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statt. Meister, Dichter, Singer, Schulfreunde und Schüler waren an solchen Feiertagen versammelt, die ehrsame Verwandtschaft, Männer und Frauen, gegenwärtig, um manches reiche Muttersöhnchen mit den geistigen Erzeugnissen eines armen Schluckers prunken zu hören. Wie einst die Pest und die Kreuzzüge, welche Burgen und Weiler verödeten, den Minnegesang verstummen machten, so hat der dreißigjährige Krieg, der den Wohlstand der Städte vernichtete, die Singeschulen entvölkert. Schon als Luthers Zeitgenossen, die sorgsamsten Pfleger des Meistersingens, welche zumeist der neuen reformatorischen Kirchenlehre zugetan waren, dahin starben, schwand die geistige Bedeu tung des Meistergesangs. Als auch Handel und Gewerbe durch fast unerschwingliche Kriegskontributionen gehindert waren und die deutschen Städte durch das 17. und 18. Jahrhundert ein kümmerliches Dasein fristeten, war der Geist des Volkes ein zu entarteter, als daß es je zu einem nachhaltigen Aufschwunge der Singekunst hätte kommen können. Das Kind des einst kräftig blühenden Städtewesens siechte dahin, wenn auch einzelne Singeschulen ihre Tätigkeit still und treu bis tief ins 18. Jahrhundert und später fortgesetzt haben, wie denn z. B. in Ulm noch 1830 zwölf alte Meistersinger vorhanden waren, von denen am 21. Oftober 1839 die vier zulegt übriggebliebenen den alten Meistersang feierlich beschlossen und ihr Inventar dem Ulmer Liederkranz vermacht haben. Künftige Kultur- und Literarhistoriker werden es den Meistersingern hoch anrechnen, daß diese ehrsamen Handwerker zu einer Zeit, wo es die zünftigen Gelehrten unter ihrer Würde hielten, für das Volk zu schreiben, in ihrem Kreise manchen Keim der Bildung gepflanzt und gepflegt haben. Ehre ihrem Andenken, das uns die merkwürdigste Erscheinung der deutschen Geistesgeschichte vermittelt. Die Sänger der Blüte- Epoche unter den Hohenstaufen haben gleich den geistigen Titanen des zweiten goldenen Zeitalters der deutschen Literatur mit der herrlichsten Schönheit der hellenischen Welt Unerreichtes gezeugt, aber an gemüthlicher Hingebung an den Gegenstand und Wärme des Gefühls haben sie die Meistersinger nicht übertroffen. Dr. M. T.
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Die Stümper" Mozart und Beethoven . Mozarts ,, Don Mozarts Don Juan" wurde in Berlin zum erstenmale am 20. Dezember 1790 im Nationalteater aufgeführt. Bald darauf erschien in der Berliner Chronik" eine Kritik, aus welcher wir der Seltsamkeit wegen folgende Stelle hervorheben: ,, Mozart wollte in seinem, Don Juan' etwas Außerordentliches schreiben, so viel ist gewiß, das Außerordentliche ist da, aber nicht das Unnachahmliche und Große! Grille, Laune, Stolz, aber nicht das Herz waren, Don Juans' Schöpferdessen Ausgang so ziemlich analog ist mit einer Schilderung des jüngsten Gerichts, wo, wie Seifenblasen, die Gräber aufspringen, Berge plagen und der Würgengel mit der Schreckenstrompete zum Aufbruch bläst" u. s. w.
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Die Chöre sind von keinem Effekte, und einer derselben, der die Freude der Gefangenen über den Genuß der freien Luft bezeichnet, ist offenbar mißrathen. Auch die Aufführung war nicht vorzüglich, sodaß die Oper nach zweimaliger Aufführung vom Repertoire verschwand." Armer Beethoven! Deine Zeitgenossen haben an dir sowie an Mozart kein gutes Haar gelassen und doch sind heute alle Musikverständigen, mit Ausnahme derer von Rio Janeiro, die jüngst den Don Juan" auspfiffen, darüber einig, daß ,, Don Juan" und ,, Fidelio " das Vollendetste bieten, was wir an dramatischer Musik besitzen selbstverständlich Wagners Musikdramen nicht mitgerechnet. Was wird man wol in hundert Jahren über den bei Lebzeiten verhimmelten Richard Wagner schreiben?
Dr. M. T.
Seltsame Grabaufschriften. Auf dem alten Johannisfriedhofe in Leipzig befindet sich ein Leichenstein, dessen Inschrift so recht den wunderlichen Geschmack des Mittelalters und der leipziger Kaufleute" insbesondere bekundet. Die Inschrift ist in der Form von zwei Folioseiten eines Hauptbuches abgefaßt und enthält folgenden Wechselbrief: Anno 1669 den 7. April ge
Kapital- Conto.
Für des Christus unschäzbares Lösegeld und Ranzion Conto 100 000 Thaler.
Gewinn- und Verlust- Conto. Am glückseligen Sterbegewinn: Wohlgestorben ist der beste Gewinn=
100 000 Thaler.
boren in Scheibenberg . Auf Felix) A( dam) Blechschmidts bestimmten Sterbetag anno 1700 den 21. Oktober gelobe ich Jesus Christus Selbstbürge zu bezahlen diesen meinen Solawechselbrief an denselben, den Werth habe ich selbsten verdient, bin mit seinem Glauben und Leben vergnügt, schenke ihm daher die ewige Seligkeit aus Gnaden. Jesus Christus .
