wird wieder ein großer Geisterspuk bei Cannabäussen los sein, die Alte hat's gesagt die alte Hanne."

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Ich sagte nichts weiter, als: So!" und schloß die Tür hinter mir ab. Die Nachricht war mir allerdings interessant. Da mußte sich's ja entscheiden, ob der Magnetiseur meinen Untersuchungen freien Spielraum lassen wolle oder nicht. Aber nur einen Augen­blick vermochte dieser Gedanke meine Aufmerksamkeit zu fesseln, dann brach mit verstärkter Gewalt wieder die Erinnerung an sie, an meine Zauberin, die mir heute nur erschienen war, um so­gleich wieder zu verschwinden, hervor. Ich warf mich nur halb entkleidet auf mein Lager, ich dachte und träumte von ihr und von ihr allein.

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Als ich am folgenden Tage zu noch ziemlich früher Stunde in mein Empfangzszimmer trat, war Herr Aloys Mezig, mein Gast, schon verschwunden. Kunz berichtete mir, der Rajeur lasse mir unterthänigst danken, er hätte ausgezeichnet geschlafen. Dem guten Jungen war es augenscheinlich höchst rätselhaft, was der Barbier wärend der Nacht bei mir zu schaffen gehabt hätte. Ich würde jedoch seine Neugier natürlich auch dann nicht befriedigt

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Hans Sachs   und die Meistersinger.( Bild Seite 128-29.) Als unter der Herrschaft der Hohenstaufen Minnesang und Ritterdich tung an den Höfen der österreichischen Herzöge zu Wien   und an dem User des schwäbischen Meeres widertönte, ging ein freudiges Singen und Klingen durch alle Schichten des deutschen Volkes. Das Ritter­tum und die Kirche, ja selbst gekrönte Häupter, wie der Staufe Heinrich der Sechste und der böhmische König Wenzel der Zweite, suchten und fanden Anerkennung in der Ausübung der Dichtkunst. Aber auch das Volk ging in dem edlen Wettstreit nicht leer aus. In den frischauf­blühenden Städten entfaltete sich Industrie und Handel, der sich in der durch die Kreuzzüge und Römerfahrten vermittelten Bekanntschaft und Verbindung mit den italischen Handelstädten bereicherte und erweiterte und dem Kaufmann und Handwerker zu einer einflußreichen Stellung im Staate verhalf. Der wachsende Wolstand suchte die Genüsse des Lebens, worunter damals in erster Linie die Pflege der Dichtkunst ge­hörte, sich eigen zu machen. Die beiden Gegner, Wolfram von Eschen­ bach   und Gottfried von Straßburg  , wedten die selbständige Volkskraft. Die Nachwehen der Kreuzzüge, welche über sieben millionen Menschen verschlungen und andere millionen an den Bettelstab gebracht, und die Best( 1348), der schwarze Tod genannt, machten dieser Herrlichkeit ein Ende. Geselligkeit, Schönheitskultus, Lebensfreude- alles war dahin. Alles Jrdische ist Rauch, Frau Welt  , scheinbar so schön und lockend, ein scheuslicher Leichnam, ein Madensack, sang damals Heinrich von Melk  . Als das höfische Minnelied verstummt war, ging die Kunst von den Rittern auf die Handwerker über. Die Schulen der Meister­finger prägten der Dichtung einen trockenen lehrhaften Charakter in verkünftelten Formen auf, wärend das Volkslied durch Ursprünglichkeit allgemeine Anerkennung gewann und bei den niederen Klassen der Be­völkerung treue Pflege fand. Der Meistersinger hohe Schule wurde Mainz   und die Töchterschulen Nürnberg   und Straßburg  . Der Sprüch wortsammler und fahrende Sänger Michael Behaim  , der Wappenmaler Hans Rosenplüt   und der Barbier Hans Folz  , die um 1430-60 lebten, find als die eigentlichen Gründer des Meistergesangs zu betrachten, ob­zwar eine alte Tradition den Ursprung desselben in die Zeit des deut­schen Kaisers Otto des Ersten( 962) verlegt. Der fruchtbarste wie der bedeutendste aller Meistersänger ist aber Hans Sachs  , über dessen Lebenslauf unsere Leser in Nr. 2 des Jahrgangs 1880 der ,, Neuen Welt" nachschlagen mögen. Dbzwar mit wirklichem Dichtertalent ausge­stattet, behandelte er alle Formen der Poesie im Sinne der Refor mation, d. h. mit nüchterner Einförmigkeit und gesuchter Reimerei, aber niemand kann es ihm verübeln, daß er der Sohn seiner Zeit war. Unser Bild stellt den poetischen Schuster dar, wie er seinen Freunden einen seiner Schwänke, die stets mit einer Sittenpredigt endigen, vor­liest. Ihm zur Seite sißt der Schlosser Conrad Nachtigall, der selbst so sehnsüchtig und klagend zu singen verstand, daß er seinen Namen wol mit Recht führte. Hinter dem Schlosser lehnt an der Wand der würdige Lehrer des Hans Sachs  , der sangeskundige Leineweber Leon­hard Nunnenbeck. Der gestrenge Merker der Tabulatur", Glocken­gießer Adam Beckmesser raunt dem Kaufherrn Behaim ins Ohr, daß fich Meister Hans Sachs   in einer Silbe versungen". Die aufmert samen Zuhörer im Hintergrunde sind Friz Kothner und der junge Behaim  , zwei hoffnungsvolle Singeschüler. Die Mutter mit dem Kind ist Sachsens   zweite Frau, die schöne Barbara Harscherin, die der rüftige Sechsziger im Frawenlob" poetisch verherrlichte. Das sinnende Mädchen, das in der Rechten eine Blume hält, ist Jungfer Eva, eine glühende Verehrerin der Muse des Hans Sachs  . Den Abschluß un­seres Bildes soll der lyrische Schusterjunge David machen, den der Maler mit etwas modern angehauchtem Weltschmerz ausgestattet hat. Eine solche Schwärmerei kommt wol bei Schusterjungen selten vor. Richard Wagner  , der den David in seinem Musikdrama ,, Die Meister­finger zu Nürnberg  " ebenfalls verewigte, hat ihn seinem ursprünglichen

