sieben Morgen große Festungsgraben wurde, unter angemessener Veränderung seiner gradlinigen Ufer ins unregelmäßigere, mit in die Anlagen hereingezogen und trägt viel zu dem landschaft­lich malerischen Anblick einzelner Partien des Gartens bei. Die legten Direktoren desselben haben die Genugthuung genossen, daß sie die Entwicklung der Anlagen nach dem von ihnen aufgestellten Plan haben durchführen können, denn vom Jahre 1830 bis 1851 stand demselben der Professor Nees von Esenbeck   vor, seit dieser Zeit aber und gegenwärtig noch der bereits genannte Botaniker, dessen Ruf auch außerhalb der fachwissenschaftlichen Kreise genug sam bekannt ist.

Der allgemeine Eindruck des breslauer botanischen Gartens ist der von einem Park mit mächtigen Baumpartien, Gesträuch­gruppen, Blumenstücken, Dekorationen von Topfgewächsen und Glashäusern für tropische Pflanzen, denen effektvolle Gruppirun­gen, Kontraste und Durchsichten mit malerisch abschließendem Hintergrund nicht fehlen. Das diesen Lehrgarten vom Park Unterscheidende ist aber einmal das Fehlen der in Luxusgärten so beliebten und für das, nur für die Farbe empfängliche Auge so wohlthuenden, kurzgeschornen grünen Rasens, für dessen ein­förmige, weitausgedehnte Flächen hier nicht Raum übrig ist. Ferner aber findet der nicht ganz gedankenlose Beschauer hier Hindernisse, die sich blos gemüthlichem Durchschlendern entgegen stellen, und zwar werden sie nicht etwa seinen Füßen bereitet, denn die Wege sind in bester Ordnung und wohlgehalten, son­dern vermittels des Auges wird bei jedem Schritt der Verstand, die Ueberlegung des Besuchers gefesselt. In einem vollkommnen Schloßpark strebt alles- Teppichpflanzungen, Topfgewächs­gruppen, Baumdekorationen und dazwischen sich breitende grüne Rasenflächen dahin, den Blick angenehm darüber weg und weiter gleiten zu lassen, zu verlocken zum Sichvertiefen in die schattigen Gänge, dem Auge leichte Abwechslung zu bieten, die wohlthuende Nähe der lebenden Natur empfinden zu lassen, ohne

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daß der Genuß durch irgend nennenswerthe körperliche oder geistige Anstrengung erkauft zu werden brauchte.

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Ganz anders in unserm botanischen Garten. Bei jedem Schritt fast stößt dem Blick etwas Frappantes, zu genauer Be­obachtung Aufforderndes auf. Man gelangt nicht weit, ohne zu bemerken, daß hier alles zu uns spricht, daß jeder Baum und jedes Gesträuch, einzeln oder in Gruppirung mit andern, uns etwas zu lehren haben. Und wie natürlich auch der Waldboden unter den hochstämmigen Bäumen oder niedrigem Gebüsch beim ersten Hinsehen sich zeige, und ob er ganz wie im freien Wald seine mehr oder weniger spärliche und wild aussehende Vegetation krautartiger Pflanzen zu treiben scheint, ein schärferes Auf­merken versichert uns auch hier, daß diese Vegetation in ziel­bewußter Absicht an diesen Ort versetzt oder doch ihre Verbrei­tung in diesem bestimmten Maß geduldet wurde. Gelangt man dann in die Abtheilung des Gartens, welche in Parks das Schloß unmittelbar umgibt und, um die Aussicht nicht zu hindern, mit niedrigen Blumen und erotischen Dekorationspflanzen bedeckt zu sein pflegt, so muß hier auch dem wenig mit der vegetativen Natur Vertrauten beim Anblick der in kleinen Gruppen neben­einander sich zeigenden Pflanzen, die einander zwar in ihrem ganzen äußern Erscheinen ähneln, aber doch nach und nach, bald in Größe, bald in Form der Blätter und Blüten Abänderungen aufweisen, klar werden, daß er es mit systematisch geordneten verwandten Gewächsen, mit Familien zu thun hat, die unmöglich nur zum Vergnügen des Beschauers, als zerstreuende Dekoration ihren Platz einnehmen. Bei alledem ist aber auch an dieser Stelle der gärtnerischen Kunst noch Raum zur Entfaltung ge­lassen worden, und die Anordnung des Ganzen beweist wie­derum, daß das Lehrhafte sich allemal in gewissem Maß mit dem Gefälligen vereinen läßt und dabei nichts weniger als Schaden erfährt. ( Fortsetzung folgt.)

" Aennchen von Tharau it's, die mir gefällt."

