Ueber Pflanzenwachsthum bei gehemmter Transpiration. Allen denjenigen, die ein Vergnügen darin finden, grünende Gewächse im Zimmer nicht nur zu pflegen, sondern auch gelegentlich selbst zu ziehen, wird es bekannt sein, daß manche Pflanzenstecklinge erheblich rascher und sicherer zum Anwurzeln zu bringen sind und auch in der Folge besser gedeihen, wenn sie gleich nach dem Einpflanzen mit einem die Luft abschließenden Glase überdeckt werden. Es entsteht dabei die Frage, inwiefern durch dies Verfahren die Lebensbedingungen der Pflanze abgeändert werden? An dem überdeckenden Glase ist besonders während und nach Bestrahlung durch Sonnenlicht ein Niederschlag von Wasser zu bemerken, der schließlich an demselben herabrinnt. ,, Es schwigt", sagen viele Leute; freilich ist es nicht das Glas, sondern die Pflanze, welche grade so schwigt in einer mit Feuchtigkeit, die nicht entweichen kann, übersättigten Atmosphäre, als wir den gleichen Zu­stand erleiden, wenn vor einem Gewitter die Sonne ,, sticht" und unsere Hygrometer nahe an 100 Prozent Durchsättigung anzeigen. Denn die Nothwendigkeit, Wasser abzusondern, auszudünsten, haben wir, als thierische Organismen, mit den Pflanzen gemeinsam, wenn auch in unserm Einathmen von Sauerstoff und Ausathmen von Kohlensäure ein Gegensaz, oder besser gesagt, eine Ergänzung zu der pflanzlichen Lebensthätigkeit stattfindet, die im Einathmen von Kohlensäure und Aushauchen von Sauerstoff besteht.

Da das von den grünen Pflanzenblättern ausgedünstete Wasser zum großen Theile dazu gedient hat, aus dem Boden die der Pflanze unentbehrlichen mineralischen Bestandtheile derselben zuzuführen und so ihre Ernährung und ihr Wachsen zu vermitteln geholfen hat, so liegt die Vermuthung nahe, daß bei Hemmung der natürlichen Transpiration einer Pflanze auch deren innere Lebensvorgänge und die Resultate der­selben, also die Bildung von festen, organischen Bestandtheilen, Ab­änderungen erfahren müssen. Es liegen zur Lösung dieser Frage in chemischer Hinsicht interessante Versuche von Th. Schlösing vor, welche über die sich einstellenden Thatsachen Auskunft geben. Zu den Versuchen dienten vier gleich große Tabakspflanzen. Sie wurden in ebenso viel Töpfe, die ganz gleiche Bodenmengen von derselben Zusammenseßung enthielten, eingepflanzt. Der Topf der ersten Pflanze( sie sei hier A. genannt) wurde in die Mitte. eines Zinkgefäßes gesezt und mit einer Glasglocke von etwa 200 Liter Hohlraum überdeckt, so daß sie inner­halb des Gefäßes dicht auf dessen Boden ruhte. Ferner waren geeig­nete Vorrichtungen angebracht, um durch die Glocke Luft mit dem durchschnittlichen Gehalt an Kohlensäure hindurchleiten zu können, und zwar in 24 Stunden 500 Liter. Das geringe Quantum Feuchtigkeit, welches der Luftstrom fortführte, sowie das sich an der Glasglocke niederschlagende und herabrinnende Wasser wurden genau bestimmt und ergaben das Maß für die Transpiration von A. Die drei übrigen Tabakspflanzen( B, C und D) blieben an freier Luft. Um ihre Wasser­ausscheidungen zu messen, wurde ihr Erdboden mit Feuchtigkeit gefät­tigt und die Töpfe dann mit Deckeln dicht geschlossen. Das zum Be­gießen des Bodens nöthige Wasser wurde während der ganzen Ver­suchsdauer, unter Berücksichtigung etwaiger Verluste durch Auslaufen, genau gemessen und die Versuche bei demselben bestimmten Feuchtig keitsgrad des Bodens, als er zu Beginn besaß, abgeschlossen. Sämmt liche Pflanzen waren so beschnitten, daß sie keine Blüten treiben konnten. Der Versuch dauerte sechs Wochen und es sahen die Pflanzen während­dessen sämmtlich fortwährend gesund aus. Während nun A 7,9 Liter Wasser verdunstet hatte, betrug der Durchschnitt für jede der Pflanzen B, C und D je 23,3 Liter. Dagegen wies A ein Gesammtgewicht an getrockneten Blättern von 48 Grammen, die drei andern nur je 37,4 Grammen auf. An anderen gleich großen Pflanzen war festgestellt worden, daß bei Beginn des Versuchs jede Pflanze 8 Gr. trockne Blatt­substanz besaß. Während demnach die Pflanze A 40 Gr. oder pro Liter verdunstetes Wasser 5,2 Gr. Blattsubstanz erzeugt, hatte diejenige der Pflanzen B, C und D nur um 29,4 Gr. oder 1,2 Gr. pro Liter zugenommen. Es stellte sich nun ferner heraus, daß die Zunahme an Blattsubstanz bei Pflanze A nicht in gleichem Maße als bei den andern eine Gewichtsvermehrung von Mineral- oder Aschenbestandtheilen ent­sprach. Beim Verbrennen hinterließen die Blätter von A 13 pCt., diejenigen von B, C und D aber 21,8 pet. Asche, deren einzelne Be­standtheile in beiden Fällen in ihren Verhältnißzahlen abweichen. Es enthielt in 100 Theilen Asche von A, bon B, C, D. Kohlensäure 23,00 19,25 Chlor 6,51 10,21 Ralf, Magnesia, Eisenoxyd 35,06 36,40 Schwefelsäure 6,14 5,36 Sand und Kieselsäure 4,59 10,76 Phosphorsäure 3,68 Der Gehalt von Tabaksblättern an Asche beträgt im Durchschnitt nicht unter 20 pCt., ist also bei der unter der Glasglocke gewachsenen Pflanze auffällig verringert. Das zeigt sich noch auffallender, wenn man nur die einfachen Gewichtszunahmen der Blätter an mineralischen Bestand­theilen seit Beginn der Versuche vergleicht. Die 8 Gr. Blattsubstanz enthielten nämlich in allen vier Fällen anfänglich 1,74 Gr. Aschentheile, so daß der Totalzuwachs bei den Blättern von A 4,5 Gr., bei denen von B, C, D je 6,41 Gr. betrug. Wenn man das Verhältniß der Zu­nahme an Mineralbestandtheilen zur Gesammtgewichtszunahme in Be­tracht nimmt, so ergibt sich die interessante Thatsache, daß eine Pflanze bei gehemmter Transpiration dasselbe Quantum organisirter Substanz unter gleichzeitigem Verbrauch von ungefähr nur halb so viel minera­lischen Bodenbestandtheilen hervorzubringen vermag, wie solche, die

