika . Die Pilger der Wildniß" haben nach schwerer Mühsal am Flusse Schuylkill" Philadelphia( Stadt der Bruderliebe) gegründet und billig, jedoch ehrlich, den Indianern das umliegende Land abgekauft. Da das heilige Experiment", die Gründung des Quäterstaates auf einem Areal von 2450 Quadratmeilen, von dem englischen König Karl dem Zweiten nicht anerkannt wurde, mußte der Gründer William Penn seine Rechtskräftigfeit noch einmal mit 16000 Pfund Sterling erkaufen. So entstand der Embryo der Vereinigten Staaten Nordamerikas . Die primitiven Kolonien erstarkten nach und nach in stetem Kampfe mit den Indianern,
Die Geistesrichtung der schiller'schen Dramen und die Tendenz, unter deren Herrschaft das Theater heute gebeugt ist, widersprechen einander auf das schärfste. Schiller kämpft für den Sieg des Göttlichen, d. h. des Menschlich- Erhabenen, Edelen in der menschlichen, d. i. ihrer natürlichen Entwicklung gemäß ursprünglich thierischen Natur. Die heutige Bühne dagegen steht entweder, als Institut professionsmäßiger Unterhaltungs- und Spaßmacherei um jeden Preis, in demselben Rang mit Tingeltangeln, Kunstreiter- Cirkussen, Affentheatern und dergleichen, oder was, nach Köberle, fast noch schlimmer ist, sie nimmt den Schein höherer Bestrebungen an, während sie sich in Wahrheit als Fahnenträgerin vorüberziehender Tagesströmungen verdingt." bis sie endlich dieselben siegreich zurückdrängten. Die Geschichte der in Eine solche Bühne beurtheilt ein Drama danach, ob ,, die Handlung zur
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*) Unter den ,, Erleuchtetsten und Besten" verstand Lessing natürlich nicht die heute sogenannt ,, Gebildetsten" oder gar die sogenannt ,, Vornehmen", welche sich allerdings in ihrer Wiehrzahl für die Besten halten. Zu Leffings ,, Erleuchtetsten und Beiten" gradejo wie zu seinen ,, Freimaurern" gehört ein jeder, gleichviel weß Standes er ist und wieviel Gelehrsamkeit er in sich aufgenommen hat, der sich von Vorurtheilen frei, von Gerechtigkeitsgefühl erfüllt, in edlem Wohlwollen mit seinen Mitmenschen verbunden und von dem großen Streben nach allgemeinem Menschenglück und allgemeinem Geistesfortschritt geleitet weiß. Wessen Wesen und Wollen jedoch auch nur eine dieser Bedingungen missen läßt, gehört zum Pöbel sei er, wer er mag. B. G.
vielen Beziehungen so hochbegabten rothen Rasse hat es leider traurig genug bestätigt, daß der Indianer überall von der Civilisation oerzehrt wurde, ob er nun gegen sie ankämpfte oder sich ihr unterwarf. Was heute noch davon übrig geblieben, ist Menschenschutt, den der nächste Sturm auf seinen Schwingen entführen wird. Mit dem Indianer ist auch sein Ernährer, der Urwald, verschwunden. Die neuen weißen Ansiedler brauchen Ackerland und rotten schonungslos die Riesen der Pflanzenwelt aus. Der hochkultivirte Osten Nordamerikas hat, mit Ausnahme der großen Waldbestände am Alleghanygebirge, nur