Frau Weiß sah sehr erschreckt aus, die Hofräthin fuhr mit einer gewissen Härte fort: Was braucht sie zum Beispiel den ganzen Tag zu singen, das ist doch keine Beschäftigung, ich habe nie in meinem Leben gesungen."

,, Sie singt in der Kirche, liebe Frau Hofräthin, zur Ehre Gottes, und sie singt sehr schön." Der demüthige Ton der Frau Weiß wurde zuversichtlicher, und es sprach sich eine gewisse Be­friedigung darin aus. Der Herr Pfarrer selbst ist entzückt von ihr, und er meinte neulich, die Engelein im Himmel müßten, grade wie er, ihre Freude daran haben."

Wenn nur den lieben Engelein die Freude nicht baldigst verdorben wird," höhnte die Hofräthin, wenn der leibhaftige Theaterteufel in sie hineingefahren sein wird."

Die Mama fuhr auf. Ihre welken Wangen wurden purpurn vor Unwillen und Entrüstung.

,, Wie können Sie so etwas sagen, Frau Hofräthin, der Theater­teufel! Gott   behüte, das wird nicht sein, das kann nicht sein."

Oho, warum denn nicht, meine Liebe? Jezt geht ja alles zum Theater und Elvira hat ganz das Zeug dazu; was noch nicht ist, wird werden, und Fräulein Luise, ihre Tante, wird schon redlich ihr Theil beitragen, um das herauszuzeitigen."

"

Das darf sie nicht, das wagt sie nicht," rief Frau Weiß noch erregter. Sie weiß, wie mein seliger Mann darüber ge­dacht hat, was er ihr darüber gesagt hat, sie wird dem letzten Willen ihres verstorbenen Bruders nicht zuwiderhandeln, und dann bin ich auch noch da, und zum Theater laß ich sie nicht, nie und nimmer, und wenn sie alles von mir erreichte, das erreicht sie nicht."

Es lag etwas ungemein Festes, Bestimmtes in dem Ton dieser sonst so schwachen und gefügigen Frau. Selbst die Hof räthin erlaubte sich nicht, einem solch energischen Ausspruch gegen über einen Zweifel zu äußern, sie zuckte nur mit den Achseln und blickte dann etwas ungeduldig gegen die Thür, ob denn der Kaffee noch immer nicht aufgetragen würde. Dem Wunsche folgte die Erfüllung auf dem Fuße. Marie erschien mit dem Kaffee­brett und sie machte sich sogleich daran, die Tassen zu füllen. Elvira trat nach ihr herein. Sie näherte sich der Hofräthin und bot ihr freundlich einen guten Tag. Diese, die gewohnt war, daß junge Mädchen ihr die Hand küßten, erwiderte den Gruß ziemlich ungnädig und wendete sich Marien zu.

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,, Liebes Kind, ich hoffe, Sie haben den Kaffee hübsch stark gemacht?"

,, Gewiß, Frau Hofräthin!"

Dann bitte ich, nicht allzuviel davon zu geben, lieber mehr Sahne, die Sahne ist doch gut?"

,, Die beste, die ich bekommen konnte. Ich denke, das wird die rechte Mischung sein?"

,, Sieht sehr gut aus, Sie sind ein liebenswürdiges Geschöpf, Mariechen." Sie nahm die Tasse entgegen und begann den Zucker umzurühren. Mama hatte unterdeß ihrer Elvira einen unzufriedenen Blick zugeworfen. Diese sezte sich neben die Hof­räthin und fragte in zuvorkommender Weise nach ihrem Be­finden. Die kleine Dame lächelte ein wenig, Elvira hatte sie an ihrer schwächsten Seite gefaßt. Ueber ihre Leiden und körper­lichen Zustände sprechen zu können, gewährte ihr eine viel zu große Befriedigung, als daß sie nicht die Gelegenheit ergriffen und sich eingehend darüber ausgelassen hätte. Sie sprach von allen möglichen Symptomen", die sich bei ihr gezeigt, von Nerven­anfällen und Krämpfen, von chronischen und akuten Uebeln, die ihr zu schaffen machten, welche sie aber, vermöge ihrer Erfah­rung und ausgezeichneten Diagnostik, sofort erkenne und durch eine rationelle Behandlungsweise möglichst rasch zu beseitigen suche. Nur ihrer zarten Empfindlichkeit, welche sie immer wieder neuen Leiden zugänglich mache, vermöge sie nicht zu steuern und ebensowenig ihrer schwachen Verdauung. Sie hatte dabei ein Kipfel eingetaucht und verzehrt, jezt legte sie ein großes Stück Kuchen auf ihren Teller.

Besonders in diesen Tagen," schloß sie ihre interessanten Ausführungen, spüre ich eine abnorme Mattigkeit in allen Gliedern, die von reagirendem Gähnen begleitet ist, ja, ich ver­sichere Sie, liebe Weiß, meine Schwäche ist so groß, daß ich, sobald ich mein Bett besteige, bewußtlos zurückſinke."

