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nicht ein einziges Prinzip bekannt, welches nicht auch den Alten Zweifel eines der schwärzesten Verbrechen, aber eine große Ge­bekannt gewesen wäre. Im Verhalten der Intelligenz dagegen meinschaft von Menschen zu bestrafen, eine ganze Sekte zu ver­haben wir nicht nur in jedem Gebiete des Wissens die bedeutend folgen, es zu versuchen, Meinungen auszurotten, welche aus dem sten Erwerbungen gemacht, wir haben auch die alten Metoden Zustand der Gesellschaft entspringen und selbst ein Zeichen der der Forschung umgestoßen und alle jene Hülfsmittel der Erfah- wunderbaren und wuchernden Fruchtbarkeit des menschlichen rung und Beobachtung, welche Aristoteles   nur dunkel ahnte zu Geistes sind, dies zu thun, ist nicht nur eine der verderblich­einem großen Forschungsplan vereinigt und Wissenschaften hervor- sten, sondern auch eine der törichtsten Handlungen, die man sich gerufen, von welchen der kühnste Denker des Altertums nicht denken kann. Nichtsdestoweniger ist es unzweifelhaft, daß die die entfernteste Vorstellung hatte. Daß in der That das in- meisten von denen, welche religiöse und sonstige Meinungsver­tellektuelle Prinzip das eigentlich wirkende ist, wird durch verfolgungen geleitet haben, Menschen von der reinsten Absicht und schiedene Umstände bestätigt; dasselbe ist nicht nur viel progres- tadelloser Moralität gewesen sind. Dies kann nicht anders sein; siver als das moralische, sondern bringt auch viel dauerndere sie haben keine bösen Absichten, wenn sie Meinungen, welche sie Resultate hervor. für gut halten, erzwingen wollen; noch weniger sind es schlechte Menschen, welche ohne jede irdische Rücksicht alle Mittel ihrer Macht, nicht zu ihrem eigenen Nußen, sondern zur Ausbreitung einer Religion anwenden, von deren Notwendigkeit für die ewige Seligkeit der Menschheit sie überzeugt sind. Solche Menschen sind nicht schlecht, sondern unwissend bezüglich der Natur der Wahrheit und über die Folgen ihrer eigenen Handlungen, aber moralisch genommen, kann man ihren Beweggründen keinen Vor­wurf machen. Es ist vielmehr das Feuer ihres aufrichtigen Eifers, welches sie zu der Verfolgung erhißt und ihren Fanatis­mus zu einer zerstörenden Tätigkeit erweckt.

Die Erwerbungen der Intelligenz werden sorgfältig auf bewahrt, sie werden von einer Generation der andern überliefert, nehmen so eine zugängliche, sozusagen faßliche Form an und üben öfters auf die entfernteste Nachkommenschaft ihren Einfluß aus; sie werden die Erbschaft der Menschheit, der unsterbliche Nachlaß des Genius, dem sie ihr Dasein verdanken. Dagegen sind die guten Taten, die wir mit unserer sittlichen Kraft aus­üben, weniger zu vererben; sie haben mehr einen Privatcharakter und etwas Reservirtes; sittliche Vorgänge sind zwar liebenswür­diger und für die meisten anziehender als intellektuelle, sie sind aber in ihren weiteren Wirkungen viel schwächer, von geringerer Dauer und stiften viel weniger Gutes. Wenn wir die Anstren gungen der tätigsten Menschenfreundlichkeit, der uneigennützigsten Güte betrachten, so finden wir, daß sie von kurzer Dauer sind, daß sie nur einer geringen 3al Menschen zugute kommen, daß sie selten die Generation, die sie entstehen sah, überleben, und wenn sie die dauerhaftere Form wählen, große öffentliche Wohl tätigkeitsanstalten zu gründen, so werden solche Anstalten ge­wöhnlich Mißbräuchen unterworfen, geraten in Verfall und gehen bald entweder ganz zugrunde oder werden von ihrer ursprüng­lichen Bestimmung abgelenkt.

Je tiefer wir in den Gegenstand eindringen, desto klarer wird sich uns die Ueberlegenheit des intellektuellen Erwerbs über das sittliche Gefühl zeigen. Das Gute", was man den Menschen erweist, wie groß es auch sei, ist immer vorübergehend; die Wahrheiten, die man ihnen hinterläßt, sind ewig. Ein unwissender Mann mit guten Absichten und mit der höchsten Gewalt, sie zwangsweise durchzuführen, hat jederzeit viel mehr Uebles als Gutes über die Welt gebracht; dies sehen wir z. B. aus der Geschichte religiöser Verfolgungen. Auch nur einen einzigen Menschen für seine religiösen Ansichten zu bestrafen, ist ohne

