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,, Das Schicksal hätte der geistigen Entwicklung H. Heine's nicht leicht eine größere Gunst erweisen können, als indem es ihn von Göttingen nach Berlin verschlug. Aus der Rumpelkammer todter Gelehrsamkeit trat er an den Herd der weltbewegenden philosophischen Gedanken des Jahrhunderts, aus den engherzig abgeschlossenen studentischen Kreisen und der Isolirzelle des Poetenstübchens in das gesellige Leben der Residenz und den Verkehr mit der Elite der Geister,- aus den phantastischen Nebelträumen der Romantik mitten in die bunt erglänzende Tageshelle der Wirklichkeit."
Mit diesen Worten charakterisirt Ad. Strodtmann treffend die Bedeutung, welche in diesem Aufenthaltswechsel des Dichters lag. Allerdings gab es auch in Berlin manches, was Heine feineswegs angenehm berühren konnte. Das preußische Volk seufzte unter der drückendsten Reaktion, und die akademische Jugend, die gehofft hatte, aus dem Blut der Freiheitskriege" den jungen Baum der Freiheit erwachsen zu sehen, war durch die Demagogenhezze zu unwilligem Schweigen verurteilt.
Das öffentliche Leben in Berlin konzentrirte sich vor allem in der Theater, Konzert- und Ballschwärmerei. Hatte die romantische Poesie sich bei den Berlinern feiner sonderlichen Wirkung zu erfreuen, so war es hingegen die Musik, die romantischste aller Künste", welche damals in Berlin zu hoher Geltung gelangt war.
Wenngleich Heine nach längerem Aufenthalt in der preußischen Hauptstadt sehr richtig über dieses bunte, geräuschvolle Treiben und über die blöde Zerstreuungssucht des damaligen Berlin urteilte, so berauschte und blendete ihn doch der erste Eindruck, den er zunächst von alledem erhielt. Mit heftigem Verlangen tauchte er in die flutenden Wogen dieses flimmernden und tönenden gesellschaftlichen Lebens.
Es dauerte aber nicht lange, bis Heine Berlin und seine Leute mit kälteren, ruhigeren Blicken ansah. Die Stadt selbst tam ihm monoton und geschmacklos vor; er vermißt den Reiz der Altertümlichkeit und ist ärgerlich, vom Andenken Lessings, obgleich dieser sich längere Zeit in Berlin aufhielt, keine Spur zu finden.
Um so angenehmer war es Heine, in der stillen Dichter gemeinde, die seit langem dem literarischen Heros des Jahrhunderts, Goethe, einen verehrungsvollen Kultus widmete, in dem Gesellschaftszirkel der Rahel Levin , eingeführt zu werden. Ein anderer schöngeistiger Gesellschaftszirkel, den er besuchte, war der der Dichterin Elise von Hohenhausen .
Auch die lustige Gesellschaft junger Schöngeister und Künstler, die sich im alten Kasino in der Behrenstraße und in der Weinstube von Lutter und Wegener versammelte, zälte Heine zu den ihren. Heine bedurfte damals der Zerstreuung, wenn ihn einsame Qual nicht verzehren sollte; war es doch um diese Zeit, im Frühjahr von 1821, daß er die Nachricht von der Verlobung der Geliebten, an die sein Herz mit allen Banden innigster, leidenschaftlichster Neigung gefesselt war, erhielt. Sie hatte einen reicheren Bewerber dem jungen Dichter, dem damals schon der Lorbeer zu grünen begann, vorgezogen, und zwar, nach Heine's Meinung, durch die ihm feindlich gegenüberstehenden Verwandten dazu gedrängt. Diese Meinung, daß die Geliebte ohne sonder liche Neigung und weil ihr wärend seiner Abwesenheit die Beit zu lang geworden", einem andern die Hand gereicht habe, sich aber in der neuen Ehe nicht glücklich füle, sondern elend sei, wie er, elend durch ihre Falschheit und ihren Treubruch, hat Heine in vielen seiner schönsten Gedichte zum Ausdruck gebracht. Ich führe hier nur das folgende an, dem die Robert Schumann 'sche Musit eine noch ergreifendere Sprache verliehen hat:
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,, Jch grolle nicht, und wenn das Herz auch bricht, Ewig verlornes Lieb! Ich grolle nicht. Wie du auch stralst in Diamantenpracht, Es fällt kein Stral in deines Herzens Nacht . Das weiß ich längst. Ich sah dich ja im Traum, Und sah die Nacht in deines Herzens Raum, Ich sah die Schlang', die dir am Herzen frißt, Ich sah, mein Lieb, wie sehr du elend bist....." Inwieweit diese Annahme Heine's berechtigt ist, wissen wir nicht, sondern eben nur soviel, daß Amalie Heine, die Tochter seines Oheims Salomon- denn diese war des Dichters Geliebte, am 15. August 1821 dem Gutsbesitzer John Friedländer in Königsberg ihre Hand reichte.
