höhere Stufe einzunehmen, als ihre Schicksalsgenossen anderer Volksstämme. So erzählt ein Beobachter, daß die Zigeuner in Montenegro ständigen Wohnsiz einnähmen und außerdem kein von den Eingebornen wesentlich unterschiedenes Leben führten. Wo diese Unterschiede statthaben, ist wol der Grund darin zu finden, daß man sie von manchen Rechten ausschließt und es z. B. auch für unstatthaft gilt, sich mit einem Zigeuner oder einer Zigeunerin zu verheiraten. Kein Wunder, wenn sich bei den letzteren infolgedessen ihre Raceeigentümlichkeit erhält, trotzdem sie die meisten Gebräuche der dortigen Einwohner angenommen. Die Ausübung der Schmiedekunst hält der Montenegriner für eine Erniedrigung, weil dieselbe dort nur von den Zigeunern ausgeübt wird. Als nun die Regierung seiner Zeit eine Waffenfabrik in Rieka errichtete, mußte sie förmlich Zwang anwenden, um nur wenigstens die ärmsten Waisenkinder zu Lehrlingen heranzuziehen. Vor noch gar nicht langer Zeit wollte auch kein Montenegriner mit diesen gefährlichen Schmieden auf einem Friedhof begraben sein, weil derjenige, der die Nägel geschmiedet, mit denen Christus ans Kreuz geheftet worden, nur ein Zigeuner gewesen sein könnte. Sind nun nach den beschränkten Anschauungen dieser biedern Montenegriner alle Schmiede Zigeuner, so sind die Söhne des schwarzen Berges keinesfalls fähig, die Zigeuner zu civilisiren, denn dazu gehört denn doch etwas mehr als diese Naivetät.
In den österreichischen Staaten versuchte zuerst die Kaiserin Maria Theresia sie zu Bürgern zu machen; ihre üblen Gewohnheiten wurden verboten. Die erste Verordnung von 1768 blieb jedoch ohne Erfolg und man griff 1773 zu Gewaltmaßregeln, indem man ihnen die Kinder wegnahm, um sie zu Christen zu erziehen, doch war dies erst recht ohne günstige Folgen. Josef II. ging 1782 milder vor, aber wie so vieles, was dieser beste der Habsburger Gutes geschaffen, später vernichtet wurde, so auch das in Bezug hierauf geschaffene. Auch in England und Preußen hat man Erziehungsanstalten für die Zigeuner gegründet, doch ist in letzterem Staat das betreffende Institut( Friedrichslohra bei Nordhausen ) 1837 eingegangen. Man sagt, daß sich der Zigeuner unter Menschen, die eine niedrige Bildungsstufe einnehmen, am wohlsten fühle, und daß er auch dort am wenigsten zur Last falle. Das ist vielleicht auch der Grund, daß sein Stamm in Spanien 40-50 000 Seelen zählt. An Verfolgungen hat es ihm in dem klassischen Land der Kezerverbrennungen natürlich nicht gefehlt. 1499 wurde ihnen durch Gesetz bei Strafe der Landesverweisung befohlen, sich in bestimmten Städten niederzulassen; dies wurde 1539 wiederholt, wer von ihnen als Vagabund getroffen wurde, sollte sechs Jahre auf die Galeere. Unter Phi lipp II. durfte keiner ohne obrigkeitliche Erlaubniß auf Messen und Märkten etwas verkaufen, Philipp III. befahl ihnen, binnen 6 Monaten Spanien zu verlassen, jeder rückkehrende Gitano solle mit dem Tode bestraft werden. Einige konnten bleiben, wenn sie sich in Städten von mindestens 1000 Feuerstellen ansiedelten, aber es ward ihnen untersagt, sich Egypter zu nennen und deren Sprache zu reden. Philipp IV. verbot ihnen jeden Handel, verweist sie in besondere Stadttheile und verbietet ferner die Bezeichnung Gitano . Zugleich