Wer hat das einfache, seelenvolle Liebeslied noch nie gehört oder mitgesungen? Soweit die deutsche Zunge klingt, steht es in allen Liederbüchern und geht es von Munde zu Munde. Der Verfasser aber, Simon Dach  , ist halb vergessen und sein Name nur noch in der Literaturgeschichte kurz erwähnt. Freilich ist auch wenig von ihm zu melden, sein Dasein spann sich in engem Rahmen ab: er war ja uur ein geplagter in der Zucht des Hungers aufgewachsener Kandidat des Predigeramtes.

Zu Königsberg   hatte der aus Memel   gebürtige Dach im Anfang des siebenzehnten Jahrhunderts Theologie und Philo sophie studirt und war dann ein Schulmeister geworden, der in seiner Armuth Trost bei der Dichtkunst suchte und fand. Ein Schüler und Verehrer von Opiz, durchbrach er gleichwohl dessen pedantische Form. Sein von musikalischem Sinn unterstütztes frisches Gefühl führte ihn von der dürren Regelnhaide hinweg zum volksthümlich singbaren Liede. Der Umkreis seiner poe­tischen Gedankenwelt war eng, aber es lag eine sonnige Heiter keit über derselben. Sein von reiner, natürlicher Empfindung zeigendes Lob der Freundschaft":

,, Der Mensch hat nichts so eigen, So wohl steht ihm nichts an, Als daß er Treu   erzeigen

Und Freundschaft halten kann"

liest sich heute noch gut, noch besser aber lesen sich die Strophen zum Preise Aennchens von Tharau. Sie sind uns in der hochdeutschen Einkleidung bekannt, die ihnen Herder später ge­geben; Dach schrieb sie in plattdeutscher Mundart und die ersten drei derselben lauten:

,, Anke van Tharaw ös, de mi geföllt,

Se ös min Leewen, min Goet on min Gölt, Anke van Tharaw hefft weider eer Hart Bi mi geröchtet än Löw on än Schmart. Anke van Tharaw, min Rikdom, min Goet

Du mine Seele, min Fleesch on min Bloet".

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Die Sage geht, Aennchen sei eine Tochter des wohlehrwürdigen Bastors von Tharau gewesen und habe, wie dies öfters in der Welt schon vorgekommen den blöden, zimperlichen Sänger stehen lassen, als ein praktischerer" Bewerber sie um ihre Hand

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bat. Der Herausgeber von Simon Dachs   Ausgewählten Dich­tungen" bestreitet die Aechtheit dieser Sage; was liegt uns in­dessen an dem Namen des holdseligen Kindes, das den mageren Schulmeister so poetisch zu stimmen wußte?

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Bei seinem dürftigen Gehalt durfte Dach selbstverständlich lange nicht daran denken, ein Aennchen heimzuführen, wie sehr er sich auch nach einem häuslichen Paradiese sehnte.

,, Herr Dach soll sich nicht in die Jungfer Bordine verlieben," bemerkte Opitz brieflich einem Freunde des armen Magisters, sie ist ihm zu frisch; ein Liedlein mag er ihr wohl komponiren.'

Der wohlgenährte Vater der deutschen Poeterei" hatte gut scherzen; dem Herrn" Dach war ganz anders zu Muthe, er nicht aus fürstlichen Krippen! Ein edler Freund nahm schließlich den kränkelnden Dichter in sein Haus auf, ließ ihn pflegen und setzte es durch, daß ihm eine angemessene Beförderung zu theil wurde. Nun brachen etwas bessere Tage an für Dach. Der Kurfürst Friedrich Wilhelm ernannte ihn zum Professor der Poesie an der Universität Königsberg, doch mit der Kraft war es aus, Dachs Leben ging rasch zur Neige er starb, erst vierundfünfzig Jahre alt.

Von den tausenden, die über den ,, Kampf ums Dasein" reden, hat nur eine winzige Zahl diesen Kampf bestanden und seine Schrecken an sich selbst erfahren. Und ebenso ahnen die von den Wellen leicht dahin getragenen Kinder des Glückes nur selten, wieviel Hochsinn und Talent in den Banden der Noth zugrunde geht. In Simon Dachs   Adern fließt unzweifelhaft, rothes rasches Dichterblut"; aber es ist ein Jammer, zu sehen, wie die kläglichen Zustände ihn einengen, drücken und zum Gelegenheits­reimer erniedrigen; Hunger und loyale Unterthanentreue sind für einen Dichter feine ermunternden Begleiter. Da singt uns denn der Biedermann bei der erfreulichen" Geburt des erstgebornen Sohnes seines Monarchen:

,, Herzlich bin ich jetzt erfreut, Daß, was ich geprophezeit Zweimal schon hat sich erwiesen, Denn ein Fräulein kam voraus. Jezt ziert auch ein Prinz das Haus Durch die Fruchtbarkeit Luisens."