So vertraute er sein Leid der Muse, und diese gab ihm dafür zurück melodische, weiche Lieder, in die all' der wilde Schmerz so anmutig eingesponnen war, daß sich der Dichter besser mit ihm verstehen lernte. Er widmete sich auch den bisher so arg vernachlässigten juristischen Studien mit neuem Eifer, wozu nicht das wenigste seine Beschäftigung mit der hegel'schen Philosophie beitrug. Außerdem sezte er sein Studium der altdeutschen Literatur fort und beschäftigte sich, durch die Vorlesungen Franz Bopps dazu veranlaßt, auch eingehender mit den orientalischen Sprachen und den in ihnen geschriebenen Werken. Ferner besuchte er die wolfschen Kollegien über griechische Literatur oft und gern. Heine dachte jetzt ernstlich daran, eine erste Sammlung seiner Gedichte herauszugeben. Schon früher, in Bonn , hatte er eine solche Sammlung in Angriff genommen und das Manuskript an den Buchhändler F. A. Brockhaus in Leipzig gesandt; letzterer schickte ihm aber nach einigen Wochen die Gedichte mit dem üblichen Bemerken zurück, daß er zur Zeit schon durch zu viele Verlagsartikel allzusehr beschäftigt sei. Der Dichter wußte sich damit zu trösten, daß das Bemühen tausend anderer bedeutender Geister, und z. B. auch Goethe's, ihre ersten Schöpfungen an die Deffentlichkeit zu bringen, von nicht besserem Erfolg begleitet gewesen sei. In Berlin nun vermittelte ihm Varnhagen die Bekanntschaft des Professor Gubiß, der die in rein literarischen Dingen damals besondere Geltung besitzende Zeitschrift" Der Gesellschafter" herausgab, und in der letzteren veröffentlichte dann der junge Poet vom 7. Mai 1821 an eine Anzal seiner Gedichte, die durch ihren wild erregten, leidenschaftlichen Klang und ihre eigentümliche Form sofort ungewöhnliches Aufsehen hervorriefen, sodaß sich der Chef der maurer'schen Buchhandlung, der Verleger des„ Gesellschafter", daraufhin bestimmen ließ, die heine'schen Gedichte in Verlag zu nehmen, wenn auch, ohne dem Dichter dafür ein andres Honorar als vierzig Freiexemplare zu gewähren.
Wenn diese Gedichte auch in ihrer Form zuweilen, z. B. durch den Gebrauch altertümelnder Wendungen und manche schon in ihren Stoffen den Zusammenhang der Entwicklung des Dichters mit der romantischen Schule nicht verkennen ließen, so waren sie im einzelnen doch wieder zu eigentümlich gehalten, als daß man die darin zum Ausdruck gelangende bedeutende Originalität des jungen Poeten hätte übersehen können. Mit dem einfachen Charakter des Volksliedes, welchem nachzuahmen sich die Romantiter Brentano, Fouqué und Arnim bestrebt Heine hatte in dieser Hinsicht besonders von Uhland , dessen Lieder und Balladen er schon frühzeitig gelesen, profitirt-, vereinigten diese Lieder und Romanzen eine Leidenschaftlichkeit und Kraft des Inhalts, die ihren Grund in der Gewaltsamkeit und Macht des wirklich Erlebten, ihren Quell in dem sturmbewegten, von den Qualen einer unglücklichen Liebe zerrissenen Herzen des Dichters hatten, entgegen der künstlich erzeugten Gefühlsduselei und den widernatürlichen Gedankenverrenkungen der meisten Romantiker.( Fortsetzung folgt.)
Eine verschollene Tugend. Streiflichter auf die Kultur der Vergangenheit und Gegenwart.
Viele von unseren Leser kennen wol das Gedicht Seume's von dem Kanadier, der Europens übertünchte Höflichkeit nicht kannte", dabei aber ein Biedermann war vom Scheitel bis zur Sole. Besagte ehrliche Rothaut beweist durch die Gastfreundlich keit, die sie einem bleichgesichtigen Pflanzer gewärt, welcher ein hartherziges Scheusal gewesen sein muß, dieweil er den bei dem schrecklichsten der Donnerstürme" an seinem Herde Schutz suchenden Wilden schnöde abgewiesen und höchst beleidigend beschimpft hat.
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Man ist gewöhnt, den roten Menschenbrüdern in Nordamerika nicht viel Gutes zuzutrauen. Sie halten eine heftige Abneigung gegen alles, was Civilisation heißt, hartnäckig fest; sind zur allgemeinen Menschenbrüderlichkeit weder in der Theorie gekommen, noch in der Praxis, wärend wir europäisch gebildeten Leute theoretisch und wenn es weder etwas kostet, noch sonst Unbequemlichfeiten verursacht, uns, teilweise wenigstens, zu dieser schönen Lehre bekennen; sie sehen es durchaus nicht für unmoralisch an, gelegentlich