Wir finden z. B. unter den tätigsten Urhebern der grausamen Christenverfolgungen die Namen der besten Männer, die je auf einem Trone saßen, während gerade die schlechtesten und verruch­testen die Christen schonten und ihre Verfolgung nicht beförderten. Diese waren zu unbekümmert um die Zukunft, zu selbstsüchtig, zu sehr ganz ihren Vergnügungen hingegeben, um Interesse daran zu haben, ob Irrtum oder Wahrheit den Sieg davon trage; sie ließen deshalb dem Christentum freien Lauf und hemmten es nicht durch jene Strafgesetze, welche gewissenhaftere, aber mehr im Irrtum befangene Fürsten erlassen haben würden. Und so finden wir, daß der größte Feind des Christentums Marcus Aurelius   war, ein Mann von gütiger Gesinnung, von unerschüt terlicher Gewissenhaftigkeit, dessen Regierung aber durch eine Verfolgung geschändet wurde, deren er sich enthalten haben würde, wenn es ihm weniger Ernst um die Religion seiner Väter ge­wesen wäre. Ein ähnliches Beispiel liefert Spanien  ; der Ver­teidigung des Glaubens wurde alles geopfert, und so erzeugte der Eifer natürlich Grausamkeit und bereitete den Boden, in welchem die Inquisition   Wurzel schlug und gedieh. Die Träger jener barbarischen Einrichtung waren keine Heuchler, sondern Schwärmer. ( Fortsetzung folgt.)

Heinrich Heine  .

Ein Lebens- und Charakterbild. Von Dr. Max Vogler.

Im letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts stand in der Bolferstraße zu Düsseldorf   am Rhein   ein niedrig gebautes, enges, einstöckiges Haus, welches die Nummer 602 trug und worin ein Samson Heine   einen Tuchladen etablirt hatte. Er hatte die Tochter des angesehenen Arztes Dr. van Geldern, Betty, zur Frau genommen, und diese gebar ihm am 13. Dezember des Jahres 1799, wie jetzt ziemlich allgemein und ganz richtig an­genommen wird, einen Sohn, der den Namen Harry erhielt. In diesem Sohne des jüdischen Aelternpaares war der Dichter H. Heine  , wie er sich nachmals mit Vorliebe schrieb, geboren

worden.

Jezt steht freilich ein neues, größeres Gebäude, das mit der Nummer 53 bezeichnet ist und seit dem 31. Januar 1867 eine einfache marmorne Gedenktafel Geburtshaus von Heinrich Heine  " trägt, an Stelle des alten, kleinen Hauses.

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Wenn Heine's Vater sich in geistiger Beziehung durch nichts auszeichnete, so ist dagegen seine Mutter eine sehr verständige und für ihre Verhältnisse ungewöhnlich gebildete Frau gewesen, die, wie fast alle Dichtermütter, auf die Herzens- und Geistes entwicklung des Sohnes den bedeutsamsten Einfluß geübt hat. Wir wissen, daß sie die Werke Rousseaus kannte und daß Goethe ihr Lieblingsschriftsteller gewesen ist.

Nachdem ihn die Mutter das Lesen gelehrt, besuchte der Knabe eine israelitische Privatschule und genoß sodann den größten Teil seines Schulunterrichts im französischen   Lyceum, ein Unter­richt, der neben den allgemeinen Verhältnissen der Zeit, auf die

wir später zurückkommen werden, ebenfalls von nachhaltigster Wirkung auf die Individualität des Dichters war.

Das französische   Lyceum, welches später unter der preußischen Regierung die Bezeichnung eines Gymnasiums erhielt, besuchte Heine von seinem zehnten Jahre an. Der eigentliche Zweck der damaligen höheren Unterrichtsanstalten bestand darin, die deut­schen Schüler zu guten Anhängern Napoleons   und zu willigen Werkzeugen seiner Regierung zu machen. Daher war die Unter­richtssprache nicht allein französisch, sondern fast auch ein Dritt­teil sämmtlicher Stunden hatten die Lehrer, die nur französische Lehrbücher dulden durften, auf französische   Grammatik und Lite­ratur zu verwenden. Die Lehrer am düsseldorfer Lyceum waren fast lauter katholische Geistliche, worunter manche frühere Mit­glieder des Jesuitenordens. Geleitet wurde die Anstalt von dem Rektor Schallmeyer, welcher ebenfalls dem geistlichen Stande angehörte, sich aber nicht abhalten ließ, neben dem deutschen Sprachunterricht in der obersten Klasse auch Vorlesungen über Philosophie zu halten, worin er unumwunden die freigeistigsten griechischen Systeme auseinandersezte, wie diese auch gegen die orthodoxen Dogmen abstachen, als deren Priester er selbst zu­weilen in geistlicher Amtstracht am Altar fungirte." Etwas deutsche Sprache" schreibt Heine ferner lernte ich auch von dem Professor Schramm, einem Manne, der ein Buch über den ewigen Frieden geschrieben hat, und in dessen Klasse sich meine Mitbuben am meisten rauften."

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Mehr als dieser deutsche Sprachunterricht nutte dem Knaben