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vorherrschen, so gewahren wir in dem römischen Stil die Anwendung meist rechtediger oder aus Rechtecken zusammengeseßter Planformen und wagrechter, aus Steinbalken bestehender Decken auf steinernen Säulen in drei Grundformen, nämlich der dorischen, jonischen und korinthischen Ordnung. Die Anordnung des hölzernen Dachgebälkes sowie der rundliche Gewölbebau an den römischen Bauten ist etrurischen Ursprungs, hingegen die innere Ausschmückung des Hauses, sowie die Form des Hausgeräthes nachgriechischen Vorbildern entstanden. Ziehen wir noch den Umstand in Betracht, daß die Römer den Griechen den Götterdienst, die Dicht- und Redekunst, sowie alle staatlichen Einrichtungen entlehnt haben, so können die Römer außer der Verfassung des Gesezbuches vom römischen Recht und einigen Militäreinrichtungen wenig Ursprüngliches aufweisen, was sie von den von ihnen so gründlich verachteten deutschen Barbaren unterscheiden würde. Wie unter den Kaisern die römische Gesellschaft sich aus den Nationalelementen dreier Welttheile, Europa's , Asien's und Afrika's zusammensetzte, so war auch die Bauweise der Römer dieser Epochen von allen möglichen Stilarten beeinflußt. Nur in der räumlichen Anordnung des Familienhauses blieben die Römer der Kaiserzeit den Ueberlieferungen ihrer republikanischen Vorfahren treu. Wir haben den Lesern der„ Neuen Welt" im Jahre 1879 erzählt, daß Pompeji im Jahre 79 n. Chr. Geburt durch den großen Ausbruch des Vesuv , an dessen Fuß die Stadt gelegen, mit dem benachbarten Herculanum und Stabiä vollständig verschüttet wurde, nachdem sechzehn Jahre vorher der Ort von einem heftigen Erdbeben heimgesucht worden war. Wir wollen uns heute mit den Ergebnissen beschäftigen, zu welchen die bisherigen Ausgrabungen geführt haben und führen im Bilde das vom Schutt blosgelegte Hausinnere des Aedilen Bansa vor, welches als Musterbild der römischen Hauseinrichtung gelten kann. Die Aedilen waren römische Beamte, die zuerst 493 v. Chr. Geburt zugleich mit den Volkstribunen aus dem Plebs( dem gemeinen Volfe) gewählt und jenen insofern als Gehilfen beigeordnet wurden, als ihnen mit der Aufsicht über die öffentlichen Spiele und der Verwaltung der Stadtpolizei auch die Sorge für Getreidemagazine und wohlfeile Marktpreise, also die Pflicht oblag, das Volk vor den Bedrückungen der Grundbesizer zu schüßen. Mit der Stadt- und Marktpolizei war die Beaufsichtigung des Gottesdienstes behufs der Fernhaltung ausländischer Religionsgebräuche, der Theater und öffentlichen Spiele, der Bäder, Wirthschaften und öffentlichen Gebäude, namentlich auch die Entscheidung von Kauf- und Baustreitig keiten verbunden. In den Städten lateinischen Rechts, wozu auch Pom peji gehörte, hießen Aedilen die höchsten Magistratspersonen. Der Eigenthümer des durch unser Bild veranschaulichten Hauses, Cajus Martius Pansa, war also nach unsern modernen Begriffen Oberbürgermeister von Pompeji , und der Blick in sein Hauswesen führt uns ein Kulturbild der Zeit vor 1800 Jahren vor. Die Straße vor seinem Hause, kaum für ein Fuhrwerk passirbar, war eng und bot keinen besonders mannigfaltigen Anblick dar; das Haus hing mit der Straße durch eine schmale Eingangsthür zusammen und hatte nur im oberen Stocke kleine Fenster. Obzwar den Römern das Glas bekannt war, verwendeten sie es nur in seltenen Fällen zu Fensterscheiben; wahr scheinlich war es zu kostspielig. Pansa's Haus besteht, wie alle andern in Pompeji aus der Kaiserzeit stammenden Behausungen aus zwei hintereinanderliegenden Hälften, von welchen der vordere Theil der Deffentlichkeit, dem Geschäftsleben und dem allgemeinen Zutritt bestimmt war, während der hintere nur dem Familienleben diente. Unser Bild zeigt den vorderen Theil. Die Hausthür, in welcher der Pförtner, ein gefesselter Sklave, Wache hielt, führte auf den Vorhof, Vestibulum genannt, in das Atrium( von Ater