,, Um erst am nächsten Morgen wieder zu neuem Leben zu erwachen? Wär' es möglich!" rief Elvira mit gut gespieltem Be­dauern, indeß es um ihren Mund spöttisch zuckte. Die Hofräthin bejahte dies, den Rest ihrer Tasse hinunterschlürfend.

,, D, wie schade!" bemerkte Elvira. Da fönnen Sie also nicht den Ball besuchen, natürlich bei solcher Schwäche, es würde Sie viel, viel zu sehr anstrengen." ( Fortseßung folgt.)

Heber das Problem des Fliegens.

Von Ingenieur V. Köhler.

Wahrscheinlich in der richtigen Erkenntniß von der Unzweck mäßigkeit der ungeheuer voluminösen Luftbeutel betreffs der Lenkung im leichtbeweglichen Luftozeane hat man sich in neuerer Zeit wieder den Flugmaschinen zugewandt. Auf dem Papiere entstanden Flugmaschinen mit Dampf oder anderen Kräften be­lebt, große, drachenartige, feuerspeiende Ungethüme mit gewaltigen Flügeln, Flossen und Schwänzen, deren etwaige Ausführung in ihrer Ungeheuerlichkeit fast so erscheinen könnte, als hätte der Mensch eine zweite Auflage fliegender Urweltsthiere veranstaltet, vielleicht um sich die Langeweile zu vertreiben; denn jeder Un­befangene würde von vornherein mehr oder minder starke Zweifel über die Zweckmäßigkeit derartiger Schöpfungen hegen. Man begegnet unter den Projekten von Flugmaschinen besonders zwei Formen der bewegenden Organe: den durch die Natur der Sache gebotenen Flügeln und der Luftschraube. Die letztere fußt auf demselben Prinzipe, wie die Wasserschraube, ist auch dieser ganz ähnlich konstruirt. Die Luftschraube würde in gleicher Weise für das Emporsteigen und Schweben, wie auch für die Lenkung und Bewegung einer Flugmaschine geeignet sein.

Auf der Ausstellung von Modellen für Flugmaschinen im Jahre 1868 in Sydenham bei London   war die Konstruktion von Kaufmann die bemerkenswertheste. Diese Maschine war vogel­artig gebaut, mit Flügeln, die von einer zweipferdigen Dampf­maschine auf und niederbewegt werden, versehen, und sollte eine Breite, über die ausgespannten Flügel gemessen, von 20 bis 24 Meter erhalten. Von einer Ausführung des einen oder andern der ausgestellten Modelle hat bis jetzt nichts verlautet.

Uebrigens gehört die Lenkbarkeit und überhaupt die Brauch barkeit von Flugmaschinen, im Gegensatz zu den Luftballonschiffen,

( Schluß.)

nicht zn den technischen Unmöglichkeiten, was sich aus dem später Folgenden ergeben wird. Sie bieten dem Winde nicht im ent­fernten solche Flächen dar, wie die Luftballons, weshalb sie auch bei ungünstigen Luftströmungen schon eher mit Erfolg nach be= stimmten Kursen gesteuert werden könnten.

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Nach meinem Dafürhalten wird es jedoch trotzdem schwerlich dahin kommen, daß die Luftschifffahrt, resp. die Flugpost, ein allgemeines Verkehrsinstitut wird, selbst wenn es noch gelingen sollte, alle Fragen der Steuerung und Bewegung befriedigend zu lösen, wozu, wie eben erwähnt, nur bei den Flugmaschinen einige Aussicht ist. Die regelmäßige Beförderung von Personen und Gütern wird so ist fast mit Sicherheit anzunehmen für alle Zeiten den Eisenbahnen und Schiffen verbleiben, mögen diese nun von Dampf, Elektromagnetismus  , vom Winde oder von komprimirter Luft betrieben werden. Der Grund liegt ganz einfach in der größeren Dekonomie der Eisenbahnen und Schiffe gegenüber der Luftfahrt. Bei ersteren Transportmitteln ist die ganze Betriebskraft disponibel für die Arbeit der Fortbewegung, die mit Ausnahme der Steigungen bei Eisenbahnen einzig und allein in der Reibung der Räder und Aren und den Wider­ständen in der Luft, resp. im Wasser, besteht. Bei der Luftfahrt hingegen muß unter allen Umständen ein beträchtlicher Theil an Betriebskosten darauf verwendet werden, die Maschine sammt der Last in der Luft im Schweben zu erhalten. Der Gewichtsdruck wird bei Eisenbahnen von der festen Erde aufgenommen, und es bildet der Reibungswiderstand der Räder auf den Schienen und in den Aren, der zusammen nur etwa 1200 des ganzen Gewichts des Transportkörpers ausmacht, gleichsam einen Tribut, der für die Benutzung der Erde als Trägerin der Lasten an die Natur

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