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haben, wenn ich weniger mit meinen eigenen Angelegenheiten be­schäftigt gewesen wäre.

Aber noch jemand anders wünschte Auskunft über den sonder­baren nächtlichen Besuch.

Hanna Wunder, die alte Dienerin des Magnetiseurs, ser­virte mir mein Frühstück zum erstenmale selbst. Kunz habe einen eiligen Gang zu machen gehabt für den Herrn, sagte sie, und damit ich nicht zu warten brauche, käme sie. Mir kam dieser angebliche Zufall sehr gelegen; auch zum erstenmale fragte ich sie nach dem Befinden Athanasias. Die Alte sah mich forschend an und sagte dann, dem Fräulein ginge es gar nicht gut.- Die Berichterstatterin schaute sich dann um, als wollte sie sich vergewissern, daß uns niemand belausche, darauf fuhr sie leise und geheimnißvoll fort: zwar sei das Fräulein so heiter und schiene so glücklich, wie sie schon lange nicht gewesen, aber diese Heiterkeit habe etwas ganz Unheimliches an sich und sie habe ihr auch anvertraut, sie wolle und werde nun ganz gewiß bald sterben das im Verein mit noch etwas anderem, was sie der Alten nicht sagen dürfe, mache sie glücklich und zufrieden. ( Fortsetzung folgt.)