schwarz, rauchgeschwärzt). Das Atrium erhielt sein Licht von oben. Zu beiden Seiten führten Thüren in die Zimmer der Seitenflügel des Hauses. Hinter dem Atrium befand sich das nicht bedeckte Cavädium, d. h. Hohles Haus. Zur Zeit der streng moralischen Republik enthielt das Atrium das Ehebett, den Herd, die Webstühle der Sklavinnen, die Familiengötter, die Geldkiste; später, als sich die schlichten Bauern zu Weltbezwingern ausgebildet hatten, diente es mit Zunahme des Luxus vorzugsweise als Empfangssaal der Klienten, wie es der Hintergrund unsres Bildes darstellt, und erhielt als solches eine andre Ausstattung, verlor aber seine familiäre Bedeutung mit der Ausschmückung von Brunnen, Rasenpläßen und Säulenreihen. Am Schluß der Seitengemächer, die das Atrium umgaben, lagen zwei nach Innen offene Räume, Alae( Flügel) genannt. Der Herd, der in den Zeiten der Republik im Atrium seinen Platz gehabt hatte, wurde in der Kaiserzeit tief in das Hinterhaus in eine besondere Küche verlegt, welche, mit vielen Vorrichtungen ausgestattet, oftmals für sehr viele und sehr anspruchsvolle Gäste zu sorgen hatte. Das gemeinschaftliche Essen hatte zur Zeit der Republit auch im Atrium in der Nähe des Herdes stattgefunden; zu der Zeit, aus welcher unsere Abbildung stammt, unter den Kaisern Claudius und Nero wurde es in die hintere Hälfte des Hauses verlegt, in ein besonderes Speisegemach, das Triclinium. Die Penaten, Schußgottheiten des Hauses, hatten durch die Verlegung des Herdes ebenfalls ihren Plaz verloren und erhielten denselben wieder in einem besonderen Zimmer, Tablinum genannt. Dieses Tablinum, der Vordergrund unseres Bildes, ein großes, nach vorn und rückwärts weit offenes, mit Vorhängen geschlossenes Gemach, wurde nach seiner Lage das eigentliche Herz des Hauses: außer den Götterbildern übernahm es zur Aufbewahrung die Masken und Bilder der Ahnen, die Reliquien der Familie und ihre Dokumente; es war Familienmuseum und Familienarchiv. Die schmale Thüre, rechts
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auf unserem Bilde, führte in einen schmalen Gang, Fauces, Schlund, und stellte die Verbindung des Vorderhauses mit dem Hinterhause, des Atriums mit dem Cavädium her. Wie wir schon eingangs erwähnten, war das Cavädium eine Wiederholung des Atrium und nur dem Familienverkehr gewidmet. Das Cavädium am Hause des Pansa ist von einem Porticus umgeben, der von vierundvierzig Säulen getragen wird. Das Cavädium war von Familiengemächern umgeben, deren größtes und am reichsten geschmücktes die Exedra hieß, wo die Matrone, die Dame des Hauses, Besuche empfing. Die Kinder und Sklaven schliefen im hintersten Theile des Hauses, wo sich auch die Vorrathsräume befanden. Die Römer hatten eine Abneigung gegen mehrstöckige Häuser, deshalb wurden die oberen Stockwerke der großen Stadthäuser nur von armen Leuten bewohnt. Vornehm war nur, was zur ebenen Erde lag; was darüber lag, das war Nothbehelf. Wenn der Raum es gestattete, so lag hinter dem Hause ein kleiner Garten, gewöhnlich mit einem Säulengange. Gartenartig war auch der mittlere Raum des Atriums und Cavädiums behandelt, ein vertieftes Bassin( siehe unser Bild) oder ein Rasenparterre, von Blumen und Gewächsen umstellt und mit einem zierlichen Brunnen geschmückt, der mit seinem plätschernden Wasser die Luft erfrischte. Daraus ersieht man, daß das römische Haus wohl kühl und luftig war, aber verhältnißmäßig wenig Licht hatte, weil die kleinen Fenster nur auf Atrium und Cavädium hinausgingen. Troß dieser ungenügenden Beleuchtung waren aber alle Räume des Hauses mit Malereien geschmückt. Die Wand wurde von dem Maler in drei Theile, Sockel, Mittelfeld und Fries getheilt. Jede Abtheilung hat ihre eigene Dekoration, die reichste pflegt dem Fries zuzukommen. Die in Pompeji nach 1800jähriger Nacht wieder ans Licht getretenen schwebenden Wandfiguren sind so leicht und luftig mit dem Pinsel hingehaucht, als ob sie, der