Gestaltung ringende Idee in der ihr diese Gestaltung gewährenden Form völlig aufgehe, wie diese in ihr, daß der Idee nichts Zufälliges, ihr Fremdes beigemengt, sondern nur das, was nothwendig aus ihr hervorgeht, durch die Form zur Erscheinung gebracht werde.

Als ein bekanntes Drama, welches dem historischen Stilmomente ins Gesicht schlägt, weist Köberle den ,, König Roderich" des königs­berger Professors Felix Dahn   auf, dessen dramatischen Charakteren gröblich unhistorisch und verwerflich tendenziös Reden in den Mund gelegt werden, wie sie die deutschen Reichstagsabgeordneten in den Debatten über die Maigeseze vom Stapel gelassen haben.

Als Beispiel für die künstlerisch ganz unzulässige Vernachlässigung des dritten, wichtigsten Stilmoments zergliedert Köberle Heinrich Laube's  ,, Karlsschüler", deren Held Schiller   sein soll, aber besser Schulze oder Müller genannt worden wäre, weil in der dramatischen Form der Karlsschüler" ein Schiller zur Darstellung gelangt, der sich durch keinen Zug seiner geistigen Physiognomie als der Genius kennzeichnet, als den die Kulturgeschichte Schiller   kennt, die Wahrheit ihn hochzuhalten, die Poesie ihn darzustellen hat.

Als besonders verdienstvoll ist es Köberle anzurechnen, daß er dieses, sich der meisten Anerkennung erfreuende Stück Laube's zur Charakteristik der herrschenden Stillosigkeit gewählt hat, weil Laube der hervorragendste Vertreter, man darf sogar sagen, der Vater der neuesten Richtung geworden ist, welche die dramatische Mache genommen hat, jenes ,, Vermengens aller möglichen Stile", das in dem Streben besteht ,,, aus den verschiedensten Abzweigungen der Dramatik einen für alle dramatischen Genres passenden neuen Stil zu konstruiren," der ,, in Wahrheit fein Kunststil" ist, sondern nur Manier und nur das hohle Blendwerk der auf augenblickliche Erfolge abzielenden Effekt­hascherei begünstigt."-

Sehr interessant und beherzigenswerth ist auch, was Köberle über die totale Verkehrtheit zu sagen weiß, welche bei der Vertheilung der Rollen eines Dramas an die Schauspieler herrscht.

Alle sechzehn Schablonen der üblichen Rollenabschachtelungs­methode" seien unbrauchbar, meint er mit gutem Grunde. Es sei grundfalsch, daß ein Mime, der irgendeinen Helden oder irgendeinen Bösewicht leidlich gut spiele, alle Helden oder alle Intriguants zu­ertheilt erhält, man unterscheide da ganz fälschlich nach Aeußerlichkeiten, mit Hülfe deren man zu den tollsten Absurditäten komme und kommen müsse, wie z. B., daß Franz Moor von einem berühmten Charakter­fomiter gemimt werde, dem die tragische Ader ganz fehle, daß im Faust ein als erster Heldenliebhaber engagirter Kulissenvirtuose bramar­basire und daß Wallenstein   von einem im vorgerückten Alter befind­lichen Naturburschen und Bonvivant verhunzt werde.

Eine völlig neue Facheintheilung nach rein psychischen Momenten, nach gewissen Charaktergrundzügen sei nothwendig, sodaß z. B. alle dämonisch angelegten Naturen von eigens mit dem dämonischen Charaktergrundzug ausgestatteten Mimen, alle ideal angelegten von dazu besonders veranlagten dargestellt würden.

Leider kommt Köberle in diesem Punkte nicht zur systematischen Entwicklung seiner Gedanken; ebenso wie er darauf verzichtet, den Nachweis zu liefern, daß die dramatische Produktion auch gegenwärtig Erzeugnisse liefere, welche seinen strengen Anforderungen genügen. Er thut letteres aber nur, weil er fürchtet, den wahrhaft talent­vollen Dramatikern durch seine bei unsern forrupten Theaterleitungen verpönte Empfehlung einen schlechten Dienst zu leisten, und rechnet zu­versichtlich auf einen Aufschwung unsrer dramatisch- theatralischen Berhält nisse, sei es auch auf dem Wege, welchen ein alter Professor der Aesthetik in einem Briefe an ihn in folgenden markigen Worten angibt: Ich bin längst zu der Ueberzeugung gelangt, es könne mit dem ganzen zerlumpten Theater nicht eher besser werden, als bis der Teufel die ganze Wirthschaft geholt haben wird, wozu sie längst reif ist.- Viel eher als von irgendeinem ständigen Theater erwarte ich Heil von irgendeinem mit unverwüstlicher Jugendkraft und leidlichem Geld aus­gestatteten Patron, der sich eine kleine Bande gesunder Jungen und Mädel zusammentrommelt, um, von Stadt zu Stadt ziehend, ein halbes Dugend mit Begeisterung eingeübter Stücke, in wenn auch noch so arm­feliger Ausstattung, vorzuführen. Aus der Bande könnte eine achtbare Gesellschaft, aus dem halben Dußend könnte ein großartiges Reper­toire werden, wenn der Patron der rechte Mann ist, den Thyrsos zu schwingen."

