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die Gäste rüsten sich zum Aufbruch, folglich sind sie verfolgte Räuber. Bista und Béti satteln mit zitternden Händen die Pferde, aber Jánczi und Miska befestigen lachend am Sattelknopf den Mantelsack, der ihr ganzes Habe enthält. Ein Abschiedswort, ein Kuß vielleicht der lezte und die verwegenen Bursche ſizen im Sattel, Jllonka reicht die liegengebliebenen Kleider hinauf. Schon kann man die Häscher, vier an der Zahl, unterscheiden, wie sie auf ihren keuchenden Mähren  herantrotten. Paprika Jánczi hat sich im Sattel nach rückwärts gedreht und zieht seinen langen Schnurrbart durch die Finger. Noch einen Abschiedstrunk verlangt der Uebermüthige und nachdem er ihn bedächtig geleert, drückt er der Wirthstochter zwei Goldstücke in die Hand. Da pfeift eine Flintenkugel an seiner breiten, aufwärts gerichteten Hut­främpe vorbei und mahnt zur schleunigen Flucht. Auf ein Schnalzen mit der Zunge seßen sich die Pferde in Bewegung und bald jagen die Reiter im gestreckten Galopp dahin, um nach kurzer Zeit in einer Staubwolke zu verschwinden. Die berittenen Diener der Gerechtigkeit traben gemächlich heran, von dem winselnden Iglo umkreist, und trinken den Rest des von den Banditen bezahlten Weines. Zur Festnahme der Uebelthäter kamen sie, wie gewöhnlich, zu spät. Diese romantische Epi­sode gehört durchaus nicht zu den seltenen Ereignissen einer ungarischen Haideschenke und Wirth und Gäste befinden sich wohl dabei. Wird der Banditenunfug zu arg, so proklamirt man das Standrecht, d. h. ein summarisches Hängen und wenn man der Räuber nicht habhaft wird, hängt man ein paar Zigeuner, damit der Galgen nicht leer steht. Ländlich, sittlich! Dr. M. T.

Ein kappadokischer Bischof, ein französischer Revolutionär und ein deutscher Philosoph als Gelegenheitsdichter. Bekanntlich lehrte der griechische Weise Plato  , die Betrachtung irdischer Schönheit erhebe zur Betrachtung der himmlischen. Es darf als ausgemacht gelten, daß diese Lehre unter der christlichkatholischen Geistlichkeit ganz besonders manch' eifrigen Vertreter gefunden hat und noch findet. Weber meint freilich etwas boshaft: Die Andacht erhöhet die Phan­tasie und reizt die Nerven, daher ist sie der rechte Augenblick für sinn­liche Liebe," und er dürfte damit nich so ganz unrecht haben. That­sache wenigstens ist, daß selbst hervorragende christlichkatholische Würden träger, die durch Bapstes Mund ,, heilig" gesprochen worden, in recht menschlich- sinnliche Betrachtung und Verehrung irdischer Schönheit ver­fallen konnten, ohne dabei Sehnsucht nach der himmlischen zu empfinden. So findet sich in des kappadokischen Bischofs St. Basilios von Cäsarea( 379) Werke: ,, De vera virginitate" folgendes Minnelied: Mit zaub'risch fesselnder Gewalt Umfleußt ein Liebreiz allerwärts

Des edlen Weibes Huldgestalt

Und dringt, wie Licht, in Mannesherz. Ihr Blick ist seinem Aug' ein Strahl Der Lieblichkeit, der nie erlischt; Die Stimme Traum dem Ohr zumal Von Melodie, den nichts verwischt. Ihr Wachen übt, ihr Schlaf Gewalt, Ihr Geh'n, ihr Ruh'n ihr Sieg verheißt: Ein licht' Gefäß strahlt die Gestalt

Des Geistes Glanz, den sie umschleußt.

Wie ihre Rede euch entzückt,

Spricht doch ihr Schweigen gleich beredt: All' ihre Wege Liebe schmückt,

Ihr Lager, wenn zur Ruh' sie geht. Kurz, was sie thut, dem Manne facht Der Minne Feuer, nie verglüht, So groß ist des Magnetes Macht,

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Der Seel' und Sinne nach ihr zieht!

Fast will es uns bedünken, daß der heilige Basilios die Wahrheit dieser letzteren Worte an sich selbst erfahren haben müsse, wofür er von uns gewiß feinen Vorwurf bekommen würde. Uebrigens darf nicht unerwähnt gelassen werden, daß zur Zeit dieses Würdenträgers das Cölibat erst in seinen Anfängen existirte, und demnach auch die menschlich sinnliche Liebe vom Klerus freier und offener bekannt wurde, als dies in den späteren Jahrhunderten bis auf den heutigen Tag der Fall war.

