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Störfang in der Elbe . Von H. Schlüter. (Zortsetzung.) Das Netz ist kein Hohlnctz, wie es wohl beini Fischen vom Strande aus benutzt wird, sondern dasselbe hängt senkrecht im Wasser. Steckt nun ein Stör die Schnauze in eine der großen Maschen des Netzes, und fühlt er, daß ihn etwas am Vorwärtsschwimmen hindert, so zieht er die Schnauze nicht zurück, sondern er kehrt sich um, verwickelt sich dabei ins Garn und— ist gefangen._ Die ganze Länge des Netzes beträgt ööll Fuß. Die Tiefe ist 15 Fuß. Da dasselbe nun 15 Fuß unter der Oberfläche des Wassers treibt, so schleift es bei einer Wassertiefe von etwa L5 Fuß 5—7 Fuß auf den Grund des Stroms. Die einzelnen Maschen sind 15 Ccnti- meter im Quadrat. Angefertigt werden diese Garne von den Fischern selbst, die mit ihren Familien durch diese Arbeit den Winter über in Anspruch genommen sind. Unterdes ist das Netz ausgesetzt; die Boie, welche ebenfalls durch eine lange Leine mit diesem in Verbindung, das Ende des Garns be- zeichnet, fliegt über Bord, und prüfend überfliegt das Auge des Fischers die glitzernde Wasserfläche, um sich zu überzeugen, ob das Netz auch gut ausgesetzt, ob es recht quer über dem Strom steht, und ob sonst alles in Ordnung ist. Heute ist alles gut gegangen; ruhig und gerade schwimmt die stattliche Reihe Pümpcl, hier untertauchend, dort wieder aus dem Wasser emporkommend, auf der klaren Flut. Die Strömung ist heute nicht stark, das Wasser schön, und daher,— meint unser Fischer, können wir noch einmal nach„Pagensand" hinüberfahren, um zu sehen, ob nicht etwas Holz zu holen ist. Pagensand ist eine kleine Insel inmitten der Elbe, welche, da sie von Hochfluten beinahe unter Wasser gesetzt wird, unbewohnt ist. Das einzige Bauernhaus ist nur zur Zeit der Ernte bevölkert, wenn die Schnitter und Schnitterinnen daselbst Unterkunst suchen. Sonst betritt das einsame Eiland nur der Fuß des Schiffers und Fischers, der am Strande nach angeschwemmten Gegenständen sucht. Zurückgekehrt von unserer Insel, sehen wir das Netz noch immer gerade und glatt dahintreibcn. Unser Boot fährt langsam am Garn auf und ab. Jede Veränderung am Stand desselben, jedes Unter- ta- chen eines Pümpels wird von der Bemannung des Bootes mit aufmerksamem Auge betrachtet. Doch, was ist das!? Ein Pümpel taucht unter, ein zweiter, ein dritter, zwanzig, dreißig Stück folgen und: ein Stör! ein Stör! tönt es jubelnd von den Lippen unseres Begleiters. Mit kräjtigem Ruderschlage wird das Boot nach der Stelle dirigirt, wo vorhin die Hölzerrcihe auf dem Wasser tanzte. Bei dem, der verschwundenen Reihe zunächst stehenden Pümpel wird das Netz in die Höhe genommen. Der Fischerknecht rudert, tvährend der Fischer das Netz zusammengenommen über seinen Arm gleiten läßt, das Boot nach der Stelle zu, wo der Fisch vermuthlich sitzt. Da plötzlich taucht, ganz von den Maschen des Netzes umstrickt, der Stör aus dem Wasser heraus. Regungslos, ohne Widerstand zu leisten, liegt er auf den Wellen, die ihn spielend aus- und niederwerfen. Von den benachbarten Booten schallt ein donnerndes„Hau cm!"