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nur noch bei genauerem Studium die Aehnlichkeit mit unsern gewohnten Eichenblättern erkennen läßt. Zierliche Cistusröschen, deren Staubfäden auf äußeren Reiz reagiren, am Mittelmeer  heimisch, Theepflanzen, neuholländische Grasbäume, die durch zierliche Formen, zarte Farben und Geruch ausgezeichneten Lilien von Japan   und China  , eine fast 200jährige Aloe sind her vorstechende Exemplare von in der Nähe befindlichen anderen Gruppirungen. Vor allen andern erregt eine auf und zwischen Felsstücken einheitlich arrangirte Pflanzenaufstellung unsere Auf­merksamkeit; geschaart, als um ihre Standarten, um 10 bis 15 Fuß hohe, astlose und fackelähnliche, oder kandelaberverzweigte, von unten bis oben stachelbewehrte Kaktusarten, während eine Mannichfaltigkeit kleiner, mehr nach den horizontalen Dimensionen ausgedehnter Kakteen, darunter die Nährpflanze des Cochenille­insekts, ferner Gespinnfasern liefernde Dasylirien, Agaven( die von der Mode gern zur Dekoration von Freitreppen, Schloß­und Villenveranden gebrauchte und meist fälschlicherweise Aloe titulirte Pflanze), die hier ihre erstaunlich rasch wachsenden, bis zu 20 Fuß Höhe sich erhebenden Blüthenschäfte wiederholt ent­wickelt haben das Gefolge bilden. Die hochstämmigen mexi­kanischen Lilien( Yucca), die der Laie gewöhnlich einfach den Palmen einzureihen pflegt, schließen sich den vorigen noch an, um uns ein vegetatives Charakterbild des subtropischen Mexiko  zu geben. Dieselbe Zone auf der südlichen Halbkugel wird zum theil repräsentirt durch die sich daran anschließenden Aloen, Eu­phorbien, Stapelien aus dem afrikanischen Kaplande.

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Diese uns hier und noch weiterhin häufig begegnende Zu­sammenstellung von Charakterpflanzen eines größeren Landes oder bestimmter Vegetationszonen, die, soweit das die Anforde­rungen der Pflanzen an beſtimmte Lage und Kultur, sowie andere Rücksichten zuließen, im ganzen möglichst systematisch durch geführt ist, bildet einen weiteren, das populäre Interesse wesent lich anregenden Vorzug grade dieses botanischen Gartens. Noch finden wir in der Nähe eine weitere, die wärmer temperirte ge­mäßigte Zone Südamerikas   veranschaulichende Gruppe, nämlich eine wesentlich chilenische Gewächse enthaltende, zu denen bekannt lich auch die bei uns jetzt als Zimmerpflanzen allgemein ver breiteten Fuchsien gehören, sowie einige Arten von Araukarien  , jene unsern Nadelhölzern verwandten Zapfenträger, deren Blätter aber flach, breit und dreieckig, mit ihrer Basis den Zweig um fassen.

Wir finden ferner innerhalb einer besonderen Umgrenzung eine für den Mediziner und Pharmazeuten besonders wichtige Anpflanzung und Aufstellung von 400 offizinellen Gewächsen, die aber jedermann mit Interesse in Augenschein nimmt; in weh­müthiger Erinnerung daran, wie er unfreiwillig doch schon dieses oder jenes bittere und theuere Kräutlein habe beißen und schlucken müssen; da ist es hier doch freudiger anzuschauen! Die Roh­produkte dieser Pflanzen, aus Wurzeln, Früchten, Blättern be­stehend, besonders soweit diese Theile an den lebenden, hier be­findlichen Pflanzen nicht sichtbar sind, sind auf besonderen Etageren, in wohlverschlossenen Glasbüchsen neben ihnen aufgestellt. Auch diese Einrichtung ist im ganzen Garten durchgeführt; Blüthen, Zweige und Früchte von denjenigen Gewächsen, die aus klimati­schen Gründen im Garten nicht zu voller Entwicklung kommen, die aber technisch, medizinisch oder sonst wissenschaftlich wichtig sind, und die man selten zu sehen Gelegenheit findet, sind in ungefähr 1000 Exemplaren, genau bezeichnet und erläutert, mög­lichst neben den Mutterpflanzen auf Stäbchen oder Etageren auf gestellt. Auch diese, ein botanisches Museum bildende, sonst nirgend so zugänglich zu findende Einrichtung vermehrt nicht wenig die Lehrhaftigkeit des Gartens.

Immer noch in diesem ersten Theile des Gartens gelegen, bemerken wir ein etwa 70 Fuß langes, zum theil in die Erde vertieftes Warmhaus, das die seltensten und kostbarsten tropischen Gewächse enthält. Aus dem sehr großen Reichtum an solchen seien hier nur einige als Beispiele angeführt; so von morpho logisch und physiologisch interessanten die Mimosen, welche auf äußeren Anreiz, Berührung, ja selbst nur plötzlichen Hauch, ihre feingefiederten Blättchen zusammenlegen; ferner die Schlauchblatt­pflanzen, welche einen dem Pepsin des thierischen Magens ähn lichen Stoff absondern, der organische Stoffe( wie Fleisch, kleine Insekten) zersetzt und verdaut. Da sind weiter zu finden medi­zinisch- pharmazeutisch wichtige tropische Gewürzpflanzen, wie der Chinarindenbaum, Kolumbowurzel, Kokkelskörner, Pfefferarten, Vanille, Zimmtarten, Gummi- Gutti, Gutta- Percha, Perubalsam, sowie Krähenaugenbaum und Jpekakuanha-, Croton-, Cajaputöl