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Stali

A, von B, C, D. 23,40 19,00

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unter sonst gleichen Bedingungen an freier Luft gewachsen sind. Obgleich dieses Resultat nur aus Untersuchungen der Blätter ge= wonnen ist, kann es doch ohne Beanstandung auf die ganze Pflanze bezogen werden, da bei gleichen Arten die Wurzeln, Stengel und Blätter sich im entsprechenden Verhältniß entwickeln, und es sich hier überhaupt nur um Vergleichungen handelt.

Nikotin

Während, wie schon erwähnt, das äußere Aussehen keinen Unter­schied der Farbe, Form und sonstigen physikalischen Eigenschaften aller vier Versuchspflanzen erkennen ließ, zeigte die chemische Bestimmung der einzelnen organischen Bestandtheile der Blätter, daß doch der Mangel an mineralischen Bestandtheilen in Pflanze A gleichfalls deren Zu­sammensetzung beeinflußt hatte. Es fanden sich nämlich in 100 Thei­len von A, von B, C, D. A, von B, C, D 1,32 2,14 Cellulose( Holzfaser) 5,36 8,67 Stärkemehl 19,30 1,00 Organische Säuren 8,61 17,29 Harze 4,00 5,2 Stickstoffsubstanzen 17,40 18,00 Besonders in die Augen fallend ist der um 18,3 Prozent den normalen übersteigende Gehalt an Stärkemehl in den Blättern der von der Glas­glocke überdeckten Pflanze. Schlösing sieht darin eine Bestätigung des Sazes, daß die Pflanze aus Kohlensäure und Wasser zunächst Stärke­mehl bilde. Während sie nun unter normalen Verhältnissen ganz nach ihrem Bedürfnisse Mineralbestandtheile aus dem Boden aufnimmt und das Stärkemehl unter deren Mitwirkung sich nach und nach in die verschiedensten Pflanzenkörper umwandelt, ist bei gehemmter Transpi­ration die Aufnahme von Aschetheilen zu gering, so daß nur ein Theil Stärkemehl weitere Umwandlungen erfährt, der Rest aber aufgespeichert

wird.