Schwere entledigt, sich von selber tragen und des Bodens unter ihren Füßen nicht bedürfen würden. Ueber dieser anmuthigen Malerei, die heute noch in wirkungsvollen Farbentönen prangt, lag eine lichte Decke, gleicherweise mit heiterer Malerei überzogen. Der Decke entsprach ein zierlich gearbeiteter Fußboden, zusammengesezt aus fleinen Steinchen( Mosaik), welche einfache geometrische Muster bildeten, aber auch zu figürlichen Gegenständen, ja selbst zu großartigen historischen Darstellungen sich erhoben, wie z. B. die vor einigen Jahren in Pompeji enthüllte und in Mosaik ausgeführte Alexanderschlacht. So empfing den Besucher, sowie er den Fuß in das Atrium seßte, anmuthige Augenlust. Traf es sich, wie auf unserem Bilde, daß die Vorhänge des Tablinums offen waren, so sah er wie durch das Haus hindurch, den Brunnen des Atriums, die reichverzierten Wände, die bemalten Colonnaden des Cavädiums mit dem Grün und den Blumen in ihrer Mitte und den edelsten Schmuck des kunstliebenden Hausherrn, Statuen in Marmor und Erz. Solcher Dekoration des Hauses mußte die Ausstattung, das Geräth entsprechen. Es ist auffallend, wie einfach die Ausstattung eines römischen Gemaches war im Verhältniß zu derjenigen des modernen Salons, aber das einzelne Stück war um so kostbarer, um so kunstvoller. Bunte Gewebe, Teppiche und Decken aus Alexandrien und Babylonien bildeten einen Hauptbestandtheil der Ausstattung. Sie hingen zeltartig an heißen Tagen über der Deffnung des Atriums und Cavädiums, Schatten und Kühlung gewährend, dienten als Verschluß der Thür- und Fensteröffnungen, hingen zur Zierde zwischen den Säulen und lagen über den Sigmöbeln und Lagerstätten. Hohe Wandkasten nach unserer Art waren nicht gebräuchlich, statt ihrer wurden Nischen und Einschnitte in der Mauer benußt. Die gewöhnliche Form der Vorrathskasten, in denen Gold und Kleider aufbewahrt wurden, war die der Truhen mit aufzuhebendem Deckel. Es haben sich einige derselben von Metall in Pom peji erhalten, in Pansa's Hause sogar mit ziemlich viel Geldmünzen, wahrscheinlich Steuergeld. Dafür gingen die hölzernen und reichgeschnigten Betten, Bänke und Stühle zu Grunde. Die in der Mitte des Tablinums stehenden Möbel, Tisch und Stuhl, sind von Bronce', auch im Relief verziert, deren Dreifußgestelle in Form von Thierfüßen aufs feinste in Guß und Ciselirung gearbeitet sind. Auf dem Sitzmöbel steht eine Lampe, mit unserem Auge betrachtet ein sehr unzulänglicher Beleuchtungsapparat. Es ist eine fleine ölgefüllte Metallschale mit einem Dochte, der aus dem engen Loch einer Schnauze hervorkam. Man konnte den Docht nicht über eine gewisse Stärke machen, sonst rauchte er; man konnte also das Licht nur verstärken, indem man es vervielfältigte oder in verschiedener Höhe anbrachte. Diesem Uebelstande verdanken wir die so zierlich gearbeiteten Candelaber, die auf unserem Bilde im Tablinum stehen. Aber auch das übrige Geräth, soviel dessen das Haus in Wohn-, Speise und Schlafzimmer, ja selbst in der Küche bedurfte, ist veredelt durch Verzierung und durch die Linien der Form. Kasserole und Kessel, das Geschirr, in dem die Speisen aufgetragen wurden, der Becher, den man zum Munde führte, alles zeugt von der griechischen Künstlerhand, alles von einem großen, reichen, bewegten Kulturleben, welches sich in den beiden ersten Jahrhunderten des Kaiserthums über das ganze, damals bekannte Erdenrund erstreckte. Ist es ein Wunder, daß es Lobredner gab, die da meinten: durch Rom habe die Welt das Eisen weggelegt und prange im Festgewande, in Herrlichkeit und Lust; die Erde sei wie von Krankheit genesen und sei wie ein Garten geschmückt, da verwandelte ein Ruck der unterirdischen Mächte, die Jahrtausende geschlummert hatten, den Garten am Vorgebirge der Minerva in ein Leichenfeld und deckte ihn mit grauem Aschenmantel zu. Achtzehnhundert Jahre blieben die Paläste, Ringpläße, Wasserleitungen und Tempel verschüttet, bis es den