Adam Gottlob Dehlenschläger( Bild Seite 80), berühmter dänischer Dichter und Begründer einer neuen Epoche in der dramati­schen Literatur seines Vaterlandes, wurde am 14. November 1779 in einer nach dem schönen Luftschlosse Friedrichsberg hinausliegenden Vorstadt Kopenhagens   geboren. Sein Vater, ein Schleswiger von Geburt, war damals Organist, später Verwalter des königlichen Schlosses. Mit ihm besuchte der Sohn alle Sonntage die Kirche, wo er wegen seiner schönen Singstimme als freiwilliger Vorsänger fungirte. Anfangs in eine Kinderschule geschickt, die unter der Auf­sicht einer alten strengen Frau stand, besuchte er später die vom Küster geleitete Dorfschule. Das schöne Schloß mit seinen herrlichen Park­anlagen, sowie das bunte Treiben des Schwarms von Herren und Damen, der im Sommer mit dem Hof nach Friedrichsberg kam, ver­fehlten nicht, ihren Eindruck auf den werdenden Dichter zu machen. Der Herbst brachte wieder mit seinen nothwendigen Arbeiten in Schloß und Garten neue Abwechslung, und der Winter, wo das Schloß ver­

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einsamt war, wurde vom Vater dazu benutzt, um seinen Angehörigen aus den aus der Leihbibliothek entliehenen Büchern Vorlesungen zu halten. Mit seinem zwölften Jahre hatte der junge Adam nach eigenen Angaben bereits 300 Bände der, Leihbibliothek verschlungen" und wußte die Komödien Holbergs auswendig"; so hatte er auch in seinem neunten Jahre bereits ein geistliches Gedicht verfaßt. Da seine Eltern zu unbemittelt waren, ihn eine seinen Talenten entsprechende Bildungs­anstalt besuchen zu lassen, so kam die Hülfe Eduard Storms, des Vor­stehers einer Realschule zu Kopenhagen  , sehr gelegen. Derselbe gewährte unentgeltliche Aufnahme, sodaß den Eltern nur noch die Sorge für die Wohnung und Kost verblieb. Storm gehörte zu der damals von Ba­sedow vertretenen Richtung in der Pädagogik, welche in erster Linie die Schüler zu nüßlichen Staatsbürgern erziehen wollte und hatte seinen Unterricht dementsprechend eingerichtet. Den meisten Geschmack fand der junge Dehlenschläger an der nordischen Mythologie und der Ge­schichte und schrieb nebenbei Komödien, die er mit seinen Mitschülern aufführte. Auch besuchte er eine zeitlang die Akademie nnd nahm Zeichenunterricht. Mit sechszehn Jahren ward er konfirmirt und sollte Kaufmann werden, was aber zu seiner Freude fehl schlug. Er bereitete sich jetzt privatim zum Besuch der Universität vor, als aber seine Vor­studien nicht den gewünschten Fortgang nahmen, wurde er Schauspieler. Seiner damaligen Meinung nach hielt er es für den Schauspieldichter nöthig oder doch wenigstens vortheilhaft, die darstellende Praxis zu absolviren. Er hatte jedoch das Komödienleben bald satt und verließ die Bühne wieder, nachdem ihm Johann Christian Dersted dazu ge­rathen und ihn zum Studium der Rechte ermuntert hatte. Als im Jahre 1800 eine akademische Preismedaille für den Studenten angesetzt wurde, der die Frage beantworten könnte: Würde es unserer schönen Literatur zum Nußen gereichen, wenn die nordische Mythologie statt der griechischen von den Dichtern gebraucht und eingeführt würde?" da betheiligte er sich und erhielt für seine im bejahenden Sinne ab­gefaßte Abhandlung den zweiten Preis, während der erste einem zu­fiel, der sich für die griechische Sage entschied. Noch ist aus jener Zeit zu erwähnen, daß D., als im Jahre 1801 die Engländer Kopen­hagen mit ihrer Flotte angriffen, in dem zur Vertheidigung der Stadt