Es läßt sich hiernach der Vorgang leichteren Anwurzelns mancher Pflanzenstecklinge bei Bedeckung mit einem Glas begreifen. Indem derartige Stecklinge gewöhnlich noch gar keine, oder nur mangelhafte Wurzelanjäge haben, sind dieselben zunächst außer Stande, aus dem Boden die zur normalen Vegetation der oberirdischen Organe benöthigte Menge Mineralstoffe aufzusaugen. Wird nun durch Üeberdecken die Transpiration gehemmt, so kann die Pflanze mit etwa der Hälfte jener Stoffe ihr vegetatives Leben im Gange erhalten; die Wurzeln bilden sich mittlerweile aus, können dann zur weiteren Assimilirung der in den Blättern angesammelten, einfachen organischen Produkte des Pflan­zenlebens die vorher fehlenden Mineralstoffe liefern, und die Vegetation entwickelt sich daraus um so lebhafter vorwärts.

R.-L.

Der kölner Dom in seiner Vollendung.( Bild Seite 68-69.) Die Blüthe des Handels und der Gewerbe im Mittelalter zog in den deutschen Städten eine Kunstthätigkeit groß, die uns heute ihrer Vollen­dung halber als eine die unserige weitüberragende erscheint. Geistige Kraft und materielle Macht des Volks vereinigten sich in Köln wie in Straßburg , Ulm , Freiburg und anderwärts, um Kunstwerke zu schaffen, die heute noch die Seele des Beschauers mit Staunen und Bewunde­rung erfüllen. Köln war so recht ein gedeihlicher Boden für die Bau­kunst. Von den Römern zu einem befestigten Lager ausersehen, hat fich Colonia agrippina in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrech­nung zur Stadt entwickelt, in welcher die Legionäre der weltbeherrschen­den Imperatoren Tempel und Gerichtsgebäude errichteten, deren Grund­mauern heute noch den kölner Kirchen als Unterbau dienen. Als sich die eingewanderten Römer und die eingebornen Ubier taufen ließen, wurden die heidnischen Tempel in christliche Kirchen umgewandelt. Die Altäre, die dem Mars und Jupiter, und früher vielleicht dem Thor und Wotan geweiht waren, mußten dem überall siegenden Kreuze weichen. So entstand auf den Ruinen eines heidnischen Tempels die Vorgängerin des kölner Domes, die Domkirche, als deren Gründer der Bischof Hildebold , ein Zeitgenosse des großen Frankenkönigs Karl, gilt. Sie stand genau auf der Stelle des Domes und war im romanischen Stil erbaut. Schriftsteller des 10. Jahrhunderts schildern sie als eines der reichsten und großartigsten Gebäude am Rhein , sodaß es den spä­teren Domkirchen von Mainz , Worms , Speyer , sowie den Abteikirchen von Laach und St. Gallen als Vorbild diente. Als diese Kirche theil­weise ein Raub der Flammen geworden war, faßte Erzbischof Engel­bert den Plan zur Gründung einer neuen, des Ansehens der kölnischen Kirche würdigen Kathedrale. Engelberts Nachfolger, Conrad von Hoch­staden, legte am 14. August 1248 unter großer Feierlichkeit den Grund­stein zu dem am 14. August 1880 vollendeten Dome. Da seit dieser Zeit, einige Pausen abgerechnet, unausgesetzt an dem Dome gebaut wurde, so gleicht der Riesenbau einer versteinerten Chronik. In dem Dome verkörpert sich aber auch der Nationalcharakter seiner Erbauer. Gleichwie die Peterskirche in Rom , die sich mit ihrem Goldschmuck und ihrer Farbenpracht wirksam aufdrängt, den Italiener charakterisirt, so spiegelt der aus gleicher Felsart bis zur Spize aufgethürmte kölner Dom den deutschen Charakter wider. Die italienischen Kuppeldome gleichen einer unverhüllten Schönheit, deren Reize man mit einem Blick umfaßt, während man sich in die labyrinthisch verschlungenen Formenräthsel der Gothik tief versenken muß, um sie zu fassen und zu genießen. Desto größer ist aber die Ausbeute, denn die gothischen Münster, deren über das ganze Gebäude verbreitete Zier die Masse in der Form aufgehen läßt, gleichen der Fülle der Natur, welche in der Bollkraft ihres Schaffens alles mit Laub und Blüthen überzieht, durch welche die tausend und tausend kleinen Geschöpfe im bunten Wechsel