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Der französische   Revolutionär, den wir hier als Dichter, durch Wiedergabe eines Produktes seiner Muse charakterisiren wollen, ist Maximilian Robespierre  . Bekanntlich haben die Geschichtschreiber

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diesen Mann geschildert als einen blutdürftigen, jedes besseren Gefühls baren Tyrannen. Wie unberechtigt dieses Urtheil ist, geht, abgesehen von vielem andern, hervor aus einem im Jahre 1868 unter den Papieren eines toulouser Advokaten aufgefundenen, zuerst von der ,, Independance  " nach dem französischen   Original und darauf von der Didaskalia" in einer sehr getreuen Ueberseßung veröffentlichten Gedichte Robespierre's  . Dieser Uebersetzung nach lautet dasselbe:

Zwei Worte gibt's im Menschenleben, Entsprungen füßem Herzensdrang, Beseligt lauschen, die sie hören, Dem wundersamen Zauberklang. Das eine süße Wort ist ,, ,, Mutter  " Und ,, Liebe" ist das andre Wort, Das erste schwebt von Kindeslippen, Von Herz zu Herz das andre fort.

Die Mutter jubelt bei dem ersten, Wenn sie's von ihrem Kleinen hört,

Die Jungfrau lauscht beglückt dem zweiten, Wenn stürmisch ihr's der Jüngling schwört. Vor dieses zweiten Wortes Süße Nimm, schönes Liebchen, dich in Acht! Rasch hat es mancher ausgesprochen, Der vorher nicht den Werth bedacht! Sei flug und prüfe, wer dir nahet, Daß er dein Herzchen nicht betrügt; Wer oft ,, ich liebe dich" dir schwöret, Denk' immer, daß er dich betrügt. Schönrednern sind Gefühle fern, Geistreicher Werbung traue nicht,

Dein Herz sei's, nicht dein Ohr, das höret, Wenn einer dir von Liebe spricht.

Der dritte, dessen als Dichter hier Erwähnung gethan werden soll, ist der deutsche Philosoph Schelling  . Derselbe hinterließ unter anderm folgende, an die Sprache in Goethe's   Faust erinnernde, philosophische Reime: Wüßt' nicht, wie mir vor der Welt könnt' grausen, Da ich sie kenne von innen und außen;

Ist gar ein träg' und zahmes Thier, Was dräuet weder dir noch mir, Muß sich unter Geseze schmiegen,

Ruhig zu meinen Füßen liegen.

Steckt zwar ein Riesengeist darinnen,

Ist aber versteinert mit allen Sinnen, Kann nicht aus dem engen Pauzer heraus, Noch sprengen sein eisern Kerkerhaus, Obgleich er oft die Flügel regt, Sich gewaltig dehnt und bewegt, In todten und lebend'gen Dingen Thut nach Bewußtsein mächtig ringen; Daher der Dinge Qualität, Weil er drin quellen und treiben thät, Die Kraft, wodurch Metalle sproßen, Bäume im Frühling aufgeschossen, Sucht wohl an allen Ecken und Enden Sich ans Licht herauszuwenden, Läßt sich die Mühe nicht verdrießen, Thut jezt in die Höhe schießen, Seine Glieder und Organe verlängern, Jegt wieder verkürzen und verengern, Und hofft durch Drehen und durch Winden Die rechte Form und Gestalt zu finden, Und kämpfend so mit Füß' und Händ' Gegen widrig Element,

Lernt er im Kleinen Raum gewinnen, Darin er zuerst kommt zum Besinnen. In einem Zwergen eingeschlossen

Von schöner Gestalt und geraden Sprossen, ( Heißt in der Sprache Menschenkind) Der Riesengeist sich selber find't.-

Derartige schäßenswerthe Produkte der Gelegenheitspoesie hat viel­leicht noch manch' andrer Mann von Geist und Herz hinterlassen, ohne daß das größere Publikum eine Ahnung davon hat! K. F.

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Inhalt. Die Schwestern, Roman von M. Kautsky( Fortsetzung). Ein Musterinstitut für volksthümliche Naturkunde; der bota­nische Garten zu Breslau  , von Rothberg- Lindener( Fortseßung). Tschunkuë, das Reich der Mitte. Studie von Maximilian Dittrich. Mein Freund, der Klopfgeist. Eine Spiritistengeschichte aus dem lezten Drittel des 19. Jahrhunderts, von H. E.( VIII.) Die Haideschenke ( mit Illustration). Ein kappadokischer Bischof, ein französischer Revolutionär und ein deutscher Philosoph als Gelegenheitsdichter.

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Verantwortlicher Redakteur: Bruno Geiser   in Leipzig  ( Südstraße 5).- Expedition: Färberstraße 12. II. in Leipzig  . Druck und Verlag von W. Fink in Leipzig  .