(haue ihn) über die Wasserfläche. Kein Zucken ist an dem Thiere zu bemerken, als ihm jetzt der Fischer einen eisernen Haken mit kurzem Holzgriff mit kräftigem Schlage in den Rücken treibt. Keine Bewegung des Störs zeugt von Leben, als nun der Fischerknecht ihm um Kopf und Brustflosse, wie um den Schwanz je einen Strick befestigt, an denen dann der Koloß ins Boot hinein- gerissen wird. Jetzt erst zeigt das Thier Leben; mit wuchtigem Schlage peitscht der Schwanz desselben die Planken des Bootes; allein es ist zu spät. Schon löst der Fischer die Maschen des Netzes, schon macht er sich daran, dem Thiere ein Tau durch Kiemen und Mund zu ziehen, welches dazu dienen soll, das wieder in sein Element versetzte Thier hinten am Boot zu befestigen. Ein kräftiger Stoß und der Stör ist zwar wieder im Wasser, allein er ist gefangen— angekettet. Der Gefangene ist ein prächtiger Geselle— bei einer Länge von 3 Metern mag er wohl seine 250— 35(1 Pfund wiegen. Was wunder, daß um den Mund des Fischers ein vergnügtes Lächeln spielt. Kein gefangener Stör wird eher wieder über Bord gesetzt, che nicht vermitlels eines kleinen Handbohrers untersucht ist, ob der Fisch ein Rogner oder ein Milchner, d. i. ein Weibchen oder ein Männchen ist. Wir werden später den Grund kennen lernen, warum der Fischer so großes Interesse am Geschlecht des Thieres zeigt. Nicht immer zeigt sich der Fisch bei seinem Fange so ruhig. Gar harten Kamps muß häufig der Fischer bestehen, um das das Wasser mächtig schlagende Thier ins Boot hinein zu bekommen. Das Netz wird jetzt wieder in Ordnung gebracht, und nicht selten glücki's dem Fischer, in einer„Tid " noch ein- oder gar mehreremale einen Fang der Tiefe zu entreißen. Doch nicht immer ist der Fischer so glücklich. Gar manchmal muß er feine Netze anziehen, und nichts, garnichts ist hineingegangen, als taufende und»bcrtausende von kleinen Krabben(Krebsen), die wie höhnend auf dcm Boden des Bootes herumspringen. Auch passirt es häufig, daß das ausgesetzte, aus dem Grunde des Stromes hintreibende Netz sich in einem dort befindlichen fremden Gegenstand verfängt, es
„hakt", und nicht nur die Stellung des Netzes wird verdorben, sondern häusig bedarf es harter, langweiliger Arbeiten, zu welchen sogar oft die aus andern Booten befindlichen Kollege» durch Hochstellen der Ruder zur Hülse herbeigerufen werden müssen, um das Netz zu lösen. Trotz aller Hülse gelingt es aber mitunter doch nicht, das Garn frei zu be- kommen, und in diesem Falle bleibt nichts übrig, als das Netz straff am Boote zu befestigen und abzuwarten, bis das Wasser steigt. Sobald dieses geschieht, drückt letzteres von unten dermaßen auf das Boot, daß das Garn reißen muß und auf diese Weise frei wird. Auch bei schlechtem Wetter, bei Regen oder starkem Winde ist die Störfischcrei kein Vergnügen. Wie wird da das Wasser aufgewühlt, daß das kleine Boot wie eine Nußschale herumgeworfen wird. Wie muß da gerudert werden, um nur in der Nähe des treibenden Netzes bleiben zu können. Da müssen weiter die zusammengeschlagenen Enden des Garns ausgerudert werden— kurzum, bei schlechtem Wetter ist's ein trauriges Gewerbe. Wie manch' kräftiger Fluch erschallt, wenn der Fischer die Netze einzieht und sieht, daß ein Stör„durchgegangen" ist, d. h. mit seinem scharfen, keilförmigen Rücken einige Maschen des Netzes zerschnitten hat. Auch manches Opfer wurde schon unter den Fischern vom Strome gefordert, und wie viele von ihnen wurden eine Beute der tückischen Wellen!