werden ihre Tänze, das Tragen von Feuerwaffen, die Ausübung des Schmiedehandwerks und der Besitz von Pferden verboten. Maulthiere und Esel sind gestattet und ferner sollen sie Ackerbau treiben. Aber alle diese Verbote haben nichts gefruchtet, selbst die grausamsten Maßregeln zu deren Durchführung haben die Zigeuner nicht vertrieben. Die meisten leben armselig, von den Spaniern verachtet, doch sollen sie den Haß reichlich zurückgeben. Des Mordes machen sie sich weniger schuldig als des Bettelns und Stehlens, doch erzählt man hier auch Ausnahmen. Sie sind gewandte Roßhändler, scheeren Pferde und Maulthiere, während die Mädchen Tänzerinnen und die Weiber Wahrsagerinnen sind. Am zahlreichsten sind sie in Andalusien , namentlich in Granada . Hier ist der Monte sacrod. h. der heilige Berg, welcher seinen Namen von den vielen Knochen der Heiligen, die man hier gefunden haben will, bekommen ihr liebster Aufenthaltsort. In Grotten und Höhlen, von denen der Berg durchlöchert ist, hausen die in dieser Beziehung genügsamen Gitanos. Unser Bild, von dem berühmten G. Doré, der dieses Völkchen des öfteren besuchte, gezeichnet, veranschaulicht das von dem Zigeuner gern geübte süße Nichtstun, sowie seine Verlumptheit deutlich genug. Auch die gleich nach seinem Lieblingsthier, dem Pferde, im Werte folgenden Schweine, hat der Stift des Künstlers zur Belebung dieser Szene, vielDie Gitanos in leicht auch symbolisch, in den Vordergrund gestellt. Granada haben olivenbraune Hautfarbe, schwarze, lange und krause Haare und etwas aufgeworfene Lippen. Sie sind meist klein von Gestalt mit hervortretenden Backenknochen und sind von sehr lebhaftem Naturell. Die Weiber sind schlank und sein von Wuchs und, wie man behauptet, zum Teil blendende Schönheiten. Große schwarze Augen, rabenschwarzes Haar und blendendweiße Zähne zeichnen sie aus. Unvergleichlich schön
unterworfen ist.
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werden ihre Tänze geschildert. Doch führen sie den ächten Zigeunertanz nicht in den Gasthöfen aus, sondern nur auf dem Monte sacro, wo ihn auch Doré mit ansah. Sie heiraten sehr früh, mit 14 und 15 Jahren, und zwar beruht die Ehe meist nur in der Uebereinkunft der dabei Beteiligten; auf Blutsverwandtschaft werden keine großen Rücksichten genommen. Religion wird ihnen allgemein abgesprochen, sie sind Muhamedaner unter den Muhemedanern und Christen unter den Christen, d. h. sie eignen sich manche Lebensgewohnheit derer, unter denen sie leben, an. Der Zigeuner liebt den Branntwein und noch mehr den Tabak. Die Angaben über die Kopfzal der Zigeuner in Europa sind schwankend. Nach einigen beträgt dieselbe nur zwischen 1/4 bis 1/2 Million, nach andern 1 Million. Für England und Schott land hält man die gal von 18000 für zu hoch; Desterreich besitzt 97000; Moldau und Walachei besigen soviel wie die Türkei , und zwar 200 000; Deutschland und Frankreich zälen eine geringe Menge im Vergleich zu der großen Anzahl in Spanien . Für Afrika nimmt man 400 000, für Indien 1 500 000, für den übrigen Teil Asiens 2 Millionen an. Nach anderen Schätzungen soll aber die Gesammtzal von 5 Mill. für die alte Welt gleichfalls zu groß sein.
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Aus allen Winkeln der Zeitliteratur.