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Element, dem derben Humor, wiedergegeben. Das Wirken des Hans Sachs   bezeichnet die Blütezeit des Meistergesangs und doch fiel er kurz nach seinem Tode gleich Shakespeare   einer gründlichen Verachtung bis zur späteren Ehrenrettung durch Ranisch und Goethe anheim. Die Buchführung der Nürnberger Meistersinger  , worin auch die meisten Fabeln, Kirchenlieder, Allegorien und biblischen Erzählungen des Hans Sachs   verzeichnet waren, ist im Jahre 1790, wie so manches andere in Nürnberg   spurlos verschwunden. Glücklicherweise hat man Sachsens  Werke in einer Spezialausgabe später auf der Stadtbibliothek vorge­funden. Sie werden immer als Sinnbild des geistigen Emporkommens des Handwerkerstandes gelten. Obzwar die Meistersinger die zünf­tige Gesetzmäßigkeit ihrer Kunst auf zwölf Minnesänger des dreizehnten Jahrhunderts zurückführten und ihr Gesetzbuch, Tabulatur genannt, aus den Werken der Dichter Wolfram von Eschenbach  , Conrad von Würzburg, Reinmar von Zweter  , Klingsor, Ofterdingen   und Heinrich Frauenlob   ableiten wollten, so dürfte doch nur der lettere mit dem Schmied Bartel Regenbogen die erste Singer- Innung im Anfang des vierzehnten Jahrhunderts in Mainz   gestiftet haben. Die Verbreiter des Meistergesangs, Behaim  , Rosenplüt und Folz   haben wir schon oben genannt. Noch im Laufe desselben Jahrhunderts entstanden Meister­singeschulen in Straßburg  , Frankfurt  , Würzburg  , Zwickau   und Prag  , im nächsten Jarhundert in Augsburg   und Nürnberg  , und wieder hun­dert Jare später in Kolmar  , Regensburg  , Ulm   und München  . Aus­läufer des genossenschaftlichen Verbandes drangen östlich bis Steier­ mark  , Mähren   und Schlesien   und nördlich bis Magdeburg   und Danzig  , aber überall war man mit peinlicher Sorgfalt bemüht, die Statuten der hohen Schule von Mainz   einzuführen, deren Tabulatur als Dogma galt. Wem die Tabulatur noch nicht geläufig war, hieß Schüler; wer sie kannte, Schulfreund; wer einige Töne zu singen verstand, Singer; wer nach fremden Tönen Lieder machte, Dichter; wer einen neuen Ton erfand, Meister. Diese Töne oder Weisen hatten wunderliche Bezeich­nungen wie z. B. des Regenbogen güldener Ton, der Müglen langer Ton, der blaue oder rothe Ton, die Gelbveigleinweis, die gestreifte Saffranblümleinweis, die gelb Löwenhautweis, die verschlossene Helm­weis, die kurze Affenweis, die fett Dachsweis. Die Versarten hießen Gebäude, der Strophenbau Bar und die Strophen Gesäße. Daß die Erfindung neuer Töne und neuer Strophenformen nach und nach zur Hauptsache im Meistergesang wurde, und dieses mühsame Reimezu­sammenschweißen vorwiegend biblische Erzählungen behandelte, war die Ursache der erkünstelten Form und des lehrhaft hausbackenen Wesens des Stoffes. An die Stelle der ritterlichen Ueberschwenglichkeit der Minnesänger trat die nüchterne Verständigkeit der Meistersinger. Seit Karl der Vierte die Meistersinger mit Innungsrechten und Freibriefen begabt hatte, mehrten sich die Singeschulen ungemein und die Lieder­kunst wurde gewerbsmäßig behandelt, bis die Meistersingerei zum leeren Schaugepränge wie etwa unser Concertwesen wurde; Beweis davon, daß bei Lebzeiten des Hans Sachs   Nürnberg   250,, Meistersänger" auf­zuweisen hatte. Auch an der Kritik in unserem heutigen Sinne felte es nicht, welche als Gemerk, bestehend aus dem Büchsenmeister, Schlüssel­meister, Mertmeister und Kronenmeister die Uebungen leitete, um die Feler der vorgetragenen Stücke anzumerken, das Urteil über die Sänger zu sprechen und denselben die Preise zuzuerkennen. Der erste Preis bestand in einem aus Goldblech geschlagenen Bilde des Königs David, der zweite aus einem Diadem von Silberblech, der dritte aus einem Kranz von seidenen Blumen. Die Lieder wurden singend, jedoch ohne Musikbegleitung auf dem Singestul vorgetragen. Wer ver­sungen" hatte, mußte den Stul verlassen, wärend derjenige, der ,, in der Kunst glatt" war, von dem Kronenmeister mit dem Preise ge­schmückt wurde, den die Merker ihm zuerkannten. Das Schulfingen" fand alle Sonntage im Rathause, die Fest- Schule" jedoch nur drei­mal im Jare, zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten in der Kirche