— Auch hat die Fischerei für die Gesundheit der Betheiligten ihre Nachthcile. Besonders stark leidet das Augenlicht der Fischer. Das anhaltende Hinschauen auf den Stand des Netzes, während die ge- brochcncn Sonnenstrahlen von der glitzernden, wogenden Wasserfläche zurückgeworfen werden, veranlaßt Schwächung und Schädigung der Sehorgane, ja zieht mitunter Erblindung nach sich. Nicht immer, wenn etwas ins Netz gegangen, ist es der so sehnlich herbeigewünschte Fisch. Birgt doch die Tiefe hier schon so mancherlei Ungeheuer, die, der salzigen Flut des Meeres entstiegen, hier im Elb- ström gewissermaßen ihre Sommerwohnung aufgeschlagen haben. Noch nicht lange ist es her, als ein Fischer, der im Glauben, daß ein Fisch sich in sein Netz verwickelt habe, voller Freude dasselbe hoch nahm. Als er nun aber anstatt des erwarteten Störs Plötzlich ein schwarzes Ungetüm der Flut entsteigen sah, welches ihn mit lautem Prusten be- grüßte, ließ er voller Schreck und mit dem Ausrufe:„Herrgott, der Düwel!" sein Netz, und mit diesem das ihm so schreckliche Ungeheuer, wieder ins Wasser fahren. Erst nach einer Weile nahm er sich das Herz, das Netz wieder zu heben. Er mochte sich während der Zeit, trotz der schaurigen Sage vom Teufel in der Elbe , die in jener Gegend von Mund zu Mund geht, doch wol überlegt haben, daß der Teufel schwerlich die Wasser der Elbe zum Aufenthalt gewählt haben dürste.— Was entdeckte unser Freund nun in dcm Ungetüm, welches wiederum, verwickelt in die umstrickenden Maschen des Netzes, an die Oberfläche kam? Es war eine Robbe, ein Seehund, der nach Hamburg verkauft, dort als eines jener fabelhaften Meerungeheuer ausgestellt wurde, die, „halb Weib, halb Fisch," wie es in den Reklamen heißt, dazu bestimmt sind, als Zugstück irgendeiner obskuren Thicrsammlung zu dienen. Auch der Delphin, diese kleinste Art der Wale, ein garnicht seltener Elbbewohner in dieser Gegend, verirrt sich zuweilen in das nicht für ihn bestimmte Netz. Da sich derselbe zur Tranfabrikation sehr gut verwerten läßt, so wird auch solcher Fang von den Fischern ganz willkommen geheißen. Unterdes ist es Zeit geworden, das Netz einzuziehen. Die Flut hat dasselbe, welches vorhin stromabwärts trieb, schon ein ganzes Stück wieder stromaufwärts gesetzt. Das Netz wird hereingeholt, die eine „Tid " ist vorbei, und unser Fischer fährt fröhlich zu seiner Jolle zurück. Kann er doch die erste Frage seiner Angehörigen bei der nächsten Zusammenkunft:„Wat fang'n?"— etwas gesangen?— mit einem freudigen„Ja!" beantworten.(Schluß folgt.)
Der Opferaltar auf dem Nußhardt.(Bild Seite 116.) Im nordwestlichen Winkel Bayerns , aus den sanften Bergkronen des Fichtcl- gebirgcs und der sumpfigen Niederung des Frankenwaldes, hausten in uralter Zeit die Stämme der Semnonen und Hermunduren. Diese Naturmenschen spürten in der sichtbaren Welt ringsumher, in Berg und Thal, in Wald und Feld, in Lust und Wasser das Walten gehcimniß- voller Mächte und verpersönlichten diese verborgenen Naturgewalten in ihren Göttcrgestalten. Der römische Schriftsteller Tacitus erzählt in seiner„Germama", der einzigen schriftlichen Kunde aus jener Zeit, die leider mir in Bruchstücken auf uns gekommen ist, daß die Semnonen es der Ehre der Himmlischen für unwürdig erachtet hätten, sie in Mauern einzuzwängen und es deshalb bei ihnen keine Tempel gegeben J- besonders schönen, stillen und erhabenen Orten des Waldes ist die Sage geboren, welche die Götter, Sinnbilder der Naturkräste, und die Riesen, Zwerge, Kobolde und Elsen, diese Verkörperungen menichlicher Leidenschasten, in der Phantasie des Menschen wachrief. Unter uralten Bäumen, am sprudelnden Quell oder auf hoher Felsen- kuppe, wie es unser Bild zeigt, hatten unsere Vorfahren ihre Opfer- stätten, da suchte» sie den vcrineintlichen Zorn ihrer Götter zu besänstigc». Meist floß zu deren Ehre das Blut geschlachteter Pferde; nicht selten traf das Messer des Opfcrpriesters den gesangenen Feind. Da unsere Borsahrcn eine Abneigung hatte», in Städten und Dörfern zusammen- zulebcn, zuweilen aber doch die Notwendigkeit an sie herantrat, die