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und Kokapflanzen. Von geschätzte Nahrungsmittel liefernden Pflanzen sind hier zu finden: der neuerdings oft erwähnte, ge­nießbaren Milchsaft liefernde Kuhbaum, Encephalartosarten oder das Kaffernbrot vom Kap, die Sago  -, Wein-, Kohl- und Wachs­palmen, sowie der Kokosnußbaum. Es sind dann noch zu nennen technisch wichtige Pflanzen, wie das Blauholz, das brasilianische Roth- oder Fernambukholz, ferner Mahagony-, Paosanto-( fälsch­lich Palisander) und Ebenholzbäume u. a. m., welche ein Bild des Aussehens der lebenden Pflanzen dieser bei uns so häufig verarbeiteten Hölzer geben, während man an der Temperatur des Raumes zugleich eine Vorstellung der Anforderungen an Wärme und Feuchtigkeit gewinnt, welche sie in ihrer Heimat stellen. Schließlich werden in diesem Hause noch die berüchtigtsten tropischen Giftpflanzen gezogen: die vielgenannten javanischen Upasbäume, und die von Meyerbeer   auf die Madagaskar   bedeu­tenden Bretter versetzten Manzanillbäume, die aber in Wirklich­keit ausschließlich im tropischen Nordamerika   zu finden sind. Noch giftiger soll der Malamujer( böse Frau) genannte Baum sein. Südwestafrika ist in dieser üblen Gesellschaft vertreten durch die berüchtigte Kalabarbohne, die nach dem übereinstimmenden Bericht der Forschungsreisenden, von den dortigen Priestern und ihnen verbündeten mächtigen Personen zu den sogenannten Gottes­urtheilen, d. h. zu abgefeimt heimtückischem Ausdemwegeräumen solcher irgendwie hinderlicher Personen benutzt wird, welche dabei soviel Besitz haben, daß der bei dieser heiligen" Prozedur zu entfaltende Hokuspokus der Mühe lohnt.

Beim Weiterschreiten in der Eingangsallee und vorbei an einer Steinpartie mit sämmtlichen bei uns im Freien ausdauern­den Farnen, gelangt man in einen kleinen Wald, von Bäumen gebildet, die in den mittleren und nördlichen Vereinigten Staaten heimisch, bei uns aber auch großentheils längst afklimatisirt sind, wie Zuckerahorn, Scharlacheichen mit eßbaren Früchten, Kanada­kastanien u. a. Ein Anschlag gibt dabei eine vergleichende Ueber­sicht der Waldbäume von Nordamerika   und Europa  .

Es schließt sich daran eine morphologisch- physiologische Partie, welche theils aus trocknen ganzen Baumstämmen, theils aus Ab­schnitten, Durchschnitten und Theilstücken besteht und bestimmt ist, als Erläuterung zu dem normalen, sowie auch in einzelnen Exemplaren zu dem anormalen Wachsthum der baumartigen Holzgewächse zu dienen.

Wir gelangen nun an der nördlichen Grenze des Gartens zu den in einer Reihe nebeneinander liegenden großen Gewächs­häusern. Das erste, etwa 110 Fuß lang, ist hauptsächlich be­stimmt zur Aufnahme von Farnen der wärmeren Zone, deren hier gegen 300 Arten vorhanden sind, und denen überhaupt große Exemplare tropischer, besonders offizineller Gewächse bei­gesellt sind. Es seien davon nur erwähnt: Der Kubebenpfeffer, die Matétheepflanze, Seifenbaum, Piment, der Kaffee-, Angostura­rinden-, Baumwollenbaum, Hymenäen- oder Kopalbäume und Gummilack; dann tropische Fruchtbäume, wie Anonen, Bananen, Pisang oder Musaceen. Da ist ferner zu finden der Topfbaum mit der merkwürdigsten Frucht der Erde, die einer heidnischen Urne mit Deckel gleicht. An den Pfeilern schlingen sich Lianen, während auf Etageren wiederum zahlreiche Produkte dieser Ge­wächse, Früchte und Blüthen, zur Ergänzung dienen.

Es fehlen auch hier nicht die tückischen Giftpflanzen der heißen Gegenden, repräsentirt unter andern durch den Gottesurtheilbaum Madagaskars  , die Tanghinia veneniflua, die furchtbar giftige Paulinia Curare  , welche den Indianern Südamerikas   das Pfeil­gift Curare   liefert*), während aus der nahverwandten Paulinia sorbilis das heilkräftige Guarana bereitet wird, dessen wirksamer Bestandtheil identisch ist mit Thein( Kaffeïn). Da ist ferner Jatropha Manihot, deren Wurzelsaft Blausäure liefert und zu­gleich das als Nahrungsmittel dienende Tapiokamehl enthält.

Das danebenliegende Gewächshaus besteht aus sechs getrennten Abtheilungen, hauptsächlich bestimmt für den Winteraufenthalt der Pflanzen von Australien   und dem Kap, und derartig getheilt, um verschiedene Gruppen, wie fettblättrige Pflanzen, Farnkräuter, Bananen, Palmen, Orchideen, welche verschiedene Grade von Wärme und Luftfeuchtigkeit verlangen, gesondert kultiviren zu können. Durch eine Warmwasserheizung wird eine bestimmte, genau regulirbare Temperatur unterhalten, sodaß man dieselbe

seiner ,, Organischen Chemie  " dagegen das Curare von den Javanesen *) Diese Angabe nach Professor Göppert. Gorup- Besanez läßt in aus Strychnos Tieuté und vielleicht andern Strychnosarten bereitet werden.- Die Benußung des Curare seitens unsrer Vivisektoren wird ihnen bekanntlich als nicht geringste Sünde registrirt. D. Verf.