errichteten Studentenkorps als Fahnenjunker diente. Mehrere seiner bis dahin veröffentlichten Gedichte fanden neben dem allgemeinen auch den Beifall des Grafen Schimmelmann, was zur Folge hatte, daß dieser ihm ein Reisestipendium vermittelte, mit Hülfe dessen er 1805 seine Reise zunächst nach Deutschland   antrat. In Halle, Berlin  , Dresden  , Weimar   weilte er längere Zeit, besuchte dort alte Bekannte und trat mit den bedeutendsten Männern in Berührung, wie Schleiermacher  , Fichte, Tieck  , Körner, Wieland, Goethe u. s. w., von denen er lernt, ihnen seine Gedichte deutsch   vorliest und sich dadurch die deutsche Sprache so zu eigen macht, daß er sie später als Medium für seine künstlerischen Produktionen benutzen kann. Namentlich verkehrt er in Weimar   viel mit Goethe und muß diesem seinen Aladdin" und Hakon Jert" ganz aus dem Stegreif deutsch   vorlesen. Von hier, wo er während der Schlacht von Jena war, geht er nach Paris   und von dort zurück nach Stuttgart  , wo er an Cotta seine Gedichte verkauft, um für den Erlös nach Italien   zu reisen. Zu der in Tübingen   ge­machten Bekanntschaft mit Uhland, gesellt sich noch die von A. W. Schlegel, Zach. Werner, Benjamin Constant  , die er in Coppet   auf dem Schlosse der Frau von Staël, welch' letztere ihn bereits in Paris   hier­her geladen, antraf. In dieser geistreich- romantischen Gesellschaft ver­lebte er einige Monate, überseßte einige seiner Stücke und reist dann weiter durch die Schweiz   nach Italien  . Bei der Betrachtung der Fresko­gemälde Correggio's in einer Kirche Parma's faßt er auch den Ge­danken zu seinem Drama Correggio  ", das er in Italien   schrieb. Nach längerem Aufentbalt in Rom   fehrt er, mehrere Städte Deutsch­ lands   besuchend, nach Kopenhagen   zurück und wird an der dortigen Universität Professor der Aesthetik. 1817 machte er noch eine Reise durch Deutschland   nach Paris  ; auf einer Reise nach Schweden   wird er mit Ehrenbezeugungen förmlich überschüttet. Dagegen wird er auch daheim von verschiedenen Seiten angegriffen, am heftigsten von Baggesen. Gestorben ist er am 20. Januar 1850 als dänischer Konferenzrath. Neben den erwähnten Stücken schrieb er noch eine große Anzahl anderer und übertrug außerdem Holbergs Lustspiele ins Deutsche. Seine un­geheure Produktivität beweist die 1848-52 erschienene vollständige Ausgabe seiner Werke, die 38 Bände umfaßt. Von seinen in deutscher Sprache verfaßten und übersetzten Schriften zählte die zweite 1839 er­schienene Ausgabe 21 Bände. Seine Stoffe wählte er mit Vorliebe aus der nordischen Mythologie. Er versucht sich auf allen Gebieten der Poesie und bekundet überall eine nicht gewöhnliche Meisterschaft, am bedeutendsten offenbart sich jedoch sein dichterisches Talent im Drama, obgleich er auch hier nicht die Höhe und Vollendung unserer Klassiker erreicht.

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Restaurirte Ansicht vom Innern der Wohnung des Aedilen Bausa   in der verschütteten Stadt Pompeji.  ( Bild Seite 81.) Wie wir in der vorherigen Nummer anläßlich der Beschreibung des fölner Domes bemerkten, daß der gothische Baustil aus dem roma­nischen entstanden ist, so veranlaßt uns der Gegenstand des vorliegen­den Bildes, das in Pompeji   ausgegrabene Haus des Aedilen Panja, zu der Bemerkung, daß der römische Baustil aus der etrurischen und griechischen Bauweise hervorgegangen ist. Sehen wir im gothischen Stil die Kreuzform im Grundplan und den Spizbogen im Gewölbeplan