Diese Inschrift wird von einer in den Wolken schwebenden Figur gehalten. Eine andre Figur, den verstorbenen Blechschmidt darstellend, hält den Wechselbrief in der Hand, um die Valuta( den Betrag des Wechsels) in Empfang zu nehmen. Eine ebenfalls interessante Inschrift auf einem Leichensteine in der Kirche zu Kohren ( aus derselben Beit) wurde neulich von einem leipziger Blatte mitgetheilt. Sie lautet:
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A et O.
Die Harpffe liblich klingt- nehmlich: Herr George Hund, Organist, Richter, Hospitahlverwalther und Wohlberühmther Harpffenmeister war Ao. 1644 den 11. May zu Constappel gebohren, zu Meißen , Dresden , Leipzig wohl geftimt, gab liblich schönen Thon allhir, von 1674, als Organist, und von 1677 als ein Ehemann mit Fr. Sophia, geb. Königin, welche Ihm 6 Kinder gebohren, aber 1696 d. 10. Aug. die Harpffe kläglich springt und im 53 Jahre.
Mein Harpffen Klang
mein süßer Thon
flingt igt vor Gottes hohen Thron.
Eine andere derartige Aufschrift hat folgenden Inhalt:„ Sterblicher, bedenke die Sterblichkeit, welche Fr. Rahel Regina geborne Sagerin angetreten zu Steinbach, fortgeführt im Heiligen Ehestande mit Mr. Gottfried Eichtern ohne Leibes Erben verlassen zu Kohren den 9. April 1698."
Diesen merkwürdigen Inschriften mögen noch zwei aus der neuesten Zeit, wie sie P. K. Rosegger im Heimgarten " mittheilt, angefügt werden. Nach demselben trägt das Grabmal eines Predigers in Klagen furt die inhaltsvolle Inschrift:
Beethovens Fidelio" wurde zum erstenmale in Wien im Theater an der Wien am 20. November 1804 aufgeführt und fand in der ,, Allgemeinen musikalischen Zeitung " nachstehende Beurtheilung: ,, Das Merkwürdigfte unter den musikalischen Produkten des Monats November war wol die schon lange erwartete beethoven'sche Oper, Fidelio ' oder , Die eheliche Liebe, welche sehr kalt aufgenommen wurde. Wer dem bisherigen Gange des beethoven'schen sonst unbezweifelten Talentes mit Aufmerksamkeit und ruhiger Prüfung folgte, muß etwas ganz anderes von diesem Werke hoffen, als gegeben worden. Beethoven hatte bis jetzt so manchmal dem Neuen und Sonderbaren auf Unkosten des Schönen geopfert; man mußte also vor allem Eigenthümlichkeit, Neuheit und einen gewissen originellen Schöpfungsglanz von diesem seinem erften teatralischen Singprodukte erwarten und gerade diese Eigen schaften sind es, die man am wenigsten darin antraf. Das Ganze, wenn es ruhig und vorurteilsfrei betrachtet wird, ist weder durch Erfindung noch durch Ausführung hervorstechend. Die Duverture besteht aus einem sehr langen, in alle Tonarten ausschweifenden Adagio, worauf ein Allegro aus C- Dur eintritt, das ebenfalls nicht vorzüglich ist, und mit andern beethoven'schen Instrumentalkompositionen auch nur z. B. mit seiner Ouverture zum Ballet, Prometheus', keine Vergleichung aushält. Den Singstücken liegt gewöhnlich keine neue Idee zum Grunde, sie sind größtentheils zu lang gehalten, der Text ist unaufhörlich wiederholt, und endlich auch zuweilen die Charakteristik auffallend verfehlt wovon man gleich das Duett im dritten Akte, G- Dur, nach der Erkenntnißszene zum Beispiele anführen kann. Denn das immer laufende Akkompagnement in den höchsten Violinkorden drückt Solch' unfreiwilliger Humor dürfte wohl dem griesgrämigsten Hypoeher lauten, wilden Jubel aus, als das stille wehmüthig- tiefe Gefühl, chonder ein Lächeln entlocken. sich in dieser Lage wiedergefunden zu haben. Viel besser ist im ersten Zum Schluß noch eine amerikanische Grabaufschrift, die sich nach Afte ein vierstimmiges Kanon gerathen, und eine effektvolle Diskant- J. H. Wehle auf einem Friedhofe in New- York befinden soll. Sie lautet: arie aus F- Dur, wo drei obligate Hörner mit einem Fagotte ein hüb- hier liegt John Smith, er erschoß sich mit einem Revolver, Syſtem sches, wenngleich zuweilen etwas überladenes Akkompagnement bilden. Colt, der auf der Stelle tödtet. Die beste Waffe für diesen Zweck."-Z
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,, Was in der andern Welt ist? Wie oft hab' ich's gesagt und konnt's nicht wissen; Jetzt weiß ich's und kann's nicht sagen."
Und auf einem andern Grabstein ist zu lesen: ,, Ein jeder müde Mensch,
Wenn man ins Grab ihn legt, Läßt noch ein Kreuz zurüd, Das seinen Namen trägt.
Die trauernde Wittwe."
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Inhalt. Die Schwestern, Roman von M. Kautsky( Fortsegung). Ueber die geistigen Geseße, denen der Fortschritt der Civilisation unterworfen ist( Fortsetzung). Heinrich Heine . Ein Lebens- und Charakterbild, von Dr. M. Vogler( Fortsetzung). Eine verschollene Tugend. Streiflichter auf die Kultur der Bergangenheit und Gegenwart.-Mein Freund, der Klopfgeist. Eine Spiritistengeschichte aus dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, von H. E.( XI.) Hans Sachs und die Meistersinger( mit Illustration). Die Stümper" Mozart und Beethoven . Seltsame Grabaufschriften.
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