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Geschwindigkeit ist keine Hererei. Amerikanische Zeitungen berichten von einem Eisenbahnkunststück, einzig in seiner Art. Schon bei dem Bau der Pacificbahn( Newyork - San Francisco ) leisteten die Amerikaner Staunenerregendes, indem sie pro Tag eine englische Meile bauten. Uebertroffen wird diese Leistung womöglich durch die letzthin in einem Tage erfolgte Aenderung der Spurweite von 224 englischen Meilen( 358 Kilometer, eine Strecke, wie von Berlin nach Bielefeld ) Bahn zwischen Leavittsburg und Dayton( Eriebahn). Bisher hatte diese Bahn noch die breite Spur, und es handelte sich darum, sie auf die Normalbreite von 1,44 Meter zu bringen. Selbstverständlich waren alle Werkzeuge und sonstigen Hülfsmittel vorher auf der Strecke verteilt, sodaß die in Abtheilungen von je zehn Mann eingeteilten Arbeiter nur darnach zu greifen brauchten, und es wurden letztere kurz vor Beginn der Arbeit bis dicht an die betreffende Arbeitsstelle gefahren. Nachdem der letzte Breitspurzug" vorbeigefahren war, gingen die Arbeiter um 4 Uhr nachmittags ans Werk, und andern Morgens um 9 Uhr 30 Minuten war die Riesenaufgabe gelöst, wobei freilich zu beachten, daß das Geleise in Amerika in der Regel nicht so kunstvoll befestigt wird, wie in der alten Welt. Um 2 Uhr nachmittags, nachdem alles revidirt worden, ging der erste ,, Schmalspurzug " mit geänderten Wagen und Lokomotiven ab und befuhr die Bahn mit einer T. Schnelligkeit von 80 Kilometern in der Stunde.
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Zauberrunen auf unsern Dächern. Unfre germanischen Vorfahren glaubten den Sturmwind zu versöhnen, indem sie mit Zauberrunen bekrigelte Rindenstücke auf die Gipfel der Bäume steckten. Der Frankenkönig Karl, bekanntlich ein Todfeind der heidnischen Gebräuche, fonnte diese Sitte nicht ausrotten und wandelte deshalb die Rindenstreifen in Wetterfahnen um, wie wir sie heute noch auf unsern Hausdächern sehen, ein Beweis, daß die Kinder des Aberglaubens ein zähes Leben haben.
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Singende Fische sind nach einem amerikanischen Blatte vou einem dänischen Naturforscher( Sorenssen), welcher lange in Südamerika gelebt hat, entdeckt worden. Der die Töne gebende Apparat der Fische soll in dem einzigen Luftreservoir liegen, welches dieselben besigen, nämlich in der Schwimmblase, welche bei den musikalischen Fischarten einen wirklichen Vokalapparat enthalten soll.
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Ein geknüpfter Teppich. In der im Sommer 1880 in Leipzig stategefundenen Ausstellung der deutschen Wollenindustrie befand sich unter anderem ein 91/2 Quadratmeter großer Teppich, der nicht weniger als 1 231 200 mit der Hand geknotete Fäden enthielt. An der Herstellung des Teppichs hat ein Mädchen 250 Tage gearbeitet. Der ausgestellte Teppich ist das erste Exemplar dieser Art, welches überhaupt
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Ein seltenes Schreibkunststückchen hat im vorigen Jahre ein Theilnehmer an dem in Bendahl bei Elberfeld abgehaltenen Schwimmfest ausgeführt. Derselbe, ein ebenso geschickter Stenograph als tüchtiger Schwimmer, nahm die zur Eröffnung des Festes gehaltene Ansprache im Wasser, auf dem Rücken schwimmend, stenographisch auf!- Eine derartige Fuß- und Handgymnastik dürfte wol noch nicht dagewesen" sein.
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Inhalt. Die Schwestern, Roman von M. Kautsky( Fortsetzung). Ueber die geistigen Geseze, denen der Fortschritt der Civilisation Heinrich Heine . Ein Lebens- und Charakterbild, von Dr. M. Vogler. Mein Freund, der Klopfgeist. Eine Spiritistengeschichte aus dem legten Drittel des 19. Jahrhunderts, von H. E.( X.) Störfang in der Elbe ( Fortseßung). Der Opferaltar auf dem Aus allen Winkeln Nußhardt ( mit Illustration).- Grottenwohnungen der Zigeuner auf dem Monte sacro in Granada ( mit Jllustration). der Zeitliteratur.
Verantwortlicher Redakteur: Bruno Geiser in Leipzig ( Südstraße 5).— Expedition: Färberstraße 12. II. in Leipzig . Druck und Verlag von W. Fink in Leipzig .
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